Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Eine Familie gründen - was heißt das eigentlich?

DschinDschin, Wednesday, 05.07.2006, 21:06 (vor 6927 Tagen) @ Ekki

Hallo allerseits!

Ich möchte in diesem Posting einmal genau unter die Lupe nehmen, was "eine
Familie gründen" eigentlich bedeutet, denn mir scheint, daß im
gesamtgesellschaftlichen Diskurs zu diesem Thema bewußt oder unbewußt
ständig zweit- und drittrangige Aspekte dieses Themas breitgetreten
werden, während die wesentlichen Aspekte noch nicht einmal
andiskutiert werden.

Stellen wir uns also ein Liebespaar vor, das bisher ohne Kinder
zusammengelebt hat - verheiratet oder unverheiratet, das ist hier völlig
belanglos.

Und auf einmal heißt es ... ein Kind ist "unterwegs".

Schon von diesem Augenblick an ändert sich alles:

Die Frau lebt nur noch in der Erwartung des "neuen Erdenbürgers", sie
braucht während der Schwangerschaft besondere Schonung, in ihrem
Organismus gehen Dinge vor, die die Psyche nicht unbeeinflußt lassen.

Das mag schon sein, dass die Frau den neuen Erdenbürger erwartet, das heißt aber nicht, dass sie ab diesem Zeitpunkt zum Neutrum wird. Ganz im Gegenteil, die Veränderungen an ihrem Körper führen dazu, dass ihre Empfindungsfähigkeit für sexuelle Reize erheblich zunimmt.


Und damit ändert sich auch die Partnerschaft.

Während bisher für jeden der beiden Partner der jeweils andere im
Mittelpunkt gestanden hat, ist da plötzlich ein Dritter, das Kind.

Das liegt daran, wie das Paar mit Kindern umgeht. Wir haben Stück um Stück die Rückbank unseres Autos gefüllt. Auf dem Fahrer und dem Beifahrersitz, das saßen immer noch meine Frau und ich.
Probleme in unserer Partnerschaft entstanden nicht durch die Kinder, sondern durch Bruchstellen, die von Anfang an vorhanden waren.


Der Autor des "Kleinen Prinzen", Antoine de Saint-Exupéry, hat folgenden
Ausspruch geprägt:

"Lieben bedeutet nicht, sich gegenseitig anzusehen, sondern
vielmehr, gemeinsam in dieselbe Richtung zu blicken."

Mir scheint, daß dies der Dreh- und Angelpunkt ist, die Wurzel in der
viele, wenn nicht alle Partnerschaftsprobleme zusammenlaufen.

Es wird von kaum jemanden - gleich, von welcher Position aus er
argumentiert - noch in Frage gestellt, daß Männer sich zumindest am Anfang
schwertun damit, daß sie nicht mehr der Mittelpunkt des Denkens, Handelns
und Fühlens ihrer Partnerinnen sind.

Da war die alte Ehe einfach besser. Man war verheiratet, und zwar für immer und dann hat man gemeinsam das Leben gemeistert. Ich möchte gar nicht im Mittelpunkt des Denkens, Handelns und Fühlens meiner Partnerin stehen.


Nicht wenig haben daraus den Schluß gezogen, daß Männer generell nur in
geringem Maße zu "Fürsorglichkeit" und "Brutpflege" in der Lage seien.

Diese These möchte ich unter 4 verschiedenen Gesichtspunkten in Frage
stellen:

1)
Bei mir hat sich der Eindruck festgesetzt, daß Frauen zwar in der Lage
sind, sich dem Kind zuzuwenden, daß darüber aber die Liebe zu ihrem Mann
auf eine Weise in den Hintergrund tritt oder ganz erstirbt, die aus der
Sicht des Mannes inakzeptabel ist, denn aus seiner Sicht sollte auch
die sexuelle Seite der Liebe, die das Kind nicht einbezieht und auch
nicht ausschließlich auf die Zeugung weiterer Kinder ausgerichtet
ist,
weiterhin eine große Rolle spielen.

Aber klar doch. Die Zeugung ist doch nur ein Nebenprodukt. Man will Kinder, also läßt man die Verhütung weg und tut es wie vorher. Ich erzeuge Tönte ja auch nicht nur zur Kommunikation, sondern, beim Gesang, einfach aus Spaß. So ist es auch mit dem Sex. Sex ist eine Körperkunst.


2)
Die "Liebe", die viele Frauen ihren Kindern zukommen lassen, hat nur
allzuoft etwas Erstickendes und Entmündigendes ("Affenliebe von
Gluckenmüttern")
.

