Re: Kleines Lehrstück in Sachen politisch korrekter Manipulation
Als Antwort auf: Kleines Lehrstück in Sachen politisch korrekter Manipulation von Scipio Africanus am 17. Februar 2006 10:29:
Hallo Scipio
In der Schweiz wird wieder einmal beklagt, dass Frauen Lohndiskriminierungen hinnehmen müssen, und zwar Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts. Das Gejammere ist nicht neu. Interessant ist aber die Art und Weise der Berichterstattung.
Da steht :
"Nüchtern fällt insbesondere die Lohnbilanz aus. Während die Frauen im öffentlich-rechtlichen Bereich eine Verbesserung erreichen konnten, hat sich die Lohndifferenz im privaten Sektor in den letzten Jahren kaum verändert. Noch immer verdienen Frauen dort im Durchschnitt 25 Prozent weniger als Männer: 40 Prozent dieses Minderlohn sind allein auf das Geschlecht zurückzuführen."
Es werden Zahlen genannt, und zwar 25 und 40 Prozent. Das klingt für den flüchtigen Leser sehr dramatisch, ein richtiger Skandal, und dringender Handlungsbedarf scheint angezeigt, da im Kontext von geschlechtsspezifischer Diskriminierung die Rede ist.
Wer sich aber ein klein wenig Zeit nimmt, der erkennt, dass nur für 40 % von den 25 % diskriminatorischer Charakter behauptet wird, das macht also also 10 %, und diese 10 % auch nur im privaten Sektor, der öffentliche Sektor bleibt dabei ausgenommen. Ein grobe Schätzung, die den öffentlichen Bereich mit einschliesst, ergäbe dann noch etwa, sagen wir mal 7 % Lohndifferenz. Das ist schon beinahe nicht mehr signifikant.
Naja, diese Trennung zwischen Privatwirtschaft und oeffentlichem Bereich wuerde ich nicht ueberbewerten. Die Probleme liegen IMHO ganz woanders:
Schwer messbare, aber nichtsdestotrotz wichtige Faktoren werden normalerweise unzureichend oder gar nicht beruecksichtigt; dazu gehoeren die unten noch etwas detaillierter ausgefuehrte Leistung, aber auch Verhandlungsgeschick bei Lohnverhandlungen, zeitliche und oertliche Flexibilitaet, Bereitschaft zur Leistung von Sondereinsaetzen, gezielte Karriereplanung, ununterbrochene Arbeitsbiographie, geschickte Ausnutzung von Arbeitsmarktbedingungen (z.B. gezielte Positionierung in prosperierenden, zukunftstraechtigen Berufen/Branchen) usw. usf.
Ein grundsaetzliches Problem im Zusammenhang mit der Leistungsmessung ist, dass kaum stichhaltige Leistungskennzahlen zu erhalten sind. In kleinen und mittleren Betrieben werden diese meist noch nicht einmal erhoben, weil dort jemand, der mindere Leistung erbringt, auch so ziemlich schnell auffaellt; dadurch erscheint die Leistungsermittlung dort eher trivial, und der Aufwand, der damit verbunden ist, steht in keinem Verhaeltnis zum Nutzen. In Grossbetrieben wiederum wird zwar mehr oder weniger systematisch Leistung gemessen - jedoch mit teilweise unterschiedlichen Messmethoden und sogar 'intuitiven' (um nicht zu sagen subjektiv gefaerbten) Leistungseinschaetzungen, was einen direkten Leistungsvergleich zwischen verschiedenen Unternehmen stark erschwert. Ausserdem bleiben diese betrieblichen Leistungsmessungen normalerweise betriebsintern und sind den Forschern nichts so ohne weiteres zugaenglich. Ohne Leistungsvergleiche sind aber die Lohnvergleiche, welche normalerweise nur formale und deshalb gut messbare Kriterien (Ausbildung, Beschaeftigungsgrad, Fuehrungsfunktionen, diverse Sonderzulagen etc.) miteinbeziehen, ziemlich unsicher.
Berücksichtigt man weiter, dass Männer immer noch oft Alleinernährer sind, dies bei Frauen aber sehr selten der Fall ist, dann wirkt die ganze Angelegenheit aufgeblasen.
