Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Über das Phänomen der sinnlosen Berufe (Deutsche Übersetzung - Teil 1) (Allgemein)

Varano, Città del Monte, Thursday, 08.09.2016, 01:47 (vor 3032 Tagen) @ Werner

'n Abend, oder meinetwegen auch: gute Nacht,

David Graeber: On the Phenomenon of Bullshit Jobs, Strike! am 19. August 2013

Ich hab dann mal mit der Übersetzung angefangen; bin ungefähr bis zur Hälfte gekommen. @Werner: gib mir bitte 'ne Rückmeldung, ob das ungefähr das ist, was du haben möchtest, dann kann ich mir in den nächsten Tagen den Rest vornehmen. Für den Moment reicht's mir ...

Über das Phänomen der sinnlosen Berufe

17. August 2013

Hatten Sie je das Gefühl, dass Ihr Beruf nur ein Hirngespinst ist? Dass die Welt sich einfach weiter drehen wird, auch wenn Sie nicht mehr das tun, was Sie derzeit in Vollzeit tun?

Der Anthropologe und Erfolgsautor David Graeber hat für unsere aktuelle Sommerausgabe das Phänomen der sinnlosen Berufe untersucht – jeder Angestellte sollte dies gründlich lesen ...

<Bild>

Illustration: John Riordan

David Graeber: Über das Phänomen der sinnlosen Berufe

Im Jahr 1930 sagte John Maynard Kaynes voraus, bis zum Ende des Jahrhunderts werde die Technik so weit fortgeschritten sein, dass es in Ländern wie Großbritannien und den USA die 15-Stunden-Arbeitswoche geben werde. Es besteht Grund zu der Annahme, dass er Recht hatte: In technischer Hinsicht wären wir hierzu durchaus in der Lage, aber es wurde nicht umgesetzt. Stattdessen wurde die Technik, wenn überhaupt, dazu genutzt, uns mehr Arbeit aufzuhalsen. Dazu mussten Berufe geschaffen werden, die praktisch nutzlos sind: Riesige Menschenschwaden, vor allem in Europa und Nordamerika, verbringen ihr ganzes Arbeitsleben mit Aufgaben, von denen sie insgeheim glauben, dass diese eigentlich nicht nötig sind. Aus dieser Situation erwächst ein tiefgründiger geistig-moralischer Flurschaden; eine Narbe auf der Seele unserer Gesellschaft. Und trotzdem spricht kaum jemand darüber.

Warum wurde Keynes' versprochene Utopie – die noch in den Sechzigerjahren ungeduldig erwartet wurde – nicht verwirklicht? Die heutzutage übliche Erklärung lautet, er habe das gewaltige Konsumwachstum nicht bedacht: Bei der Wahl zwischen weniger Arbeitsstunden und mehr Spielzeugen und Vergnügungen hätten wir uns für letztere entschieden. Man braucht nur kurz über diese nette moralische Fabel nachzudenken, dann stellt man fest: Das kann so nicht stimmen. Seit den Zwanzigerjahren erleben wir zwar die Entstehung einer schier endlosen Vielzahl neuer Berufe und Geschäftszweige; aber nur wenige davon haben irgendetwas damit zu tun, dass Sushi, iPhones und modische Sportschuhe hergestellt und an den Mann gebracht werden.

Um was für Berufe handelt es sich genau? Ein aktueller Bericht, der die Beschäftigung in den USA zwischen 1910 und 2000 vergleicht, ergibt ein klares Bild (und ich ergänze, in Großbritannien sieht es praktisch genau so aus). Im Lauf des letzten Jahrhunderts sank die Anzahl der Beschäftigten in den privaten Haushalten, in der Industrie und in der Landwirtschaft dramatisch; gleichzeitig verdreifachte sich die Anzahl der „Fachkräfte, Führungskräfte, Büroangestellten, Vertriebler und Dienstleister“: Sie wuchs „von einem Viertel auf drei Viertel der Gesamtbeschäftigung“ an. Mit anderen Worten: Wie vorhergesagt wurden wertschaffende Berufe zum größten Teil wegautomatisiert. (Dies gilt sogar bei weltweiter Betrachtung der Industriearbeiter unter Berücksichtigung der schuftenden Massen in Indien und China – auch diese bilden nicht mehr einen so großen Anteil der Weltbevölkerung wie früher).