Das kommt auf die Frau an. Ich frage mich, ob das, was manche da praktizieren, überhaupt Liebe ist, oder Vampirismus.

3)
Aus Punkt 2 ergibt sich - mit fatalen Folgen für die Entwicklung vieler
Kinder - daß Mütter von dem Augenblick an, an dem sie merken, daß
ihre Kinder nicht mehr die Eiteitei-ach-so-entzückenden-Kleinen sind,
sondern Wesen, die sich von ihnen emanzipieren und ihren eigenen Kopf
haben
, eben damit zunehmend Schwierigkeiten haben. Und wenn ich oben
gessagt habe, daß bei Vätern die Brutpflegeinstinkte gegenüber
Kleinkindern viel weniger stark ausgeprägt sind als bei der Frau, gilt
später das Umgekehrte: Das heranwachsenden Kind als eigenständige
Personlichkeit annehmen, ihm sachte den Weg zu zeigen, ohne es mit
den eigenen Vorstellungen zu ersticken und/oder es in einem Alter zu
"Be-Eiteiteien", in dem das "Kind" selbst dies nur noch - mit Recht! - als
peinlich empfindet, das ist eher den Vätern gegeben.

Diese Vorstellung mag stimmen, ist aber nicht zwingend gegeben. Es gibt auch gluckende Väter.


4)
Der aus meiner Sicht wesentlichste Aspekt aber, an dem sich die meisten
Kontroversen entzünden dürften:
Wenn Antoine de Saint-Exupéry vom "Blicken in dieselbe Richtung" spricht -
muß das, worauf gemeinsam geblickt wird, dann unbedingt ein Kind
sein?!

Mit gefällt der Spruch des Dichters nicht. In der Ehe schaue ich nach vorne, nicht auf die Kinder. Die laufen einfach mit. Mit der Zeit funktioniert Familie wie eine WG, spätestens wenn noch die Partner/innen der Kinder dazukommen.

Aus meiner männlichen Sicht kann ich mir nur allzu gut vorstellen, mit
einer Partnerin z.B. gemeinsam auf ein Ziel zu blicken, für das man
kämpft, auf eine Sache, für die man sich begeistert usw. usf.

Aber klar doch. Kinder sind Mitbewohner, die man eben anders einlädt als andere Mitbewohner. Es ist wie mit dem Stuhlgang. Je weniger Gedanken man sich darüber macht, desto besser funktioniert er.


Mit anderen Worten:

Die "Brut", die da gepflegt wird, muß nicht unbedingt eine
miteinander gezeugte Nachkommenschaft sein.

Es muss nicht, macht aber mehr Spaß.

So betrachtet, würde ich glatt verneinen, daß es überhaupt einen Menschen
ohne Brutpflegetrieb gibt, und Antoine de Saint-Exupéry in vollem Umfang
Recht geben.

Es gibt immer Menschen ohne Brutpflegeverhalten. Das sind aber sicher nicht so viele.


Wer diese Haltung in einer breiteren Öffentlichkeit vertritt, der wird
bald merken, daß er in ein Wespennest gestochen hat: Der
Widerspruch wird hochemotional sein, und er wird sich
nicht[/u] auf irgendein "Lager" (feministisch / maskulistisch
/ konservativ / progressiv, religiös / atheistisch u.dgl.m.)

beschränken.

Vox populi vox Rindvieh.


Wenig hat mich so sehr erschüttert und empört wie der Satz, den ich in
einem SPIEGEL-Artikel über die Arbeit an der "Pille für den Mann" las:

"Frauen wollen sich die Entscheidung über ihre (!)
Fortpflanzung nicht aus der Hand nehmen lassen."

Das deckt sich leider mit vielen Beobachtungen von mir, die alle zeigen,
daß viele Frauen bei dem Thema "Fortpflanzung und Familie" nicht den Deut
darüber nachdenken, ob es vielleicht Bedürfnisse des Mannes gibt, die mit
ihren eigenen zwar nicht deckungsgleich sind, aber dennoch dieselbe
Berechtigung haben wie ihre Bedürfnisse.

Das kommt auf die Frauen an, mit denen Du Dich abgibst. So wie es unheimlich doofe Männer gibt, gibt es auch unheimlich doofe Frauen.


Ich selbst habe mich in mehreren Foren dazu bekannt, nicht
kinderlieb
zu sein.