Zustimmung. Dadurch, dass Maenner weit oefter die Allein- oder wenigstens Haupternaehrer in Familien sind, ist bei ihnen entsprechender Druck und damit auch eine Motivation zur Maximierung des Lohnes hin vorhanden, der bei Frauen weitaus seltener ist. Dieser Druck hat positive und negative Auswirkungen: einerseits erhoeht er die Wahrscheinlichkeit, Karriere zu machen oder ein hoeheres Einkommen zu erwirtschaften, andererseits erhoeht er die gesundheitlichen Risiken (Burn-out, Dauerstress und dadurch hoher Blutdruck, ungesunde Fastfood-Ernaehrung). So hat halt jede Medaille ihre zwei Seiten
Es gibt IMHO geschlechterspezifisch unterschiedliche Verhaltensweisen, die wiederum im statistischen Durchschnitt unterschiedlich honoriert werden. Daran ist nichts schlechtes, wenn die geschlechterspezifisch unterschiedlichen Verhaltensweisen selbstbestimmt gewaehlt wurden. Schlecht finde ich hingegen, wenn der blosse statistische Unterschied ohne jegliche tiefgruendigere Untersuchung einfach als Geschechterdiskriminierung interpretiert wird. Auch wenn es manchem Gendertheoretiker gegen den Strich geht: moeglicherweise waehlen Maenner und Frauen ganz bewusst bestimmte geschlechterspezifische Rollenmodelle aus und nehmen fuer die errungenen Vorteile auf dem einen Gebiet auch Nachteile in einem anderen Bereich in Kauf.
Das von susu erwaehnte ISCO88-Berufskategoriensystem ist einerseits gut, weil es die Berufe in ein System einbindet, welches auf recht detaillierte, formal ueberpruefbare und ziemlich gut messbare Kriterien gruendet. Andererseits bleibt der ganze Bereich der individuellen Verhaltensweisen (Leistungsbereitschaft, Lohnverhandlungsgeschick, lohnmaximierendes Verhalten auf dem Arbeitsmarkt etc.) dabei unberuecksichtigt, was sich in der Praxis halt dementsprechend in einer gewissen Grauzone aeussert, innerhalb der man nicht entscheiden kann, ob es sich um echte Geschlechterdiskriminierung handelt oder einfach um Auswirkungen der nicht gemessenen unterschiedlichen, u.U. geschlechterspezifischen Verhaltensweisen (z.B. die Alleinernaehrer-Rolle).
Ein anderes Problem hat ebenfalls susu angesprochen: wie kommt man mit vernuenftigem Aufwand an die Daten? Eine stark wettbewerbsorientierte Wirtschaft wird bei allzu aufwendigen und deshalb teuren Datenerhebungen nicht mitmachen - fuer die kleinen und mittleren Betriebe bedeuteten teure Datenerhebungen u.U. sogar den Ruin.
Ein weiteres Problem nenne ich den 'Promi-Effekt'. Es geht darum, dass jemand, der sich in einer Topposition befindet, nicht so sehr nach Leistung/Ausbildung oder anderen objektiv nachvollziehbaren Kriterien bezahlt wird, sondern allein durch seine Bekanntheit einen gewissen 'Marktwert' besitzt, der sich wiederum direkt in seinem Lohn niederschlaegt. Typische Vertreter von solchen hochbezahlten Leuten sind Topmodels, Topmanager, bekannte Schauspieler oder auch Spitzensportler. Ob beispielsweise das weltbekannte Topmodel X.Y. bessere Arbeit leistet, eine hoehere Ausstrahlung besitzt als das (noch) unbekannte Model A.B. spielt keine Rolle; es reicht aus, dass X.Y. allein durch ihren bekannten Namen Erwartungen auf erhebliche Umsatzsteigerungen bei jenen Couturiers weckt, fuer die sie taetig ist.