Aber es gab eben keine deutliche Reduzierung der Arbeitszeit, die es der Weltbevölkerung erlaubt hätte, ihre eigenen Projekte, Vergnügungen, Visionen und Ideen zu verwirklichen. Stattdessen bläht sich nicht einmal so sehr der „Dienstleistungs“-Bereich auf, als vielmehr die Verwaltung; einschließlich der Entstehung völlig neuer Geschäftszweige wie Finanzdienstleistungen und Telefonvertrieb, sowie eine bisher nicht gekannte Ausweitung von Bereichen wie Unternehmensrecht, Hochschulverwaltung, Gesundheitswesen, Personalentwicklung und Öffentlichkeitsarbeit. Und diese Zahlen berücksichtigen noch nicht einmal jene Leute, die die genannten Bereiche durch administrative, technische oder sicherheitsrelevante Maßnahmen unterstützen; oder, wenn wir schon dabei sind, jene Hilfsdienste (Hundefriseur, Rund-um-die-Uhr-Pizzadienst), die nur deshalb nötig sind, weil alle anderen Leute dermaßen viel Zeit mit Tätigkeiten in den zuvor genannten Bereichen verbringen.

Ich schlage vor, diese Tätigkeiten als „sinnlose Berufe“ zu bezeichnen.

Es ist gerade so, als würde irgendjemand nutzlose Berufe erfinden, nur um uns alle bei der Arbeit zu halten – und genau hier wird es rätselhaft: Im Kapitalismus sollte genau das nicht passieren. Gewiss, in den alten, ineffizienten sozialistischen Staaten wie der Sowjetunion, da wurde Beschäftigung als gerechte und heilige Pflicht betrachtet, deshalb schuf das System so viele Planstellen wie nötig (und deswegen waren in den Sowjet-Warenhäusern drei Angestellte nötig, um ein Stück Fleisch zu verkaufen). Natürlich soll der freie Wettbewerb genau solche Probleme lösen: Laut Wirtschaftstheorie wird ein nach Profit strebendes Unternehmen nie und nimmer Löhne berappen für Arbeiter, deren Arbeit es nicht braucht. Und trotzdem passiert irgendwie genau dieses.

Wenn Unternehmen sich doch einmal rücksichtslos gesundschrumpfen, dann treffen die Entlassungen und Effizienzsteigerungen ausnahmslos jene Leute, die Waren herstellen, transportieren, reparieren und warten; aber durch irgendeinen seltsamen Budenzauber, den keiner so recht erklären kann, wächst letzten Endes die Anzahl bezahlter Papierschubser, und immer mehr Angestellte finden sich in einer ähnlichen Situation wieder wie die sowjetischen Arbeiter: Auf dem Papier arbeiten sie 40 oder sogar 50 Stunden, aber tatsächlich arbeiten sie wie von Keynes vorhergesagt nur 15 Stunden; denn den Rest der Zeit verbringen sie als Organisatoren oder Teilnehmer von Motivationsseminaren, mit der Aktualisierung ihrer Facebook-Profile, oder mit dem Herunterladen von DVD-Filmen.

Des Rätsels Lösung ist offensichtlich nicht wirtschaftswissenschaftlich, sondern moralisch und politisch. Die herrschende Klasse hat erkannt, dass ein glückliches und produktives Volk mit frei verfügbarer Zeit eine tödliche Gefahr bedeutet (man denke an das, was sich anbahnte, als man sich in den Sechzigerjahren diesem Zustand annäherte). Und andererseits ist es für sie höchst bequem, wenn das Gefühl vorherrscht, Arbeit sei ein moralischer Wert an sich und jeder, der sich während des größten Teils seiner wachen Stunden nicht willig einer hochgradigen Arbeitsdisziplin unterwirft, verdiene genau gar nichts.

Einst, als ich über das offenbar endlose Wachstum der Bürokratie an britischen Hochschulen nachdachte, hatte ich folgende Vision einer denkbaren Hölle: Die Hölle ist eine Ansammlung von Leuten, die den größten Teil ihrer Zeit mit Aufgaben verbringen, die sie nicht mögen und die sie nicht sonderlich gut können. Sagen wir beispielsweise, sie wurden eingestellt, weil sie hervorragende Schreiner waren, und dann stellen sie fest, dass ihre Aufgabe die meiste Zeit über darin besteht, Fisch zu frittieren. Weder ist die Aufgabe so richtig nötig – zumindest gibt es nur eine sehr begrenzte Menge Fisch, die frittiert werden muss. Doch bei dem Gedanken, dass manche ihrer Kollegen vielleicht mehr Zeit mit Schreinerarbeiten verbringen dürfen und somit nicht ihren gerechten Anteil an der Fischfrittiererei leisten, fallen sie einer Art Besessenheit anheim; und deshalb wachsen schon bald endlose Stapel mit nutzlosem, schlecht gekochtem Fisch in der Werkstatt empor – und das ist dann auch schon alles, was dort tatsächlich getan wird.

Ich denke, dies ist eine recht treffende Beschreibung der moralischen Dynamik unseres eigenen Wirtschaftssystems.

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Der Unterschied zwischen Merkeldeutschland und einer Bananenrepublik besteht darin, dass wir die Bananen importieren müssen.


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