Das kannst Du gar nicht wissen. Wenn Du noch nicht Vater warst, kannst Du gar nicht wissen, wie kinderlieb Du bist. Wenn Du erst einmal mit einem Baby zusammenlebst, dann startet schon das Papaprogramm und dann wirst Du schon sehen was geschieht. Frag mal einen Jungen vor der Pubertät, was er von Mädchen hält.
Wenn irgendwo ein Baby plärrt, geht mir das

nichts als auf die Nerven, und wenn ich die Reaktionen vieler
Frauen
sehe, deren Gesichter bei jedwedem plärrenden Baby (nicht nur
bei dem eigenen!) entzückt leuchten, wenn ich erlebe, wie um mich herum am
Arbeitsplatz die närrischen jungen Mütter in einem fort über ihre Kinder
reden und dabei schier die bloße Erwähnung des Wortes "Kind" ein
entzücktes Quietschen und Kreischen in Babystimmen-Tonlage auslöst, wie
beim Betrachten des Photos von einem "kleinen Bobbo" in dieses junge, noch
überhaupt nicht vom Leben geprägte Gesicht alles Mögliche und Unmögliche
hineingelesen wird, so daß ich schwerstens an mich halten muß, um diese
Mütter nicht im zynischsten Ton zu fragen: "Sagt mal, könnt ihr aus
dem Gesicht eurer Kinder vielleicht auch deren gesamten Lebenslauf
herauslesen - einschließlich Zeitpunkt und Ursache des Todes eurer
Kinder?!"
... also, wenn ich das alles beobachte, dann bin
ich abends zutiefst dankbar, daß in meiner Wohnung kein "Eiteitei" auf
mich wartet.
[/u] Was ich vermisse[/u], ist eine
beiderseits gewollt kinderlose Beziehung. Aber wenn die nicht in
Sicht ist, dann ist es so, wie es ist, am besten.

Ekki, Ekki, hier spricht ein Blinder von Farben.
Wenn Du Kinder willst, dann musst Du vor allem die richtige Frau suchen, und das ist nicht immer die, welche Deine Hormone zum Kochen bringt.
Sie muss ein Kumpel sein. Sie muss verlässlich und treu sein. Sie muss einen astreinen Charakter haben. Sie darf kein Püppchen sein. Wenn sie Haustiere hatte und diese gut versorgt waren, das ist schon mal ein gutes Zeichen. Schaue Dir die Familie an. Ist diese problembeladen, nimm Abstand. Ist die potentielle Mutter stressresistent und emotional stabil oder ist sie launisch. Ist sie fleißig. Hält sie ihre Bude in Schuss. Kann sie kochen und backen und macht ihr das Freude. Kann sie mit Geld umgehen. Ist sie etwa anspruchsvoll. Warum will sie eigentlich Kinder? Wieviel Kinder will sie denn? Wie ist euer Sexleben. Ergreift sie öfter als Du die Intitiative oder mußt Du sie bedrängen. Gibt es Sex wie Freibier oder nur Häppchenweise, wenn Mutti grad mal in Laune ist. Hat sie Spaß am Sex. Macht sie mit, übernimmt sie die Führung oder hat sie die Haltung "wenns denn sein muss". Benutzt sie Sex zur Bezahlung oder als Druckmittel? Und, und, und, und, und.
Nie vergessen, Du suchst eine Mutter für Deine Kinder und keine Mätresse.


Um zum Anfang des Postings zurückzukommen:

Mir scheint, wir haben über all' den Diskussionen über die verschiedensten
familienpolitischen Modelle das Elementarste überhaupt vergessen oder
verdrängt: Was es bedeutet, wenn im Körper einer Frau Leben entsteht, wie
tiefgreifend und unwiderruflich dies das Leben verändert.

Wenn ich genau darüber nachdenke, was bei der Verdauung so genau vor sich geht, dann vergeht mir der Appetit und es kommt zu Verstopfung.

Oder - ist es vielleicht genau umgekehrt:

Sehr viele Menschen sind sich über die Wichtigkeit dieser Aspekte nur
allzu gut
im Klaren, ziehen es aber vor, dies zu tabuisieren,
und zwar aus jeweils unterschiedlichen Gründen:

Diejenigen, die selber Kinder wollen und sich über die Konsequenzen
dieses Schrittes in allen Einzelheiten im Klaren sind (das dürften
in der überwältigenden Mehrheit Frauen sein), fürchten sich vor
nichts so sehr wie davor, daß die Mehrheit der Männer anfängt, sich mit
solchen Überlegungen zu beschäftigen. Besser, frau läßt sich "ihre"
Fortpflanzung "nicht aus der Hand nehmen" und legt notfalls Männer mit
einem Kind herein - wie seit Menschengedenken.

Wenn man sich die Frau genau heraussucht, dann passiert da überhaupt nichts. Wer mit Schlampen fickt, bekommt früher oder später Probleme.


