Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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ot: Menschenbilder

Querdenker, Monday, 25.07.2005, 16:17 (vor 7053 Tagen)

Die von mir bereits angesprochenen Gemeinsamkeiten bezüglich
der "Argumentation" in den Themenbereichen "Feminismus" und
"Wirtschaft" möchte ich hier noch 1. philosophiehistorisch
(Wirtschaft) und 2. anthropologisch (Geschlechterdebatte) ergänzen.

1. Geschlechterdebatte: Anstoß hierzu liefert der angebliche
Kassenknüller „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“.
Dieser wurde jüngst kommentiert im Blogspot von Arne Hoffmann:

http://genderama.blogspot.com/, Rezension:....., 5. Beitrag von
oben.

Hierin heißt es anläßlich einer Neuerscheinung auf dem Buchmarkt (ebda.
mal informieren):

"Anstoß zum Schreiben dieser Neuerscheinung dürfte die unsägliche
Geschlechterklischee-Sammlung („Warum Männer nicht zuhören und Frauen
schlecht einparken“) des Ehepaars Alan und Barbara Pease gewesen sein, die
vor einigen Jahren ja trotz ihres grenzdebilen Inhalts nicht nur ein
Kassenknüller war, sondern sogar als DIE Wahrheit über das
Geschlechterverhalten rangierte. So schenkte sich auch die Familie der
Autorinnen Exemplare dieses Buches zur eigenen großen Überraschung
gegenseitig zu Weihnachten, nur um bei der Lektüre einigermaßen befremdet
über das Buch und seinen enormen Erfolg zu sein. Wurden darin doch nicht
nur alle Menschen als bessere Aufziehpuppen beschrieben, die allein
Testosteron und Östrogen sowie dem steinzeitlichen Erbe unterworfen waren,
die Peases taten sogar so, als seien einander alle Männer respektive alle
Frauen im Wesen fast völlig gleich. Kurz, es handelte sich um notdürftig
als Wissenschaft getarnten offensichtlichen Unsinn."

In der offensichtlich als "Konter" auf diesen Klassiker ausgelegten
Neuerscheinung heißt es erstaunt:

"Liest man die verschiedenen modernen Theorien über Männer, wundert man
sich, dass sie nicht regelmäßig gemeinsam in die Wälder verschwinden, um
dort wie eine Horde Wildschweine zu jagen, im Erdreich zu buddeln und zu
grunzen. Warum einige Männer aus der Art schlagen und keineswegs damit
beschäftigt sind, ihren Samen immerzu an die Frau zu bringen, sondern
lieber Autos bauen, dem Nobelpreis entgegenforschen und wunderbare Romane
schreiben, erklären uns die Anthropologen leider nicht."

Man ist versucht, hinzuzufügen: Ja, warum gibt es dann zum Beispiel
dieses Forum, wenn doch alle Männer genetisch (?) oder auf andere Arten
und Weisen auf eine bestimmte Verhaltensweise festgelegt sind.

Warum gibt es dann Männer, die in den Zeugungsstreik treten ?

Doch wohl offensichtlich nur, weil die menschliche Spezies im Jahre 2005
eben DOCH in der Lage ist, selbst tief verwurzelte (?) Denk- und
Verhaltensweisen mit Hilfe des Intellekts und eigenen moralischen
Überlegungen zu überwinden und zur "Theorie" völlig "konträre"
Handlungsweisen zu etablieren.

Da ich selber stichprobenartig das inkriminierte Buch durchgestöbert
habe: Immerhin muß man den Autoren zugute halten, das sie trotz aller
Determiniertheit abschwächend noch vom "statistischen Durchschnitt" reden,
also menschlicher Handlungsfreiheit durchaus noch eine Hintertür offen
lassen.

Insofern: Nett, aber mann/frau kann auch anders.

Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, daß diese kleine "Abschwächung" gerne
überlesen wird und ich mich mit Aussagen der Art: "Siehst Du, Frauen
verhalten sich eben so (und das schon seit Tausenden von Jahren) - ich
kann da gar nix machen...." auseinandersetzen muß.

Das sich ob dieser Aussage top ausgebildete Frauen (!) nicht schämen,
ihr Verhalten mit Ritualen aus der Steppe zu begründen, finde ich schon
einigermaßen niederschmetternd.

2. "Wirtschaft": Geben sich die Peases immerhin noch Mühe, ihre
Darlegungen mit diversen Forschungsergebnissen zu untermauern, so hat der
Stammvater der liberalen Wirtschafts"ethik", Thomas Hobbes, sich diese
Mühe erst gar nicht gegeben.