Dieser Promi-Effekt existiert nicht nur im Showbusiness (wo er jedoch besonders wichtig ist) sondern auch branchenintern oder gar innerhalb eines Grossbetriebes: da mag der Manager G.H. ausserhalb seiner Berufsbranche/seines Betriebs voellig unbekannt sein; aber innerhalb wird er als Topmann 'gehandelt', der hohe Lohnforderungen stellen kann. Entsprechend begehrt ist eine solche Person bei den Headhunters bzw. im betriebsinternen Kandidatenkarrussell um die prestigetraechtigen Positionen. Dieser Ruf ist dem Promi normalerweise nicht einfach in den Schoss gefallen, sondern er hat ihn sich durch 'karriereoptimierendes Verhalten' systematisch erarbeitet; ob der Ruf haelt, was er verspricht, steht latuernich auf einem anderen Blatt. Der Promi-Effekt ist besonders bei den begehrten Jobs und Toppositionen wichtig - also genau jenen Jobs, die von den Gleichstellungsbuerokraten am ehesten als quotierwuerdig angesehen werden, weil dort auch fuer sie besonders viel Prestige abfaellt. Wenn die Gleichstellungsbuerokratin B.C.-D. beispielsweise durchsetzen kann, dass bei der Besetzung von Professorenposten an der renommierten Uni in H. kuenftig eine Frauenquote gilt, dann steht sie in allen Zeitungen und steigert bedingt durch ihre 'Meriten' wiederum den eigenen Marktwert; ob die Qualitaet der universitaeren Ausbildung durch die Frauenquote tatsaechlich steigt oder sinkt, ist fuer die Reputation von B.C.-D. voellig belanglos. Wenn B.C.-D. hingegen eine Frauenquote bei der Muellabfuhr im selben Ort H. durchsetzen kann, wird sie hoechstens fuer eine realitaetsferne Buerokratin gehalten, weil jeder genau weiss, dass man mit einem Job bei der Muellabfuhr Frauen jagen kann, und damit die Quote wohl nie erfuellt werden wird; Lorbeeren sind mit 'Quoten' der letzteren Art in der Gleichstellungsszene ganz gewiss nicht zu verdienen - also laesst die professionelle Gleichstellungsfrau die Finger davon.
Und diese minime Differenz wird auch nicht hinterfragt. Schliesslich zweifelt der Papst auch nicht am Dogma der Jungfräulichkeit Marias.
Aber es soll ja nicht informiert, sondern etwas erreicht werden, denn unsere famose Aussenministerin will wieder mal die sexistischen Frauenquoten aufs politische Tapet bringen.
Zweifellos.
Gruss
Maesi
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- Kleines Lehrstück in Sachen politisch korrekter Manipulation -
Scipio Africanus,
17.02.2006, 12:29
- Re: Kleines Lehrstück in Sachen politisch korrekter Manipulation -
Eugen,
17.02.2006, 13:26
- Re: Kleines Lehrstück in Sachen politisch korrekter Manipulation - Scipio Africanus, 17.02.2006, 13:30
- Re: Kleines Lehrstück in Sachen politisch korrekter Manipulation -
susu,
17.02.2006, 16:07
- Re: Kleines Lehrstück in Sachen politisch korrekter Manipulation -
Scipio Africanus,
17.02.2006, 17:28
- Re: Kleines Lehrstück in Sachen politisch korrekter Manipulation - Christian, 17.02.2006, 19:23
- Re: Kleines Lehrstück in Sachen politisch korrekter Manipulation - susu, 20.02.2006, 00:07
- Re: Kleines Lehrstück in Sachen politisch korrekter Manipulation -
Altschneider,
17.02.2006, 20:28
- Re: Kleines Lehrstück in Sachen politisch korrekter Manipulation - Nikos, 18.02.2006, 02:52
- Re: Kleines Lehrstück in Sachen politisch korrekter Manipulation - susu, 19.02.2006, 23:33
- Re: Kleines Lehrstück in Sachen politisch korrekter Manipulation - Nikos, 18.02.2006, 02:47
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Lucius I. Brutus,
18.02.2006, 03:18
- Re: Kleines Lehrstück in Sachen politisch korrekter Manipulation - susu, 19.02.2006, 23:28
- Re: Kleines Lehrstück in Sachen politisch korrekter Manipulation -
Scipio Africanus,
17.02.2006, 17:28
- Re: Eine weitere Manipulation ist auch hier zu finden - Christian, 18.02.2006, 16:06
- Re: Kleines Lehrstück in Sachen politisch korrekter Manipulation - Maesi, 22.02.2006, 22:08
- Re: Kleines Lehrstück in Sachen politisch korrekter Manipulation -
Eugen,
17.02.2006, 13:26