Die Männer ihrerseits hängen entweder - aufgrund mangelnder
Lebenserfahrung und/oder extrem starker entsprechender Indoktrination
durch Erziehung - rosaroten Wolkenkuckucksheim-Vorstellungen von Ehe und
Familie nach, oder aber sie haben jegliche rosarote Brille
verloren, und dann wissen sie, daß sie (a) mit einem offenem
Bekenntnis zu ihrer Haltung ihre Chancen auf eine Sexualpartnerin bis nahe
Null minimieren, und (b) sich jeden unentgeltlichen
Geschlechtsverkehr auf mühsamste Weise und mit nicht unerheblichen
Gefahren für sich selbst (unfreiwillige Vaterschaft mit anschließenden
Unterhaltsverpflichtungen) ergaunern müssen.

Eine gute Intimpartnerschaft ist ein gutes Geschäft, bei dem sich Geben und Nehmen die Waage halten und beide Partner ihre nebenvertraglichen Pflichten ernst nehmen. Ein solches Geschäft setzt voraus, dass beide wissen, was sie wollen und offen darüber sprechen. Ist schon das Sprechen nicht möglich, ist die Sache Mist. Ich mag dich, Du magst mich, jetzt setzen wir uns zusammen und besprechen, was wir daraus machen wollen.


Und selbst wenn beide Partner kinderlieb sind: Es gehört ein ganz
ungeheures Maß an Vertrauen
nicht nur in den Partner, sondern auch in
das Schicksal dazu, den Schritt der Familiengründung zu tun - eine der
wenigen Entscheidungen im Leben die absolut irreversibel sind.

Ja das sag ich doch die ganze Zeit und in allen Foren. Erst kommt die Zuneigung, dann kommt die Absprache, dann kommt das Vertrauen, dann kommen die Kinder. Und eines sollte klar sein: pacta sunt servanda - Verträge sind einzuhalten.


Zu diesem ganzen Themenkomplex gab es übrigens neulich im
Deutschlandfunk eine dreiteilige Essay-Reihe, an drei Sonntagen
(11.06., 18.06. und 25.06.) jeweils um 09.30: "Zur Rolle des Dritten
in der Liebe"
von Svenja Flaßpöhler
.

Ich habe mir alle drei Beiträge vom DLF als Word-Datei schicken lassen. Da
jeder Beitrag einen an Deutlichkeit nichts zu wünschenden Hinweis auf die
Urheberrechte enthält, kann ich die Beiträge hier nicht posten. Ihr könnt
sie Euch entweder ebenfalls schicken lassen und/oder im Internet hören:

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/essayunddiskurs/504032/

Ich bedauere zutiefst, die Beiträge aus urheberrechtlichen Gründen nicht
posten zu können. Meiner Meinung nach waren es alle drei (der
letzte der drei Beiträge ist dem Kind gewidmet)
"wunderschöne" Beispiele dafür, wie man die aller-reaktionärste Haltung in
so viel weichgespülten Formulierungen, pseudo-cooler Sprache, nett
klingenden Passagen usw. verpacken kann, daß man sogar beim Lesen nur
bei großer Aufmerksamkeit gewahr wird, welcher Mutterkreuz-Hammer
einem da über den Schädel gezogen wird.
Und beim Hören tut die
subtil-perfide Berieselung natürlich um so mehr ihre Wirkung.

Das wären erstmal meine Überlegungen zu diesem Thema. Ich freue mich auf
Rückmeldungen jeder Art, die die Diskussion weiterbringen.

Gruß

Ekki

Ekki, die Entscheidung für oder gegen Kinder ist eine rein persönliche. Poppen für Deutschland ist nicht.
Es ist wie mit einem Hobby. Wenn Du vorhast, Islandpferde zu züchten, dann ist das eine schöne Vorstellung. Bevor Du Dir aber auch nur das erste Pferd irgenwohin stellen kannst, musst Du zwingend ganz viele Voraussetzungen abprüfen. Die Vorstellung im Morgennebel durch Feld und Auen zu traben mag ja ganz schön sein, aber wir wollen nicht den vielen Mist vergessen, den Pferde machen, und das Heu und den Hafer, den sie fressen, und die Einschränkungen, die man hinnehmen muss, z.B. das tägliche Bewegen dieser Tiere.
Genau so ist es auch mit Kindern. Niemand ist moralisch verpflichtet Kinder großzuziehen. Es ist ein Hobby, mehr nicht.

So, jetzt hoffe ich, dass Du nicht allzu enttäuscht von Deinen Mitpostern bist.

Gruß DschinDschin

--
Barbarus hic ergo sum, quia non intellegor ulli.


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