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Gehört der Deutsche Presserat jetzt auch den Neven DuMonts? (Recht)

Mus Lim ⌂ @, Thursday, 13.12.2012, 01:04 (vor 4362 Tagen) @ Mus Lim

Gehört der Deutsche Presserat jetzt auch den Neven DuMonts?
"Weiße Rose" für Konstantin
Von Peter Kleinert

"Die Achtung vor der Wahrheit ... und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse", heißt es in Ziffer 1 des Pressekodex des Deutschen Presserates. Wenn allerdings im Beschwerdeausschuss des hehren Gremiums ein Mitglied der Kölner Familie Neven DuMont sitzt und die zur Beratung vorliegende Beschwerde eine Zeitung des familieneigenen Medienkonzerns betrifft, gilt der Pressekodex für den Presserat selbst offenbar genau so wenig wie für die Blätter des viertgrößten deutschen Zeitungsverlags.

Diese für Presserats-Kenner und -Insider wenig überraschende Erfahrung machte jetzt Rainer Hoffmann, kaufmännischer Leiter eines mittelständischen Unternehmens im Ruhrgebiet - unseren LeserInnen seit NRhZ-Ausgabe 77 auch als "Solarkritiker" des ehemaligen WDR-Intendanten Fritz Pleitgen bekannt - am 16. Oktober. An diesem Tag erhielt er eine vom Beschwerdeausschuss 2 am 13. September verfasste "Entscheidung in der Beschwerdesache BK2-88/07" zugestellt. In der teilten ihm fünf "mitwirkende Mitglieder" mit, dass eine von ihm eingereichte Beschwerde über die Kölnische Rundschau "unbegründet" sei. Nur eins der Beschwerdeausschuss-Mitglieder war - anonym gehalten - anderer Meinung. Rainer Hoffmann rieb sich verwundert die Augen, hatte er doch selbst den Prozess beim Bonner Amtsgericht am 8. Dezember 2006 gegen den Rechtsanwalt und Justizkritiker Claus Plantiko als Bürgerrechtler mit erlebt, über den die Rundschau am Tag danach seiner Ansicht nach wahrheitswidrig berichtet hatte.

Weiße Rosen im Gerichtssaal

Claus Plantiko, der sich seit Jahren öffentlich für die politische Unabhängigkeit von Richtern einsetzt und manche Urteile der deutschen Justiz von heute mit solchen unter der Nazi-Diktatur vergleicht, war - wieder einmal - wegen angeblicher Richterbeleidigung angeklagt. Zahlreiche Bürgerrechtler, die den Rechtsanwalt als Prozessbeobachter unterstützen wollten, weil sie sich selbst als Opfer politisch-motivierter Justizwillkür in Deutschland sehen, trugen als Symbol für ihren gewaltfreien Protest weiße Rosen in den Gerichtssaal - zur Erinnerung an die Münchener antifaschistische Widerstandsgruppe um Sophie und Hans Scholl.

Am Ende der Verhandlung wurde Claus Plantiko, der in Bonn auch Stadtratsmitglied der Unabhängigen Wählergemeinschaft ist, wegen Richterbeleidigung in mehreren Fällen zu 18.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Einer der Bürgerrechtler rief empört "Rechtsbeuger" in Richtung Richter. Dieser - sichtlich erbost - antwortete, wie Rainer Hoffmann sich erinnert: "Habe ich es denn hier nur mit Vollidioten zu tun?" und erhielt daraufhin von einigen Prozessbeobachtern kommentarlos weiße Rosen als Zeichen ihres Protests gegen seine ihrer Ansicht nach nicht hinnehmbare Willkür überreicht.

