Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Wie schnell Frau in die Opferrolle flüchtet

Arne Hoffmann, Monday, 10.02.2003, 11:35 (vor 7763 Tagen) @ Markus

Als Antwort auf: Re: Wie schnell Frau in die Opferrolle flüchtet von Markus am 09. Februar 2003 15:35:33:

Hi Markus,

schön, wenn du diese Angriffe nicht so schwer nimmst. Ich möchte gern auf diejenigen Punkte deines Postings eingehen, die mich zu weiteren Gedanken angestoßen haben.

Auch die persönlichen Anfeindungen zeugen vom dargestellten Fanatismus.

Mich stören die persönlichen Anfeindungen auch, weil sie nur Verletzungen auslösen und den Konflikt weiter hochschaukeln, statt in der Sache weiterzuführen. Allerdings könnte ich mir sehr unterschiedliche Ursachen vorstellen, warum Menschen aus unserer Sicht unangemessen reagieren.

Du siehst doch selbst, wie schnell sich die Perspektive ändern kann: Nimm zum Beispiel eine Frau, die dir durch männerfeindliche Bemerkungen auffällt. Als erstes denkst du dir vielleicht: Was für ein sexistisches Miststück! Dann erfährst du, dass sie als Kind in verschiedener Hinsicht durch die Hölle gegangen ist und sich beruflich in einer fast reinen Männerdomäne durchsetzen musste. (Eine gute Freundin von mir hatte dasselbe Problem und hat ebenfalls ein miserables Männerbild, aber sie kämpft immerhin dagegen an.) Wenn du das weißt, hältst du sie vermutlich für viel weniger fanatisch, sondern hast vielleicht sogar Respekt vor ihr, weil sie sich in ihrem Leben trotz dieser Dinge so gut behauptet hat. Vielleicht hast du sogar mehr Verständnis für dumme Sprüche wie "Jammermaskus", weil einem Opfer langjähriger Gewalterfahrungen manche Männerrechtler mit ihren Klagen als viel zu empfindlich erscheinen. Deine Einstellung ändert sich also je nachdem, was für ein Hintergrundwissen du hast, obwohl das Verhalten der Person gleich geblieben ist. Wir wissen nicht, was mit den Leuten im NFF los ist. Der einzige, der einigermaßen klar erkennen lässt, wo sein persönliches Problem liegt, ist Mischa. Der Gedanke liegt aber nahe, dass es auch bei anderen Leuten in diesem und anderen Foren bestimmte Auslöser gibt bzw. gegeben hat. Insofern habe ich Schwierigkeiten, diese Leute als reine Lachnummern zu sehen.

Was natürlich alles nicht heißen soll, dass es keine sexistischen Miststücke gibt, die in ihrem Leben nie eine wirklich schlimme Erfahrung gehabt haben. Unsere Kultur begünstigt Männerfeindlichkeit ja leider sehr.

Aber unsere Kultur begünstigt ja auch anderes destruktives Kommunikationsverhalten. Mir ist das aufgefallen, als ich Mischas und Mayas merkwürdigen "Wettbewerb" gelesen habe, wer die "fieseste", also verletzendste Bemerkung gegenüber Männerrechtlern fomulieren kann. Von außen betrachtet wirkt dieser Wettbewerb zunächst mal einigermaßen gestört. Aber interessanterweise leben wir in einer Medienkultur, die solches Verhalten als geradezu positiv darstellt. Ob es in der Soap Opera vornehmlich für Frauen ist oder im Actionstreifen vornehmlich für Männer: Immer gilt es als Zeichen von Überlegenheit, wenn ein Teilnehmer eines Konfliktes seinem Gegner eine möglichst gehässig-lustige Bemerkung reindrückt. Ich habe den Eindruck, dass wir auf dieses Verhalten ein bisschen konditioniert werden. Wir sehen es so gut wie nie als Zeichen von Überlegenheit dargestellt, wenn einer der Kontrahenten über genügend Reife verfügt, die Position seines Gesprächspartners anzuerkennen und zu integrieren. Okay, im James-Bond-Film wäre das auch ein wenig fehl am Platz ... ;-) ... aber auch in Konfliktdramen wie Daily Soaps kommt es kaum vor. Das wäre auch dramaturgisch schwer umzusetzen. Wie will man den "Marienhof" auf weit über 1000 Folgen bringen, wenn die Figuren auf einmal alle anfangen, sich wie Erwachsene zu benehmen?

Soll ich mich über solche Stimmungsmache-Postings wirklich ärgern?

Nein, natürlich nicht. Ich glaube nicht, dass irgend jemandem damit gedient wäre, wenn du dich ärgerst.

Um die Probleme der Leute sollen sich Menschen kümmern, die dafür bezahlt werden - Ärzte :-).

Ich will niemanden dazu auffordern, sich (ungebetenerweise) um die Probleme von irgendwem zu kümmern. Bis auf ein paar Denkanstöße hast du sowieso keinen Einfluss auf Leute, die du nur per Internet kennst. Nur habe ich den Eindruck, dass wir zu einer ohnehin schon unglücklichen Gesprächssituation beitragen könnten und würde das gerne vermeiden. Viele Menschen scheinen es zwar anfangs als "amüsant" oder anderweitig erfüllend zu betrachten, mit bestimmten anderen Menschen virtuell in den Clinch zu gehen. Aber nach meinen bisherigen anderthalb Jahren Erfahrung in den Parsimony-Foren bin ich zu der Einschätzung gelangt, dass diese Konflikte die Beteiligten auf Dauer unheimlich aussaugen, frustrieren, verletzen oder anderweitig fertigmachen. Was sie interessanterweise nicht davon abhält, sich in ihren Postings weiterhin gut gelaunt, heiter und unverwundbar zu zeigen, und man nur im privaten Kontakt erfährt, wie dreckig es ihnen wirklich damit geht.

Herzlicher Gruß

Arne


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