Hobbes lebte von 1588 bis 1679. Zitieren wir mal aus einem seiner Werke:

"Das Zusammenleben ist den Menschen also kein Vergnügen, sondern schafft
ihnen im Gegenteil viel Kummer, solange es keine übergeordnete Macht gibt,
die sie alle im Zaum hält [...] So sehen wir drei Hauptursachen des
Streites in der menschlichen Natur begründet: Wettstreben, Argwohn
und Ruhmsucht. Dem Wettstreben geht es um Gewinn, dem Argwohn um
Sicherheit, der Ruhmsucht um Ansehen. Die erste Leidenschaft scheut keine
Gewalt, sich Weib, Kind und Vieh eines anderen zu unterwerfen, ebenso
wenig die zweite, das Geraubte zu verteidigen, oder die dritte, sich
zu rächen für Belanglosigkeiten [...] Und hieraus folgt, daß Krieg
herrscht, solange die Menschen miteinander leben ohne eine oberste Gewalt,
die in der Lage ist, die Ordnung zu bewahren. Und es ist ein Krieg, den
jeder Einzelne gegen jeden führt."

Dieser »Krieg aller gegen alle« (bellum omnium contra omnes), sei laut
Hobbes der »Naturzustand« des Menschengeschlechts.

Die "Wissenschaftlichkeit" dieser These besteht in Aussagen wie der
folgenden:

"Wozu jedoch brauchen die Menschen, die doch Verstand besitzen, noch mehr
Beweise, wenn selbst die Hunde zu verstehen scheinen, worum es geht: Sie
bellen jeden an, der ihnen über den Weg läuft: Am Tage jeden Unbekannten,
nachts aber alle."

Bei aller Hochachtung für Herrn Hobbes: Das ist natürlich mehr als
dürftig.

Vaclav Havel stößt 1992 ins gleiche Horn:

"Sosehr auch mein Herz schon immer links von der Mitte meiner Brust
schlug, habe ich immer gewußt, daß die einzig funktionierende und
überhaupt mögliche Ökonomie die Marktwirtschaft ist [...] Einzig eine
solche Ökonomie ist natürlich [...] Die Marktwirtschaft ist für mich etwas
so Selbstverständliches wie die Luft: geht es doch um ein jahrhundertelang
(was sage ich - jahrtausendelang!) erprobtes und bewährtes Prinzip der
ökonomischen Tätigkeit des Menschen, das am besten der menschlichen Natur
entspricht."

Das im Laufe der Jahrhunderte vielfach variierte, jedoch noch immer von
vielen behauptete Hobbes'sche Paradigma (siehe unseren "VWL-Experten")
kann lediglich als ein speziell in letzter Zeit verstärkt auftretendes
historisches Phänomen eingestuft werden, als "wissenschaftliche These" ist
diese Sicht jedoch in keinster Weise haltbar.

Längst haben Historiker, Ethnologen und Anthropologen tausendfach
erwiesen, daß die naßforsche Behauptung von z.B. Adam Smith über die
»natürliche Neigung« des Menschen zum Warentausch völlig haltlos und die
gesellschaftliche Funktionsteilung auf ganz andere Weise im Inneren
kleiner, nicht auf Warentausch beruhender Gemeinschaften entstanden ist.

Auch hier wieder: Sollte das ganze Gedöns von angeborenem Egoismus,
den "letztlichen Kapitalisten", die wir alle sind, tatsächlich die
"menschliche Natur" widerspiegeln:

Warum gibt/gab es dann Leute wie Mutter Theresa, warum engagieren sich die
Leute ehrenamtlich, warum setzen heutzutage überhaupt noch Leute
Kinder in die Welt (ein rein ökonommisch gesehen sehr schädliches
Verhalten), ....

Selbst ein Ur-Pessimist wie Schopenhauer hat dem Menschen die Fähigkeit
eingeräumt, so etwas wie "Mitleid" zu entwickeln und so die Menschlichkeit
über die Durchsetzung des je persönlich-egoistischen "Willens" hinaus
zu entwickeln. Alleine diese Fähigkeit hebt den Menschen aus dem
Tierreich heraus.

Manchmal fragt man sich, ob hier nicht Ursache und Wirkung verwechselt
werden: Nach hunderten von Jahren, in denen Egoismus, Macht,
Ellenbogengesellschaft, Vereinzelung (die ja in jüngster Zeit im Wort
"Ich-AG" auch ihren sprachlichen Ausdruck findet) kultiviert worden sind -
über alle Auf- und Widerstände hinweg -, könnte es da nicht sein, daß man
diese - wie gesagt: historisch relativ kurzlebigen - Phänomene quasi
nachträglich noch mit einer ebenso gearteten "Natur des Menschen"
begründet ?

Und eins ist klar: Die lautesten Verkünder dieser These sind diejenigen,
die am meisten davon profitieren...........

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Kurz gesagt:

Mit Aussagen der Art: "Der Mensch ist eben so!" oder auch "Männer/Frauen
sind eben so!" wäre ich sehr vorsichtig.

1. sind die Belege dafür äußerst dürftig und
2. fast noch wichtiger: Man beraubt sich mit dieser Herangehensweise
einer ganzen Menge Handlungsoptionen.
3. das es auch anders geht, zeigen Tausende von Beispielen aus Geschichte,
Kultur und täglicher Praxis.

Das einzige, was es braucht: Man muss sich im Kopf halt etwas freimachen.
Das ist schwierig - zugegeben.

Sorry für die Länge, das ging kaum kürzer.

Grüße,

Q.


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