Aus Protest ein Dankeschön gemacht

Am Tag danach konnte man am Ende eines Artikels der Bonner Lokalausgabe der Kölnischen Rundschau, die seit 1999 auch zum Verlagsimperium M.DuMont Schauberg gehört, zu diesem Ereignis folgendes Fazit lesen: "Im Publikum gab es sowohl Proteste gegen das Urteil, als auch Anerkennung für die 'faire Prozessführung'. Und sogar zwei weiße Rosen für den Richter." Die Bürgerrechtler - natürlich auch Rainer Hoffmann - waren regelrecht wütend darüber, wie ihre Protest-Rosen für ahnungslose Rundschau-Leser in ein Dankeschön an den Richter umgefälscht wurden. Hoffmann: "Der Satz erweckte bei Lesern der Kölnischen Rundschau den unmissverständlichen Eindruck, der Richter hätte für seine 'faire Prozessführung' sogar zwei weiße Rosen erhalten. Die Symbolik der 'weißen Rose' als Symbol für gewaltlosen Widerstand der Geschwister Scholl mit Hilfe von Flugblättern wurde somit von der Kölnischen Rundschau ins Gegenteil verkehrt."

"Beschwerde unbegründet"

Am 11. Dezember 2006 versuchte Rainer Hoffmann die Rundschau-Leser durch einen Leserbrief über die "journalistische Inkompetenz der Mainstream-Print- und TV-Medien" im allgemeinen und der Rundschau im besondern aufzuklären. Doch am 13. Dezember teilte ihm die Rundschau mit, man könne seinen Leserbrief nicht veröffentlichen, "weil er beleidigende Äußerungen enthält". Darauf beschwerte er sich beim Deutschen Presserat. Dessen Beschwerdeausschuss 2 entschied nun, warum seine "Beschwerde unbegründet" sei: "Ein Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht ist nicht erkennbar. In dem Artikel wird lediglich festgestellt, dass der Richter zwei weiße Rosen erhalten hat. Die Frage, wofür dies geschehen ist, bleibt unbeantwortet. Insofern ist eine falsche Tatsachenbehauptung nicht feststellbar."

Hoffmanns Kommentar: "Erkennbare Lehren aus der Geschichte scheint der deutsche Presserat nicht zu ziehen und ermahnt noch nicht einmal zu einer unmissverständlichen Deutung von Geschichtssymbolik. Der Presserat scheint sich nicht darüber im Klaren zu sein, dass er mit der Bewertung dieses Sachverhaltes die Grundlagen für eine schleichende Geschichtsfälschung gelegt hat."

Was Rainer Hoffmann - als er dies der NRhZ mitteilte - noch nicht wusste, da er in Recklinghausen und nicht in Köln wohnt: Konstantin Neven DuMont, der in dem aus sechs Journalisten und Verlegern bestehenden Beschwerdeausschuß 2 an der Ablehnung seiner Beschwerde beteiligt war, ist als Sohn des Kölner Ehrenbürgers Alfred Neven DuMont Geschäftsführer des Verlags M.DuMont Schauberg, zu dessen Konzern seit 1999 auch die Kölnische Rundschau gehört. Dass er sich bei Diskussion und Abstimmung über Hoffmanns Beschwerde für befangen erklärt oder der Stimme enthalten haben könnte, wird im Bericht über die Entscheidung nicht erwähnt. Und dass er das anonym gehaltene "mitwirkende Mitglied" gewesen sein könnte, das Hoffmanns Beschwerde für berechtigt erklärt hat, kann er der NRhZ ja gern mitteilen. Das werden wir dann in der nächsten Ausgabe selbstverständlich veröffentlichen.

Bis dahin werden Neven DuMont junior und der Deutsche Presserat mit dem Vorwurf leben müssen, dass auch sie je eine "weiße Rose" verdient haben. Denn der in der Rechtsprechung wichtige Begriff der Befangenheit gilt für sie offenbar ebenso wenig wie die oben erwähnte Ziffer 1 des Pressekodex. Gerichtsurteile, an denen befangene Richter oder Schöffen mitgewirkt haben, können auf Antrag nachträglich für ungültig erklärt und müssen dann neu verhandelt werden. Warum sollte das nicht für Entscheidungen des Presserats gelten, dürfte sich nun auch Rainer Hoffmann fragen. (PK)

Online-Flyer Nr. 118 vom 24.10.2007

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=11620

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