Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Handgreiflichkeiten sind Frauensache

Maesi, Friday, 30.11.2001, 23:04 (vor 8392 Tagen) @ frankie

Als Antwort auf: Re: Handgreiflichkeiten sind Frauensache von frankie am 29. November 2001 09:02:48:

Hallo frankie

Hmm, auf den ersten Blick wundert mich das Ergebnis sehr. Auf den zweiten nicht mehr so. Nach dem Motto, glaub keiner Statistik die du nicht selbst gefälscht hast. Ne ich will dem Autor keine bewusste Fälschung unterstellen, aber ich glaube allein dadurch daß er nur Männer befragt hat kommt so ein schiefes Bild heraus. Die gleiche Umfrage bei geschiedenen Frauen würde vermutlich genau das gegenteilige Ergebnis bringen. Warum? Nun jeder fühlt sich in solch einer Situation lieber als Opfer denn als Täter. Keine sieht das Vergangene wirklich objektiv. Eine Tasse die auf mich zufliegt bleibt nunmal mehr im Gedächtnis als eine - für mich damals berechtigt erscheinende - Handgreiflichkeit meinerseits. Außerdem, Umfrage oder nicht, wie will der Autor wissen ob die befragten die Wahrheit sagten? Ich würde mir jedenfalls schwer überlegen in solch einer Umfrage zuzugeben meine Partnerin geschlagen zu haben. Geschlagen worden zu sein gib ich ehr zu, wie gesagt die Opferrolle ist einfach gesellschaftsfähiger als die Täterrolle.

Du sprichst hier die Problematik von asymmetrischen Studien an. Aehnliche Studien gibt es uebrigens auch ueber Gewalt, die Maenner Frauen antun. Solche Untersuchungen geben einfach ein Bild ueber das Ausmass an Gewalterfahrung, welcher eine bestimmte Personengruppe unterworfen ist (hier der Maenner). Sie duerfen jedoch nie aus dem Zusammenhang gerissen werden, d.h. sie taugen nicht allein zur Erforschung der Gewalt sondern muessen im Kontext mit weiteren Studien gesehen werden. Asymmetrisch sind Studien auch, wenn die Befragten nicht nach statistischen Erwaegungen ausgewaehlt werden, sondern sie sich selber melden koennen, um an der Studie teilzunehmen.
Dass bei Befragungen die Wahrheit etwas beschoenigt wird, ist schlichtweg menschlich; das betrifft natuerlich nicht nur die befragten Maenner sondern auch die in anderen Studien befragten Frauen, was im Artikel ja von Prof. Amendt auch angemerkt wird.

Und noch ein Kritikpunkt. Die Beschränkung auf 'Handgreiflichkeiten'. Die Begründung is ja wohl witzig! Weil Männer vielleicht nicht zugeben würden wenn sie schwerer misshandelt worden wären, frage ich nur nach Handgreiflichkeiten! Diese Einstellung zeigt mir doch nur, daß sich der Autor sehr wohl bewusst ist, daß in solchen Umfragen nicht die Wahrheit gesagt wird. Auch wenn hier das Verschweigen in die andere Richtung geht als ich oben gemutmasst habe. Trotzdem zeigt mir auch das wieder daß solche Untersuchungen recht wenig bringen ..

Hier bist Du auf dem Holzweg. Die Art der Fragen wirken sich entscheidend auf die Ergebnisse aus. Die Begruendung, dass der Begriff 'Handgreiflichkeiten' anstatt 'Gewalt' benutzt wurde, erscheint mir durchaus schluessig. Es ist immer noch so, dass Maenner dahingehend sozialisiert werden, physische Gewalt als etwas normales zu betrachten ('ein Indianer kennt keinen Schmerz', 'ein Mann weint nicht', usw.). Die Scham und Angst, als Jammerlappen dazustehen, wenn eigene Gewalterfahrungen zugegeben werden, ist entsprechend hoch, insbesondere wenn die Gewalt von einer Frau ausging. Der Begriff 'Handgreiflichkeiten' ist weniger emotional fuer Maenner, denn die kann er viel eher bestaetigen, ohne zugeben zu muessen, dass er die Kontrolle ueber die Lage verloren hatte. 'Handgreiflichkeiten' koennen auch eher als Kleinigkeiten abgetan werden, waehrend 'Gewalterfahrungen' eher mit einer passiven Rolle (insbesondere auch von Frauen) assoziiert werden, welche Maenner kaum einnehmen wollen.

Und zur moralischen Verurteilungswürdigkeit von 'Handgreiflichkeiten'. Für mich ist es ein himmelweiter unterschied ob in einem Streit mal eine Tasse fliegt (und vielleicht auch trifft), ob einem mal die Hand ausrutscht oder ob ich systematisch prügle oder misshandelt werde. Mag sein daß diese leichteren Formen von Gewalt mehr oder weniger gleich von beiden Geschlechtern ausgeübt werden. Ich glaube aber bei den schwerern Formen siehst anders aus. Allein schon durch den körperlichen Vorteil des Mannes i.a. mehr Kraft zu haben, größer zu sein.

'Handgreiflichkeiten' ist tatsaechlich ein sehr weiter Begriff, wenn auch praeziser als 'Gewalt'. Das kann von Schubsen, ueber Ohrfeigen und Pruegel bis zu regelrechten Angriffen mit Waffen reichen. Deshalb wird in soziologischen Untersuchungen oft die sogenannte 'conflict tactic scale' (=cts) eingesetzt, welche die einzelnen Gewaltakte naeher klassifiziert. Diese cts-Studien zeigen jedoch, dass Frauen schwere Formen von Gewalt in vergleichbarem Umfang ausueben wie die Maenner.
Der koerperliche Vorteil des Mannes ist ein feministisches Standardargument, um solche Forschungsergebnisse unglaubwuerdig zu machen. Aber eine physische Ueberlegenheit bedeutet nicht notwendigerweise, dass dieser Vorteil auch genutzt wird. Maenner haben aufgrund ihrer Sozialisation eine gewisse Hemmschwelle, Frauen zu schlagen. Auch wenn Feministinnen noch so oft wiederholen, dass das patriarchalische System das Schlagen von Frauen toleriere oder gar foerdere, ist das trotzdem falsch. Vielmehr gelten Jungen bzw. Maenner, die Maedchen oder Frauen schlagen, als feige, weil sie sich gegen Schwaechere wenden. Lies uebrigens mal Arnes letztes e-zine (INVISIBLE MEN Nr. 22); dort steht, dass Frauen ihre geringere Koerperkraft durch Ueberraschungsangriffe wettmachen.

Gruss

Maesi


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