Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 1 - 20.06.2001 - 20.05.2006

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Gewaltschutzgesetz !

Demokrat, Monday, 09.07.2001, 23:22 (vor 8541 Tagen)

An
Deutscher Bundestag
Rechtsausschuss
Herrn Professor Rupert Scholz
11011 BerlinPlatz der Republik 1

cc.:
Arbeitsgruppen RECHT der Fraktionen
Norbert Geis MdB, CDU/CSU
Alfred Hartenbach MdB, SPD
Volker Beck MdB, GRÜNE/BÜNDNIS 90
Rainer Funke MdB, FDP
Sabine Jünger MdB, PDS

Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Deutschen Bundestages am 20. Juni 2001 zum "Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung"

Sehr geehrter Herr Prof. Scholz,
der Väteraufbruch für Kinder e.V. ist der größte bundesweit tätige Verein, der sich für Kinder und Väter und insbesondere für deren Rechte nach Scheidung oder Trennung einsetzt. Wir treten für eine aktive und verantwortliche Vaterschaft im Rahmen einer fairen partnerschaftlichen Beteiligung beider Eltern an der Erziehung der Kinder ein.

Da wir zu der Anhörung zum geplanten Gewaltschutzgesetz am 20. Juni 2001 nicht zur offiziellen Stellungnahme eingeladen waren, nahmen einige unserer Mitglieder als Besucher daran teil. Von einer Reihe der vortragenden Experten wurden bei dieser Gelegenheit Kritikpunkte an dem Gesetzesvorhaben geäußert, die uns sehr bedenkenswert erscheinen.

Aus diesem Grund möchten wir die von uns geteilten deutlichen bis starken Bedenken nochmals hervorheben und um deren Berücksichtigung beim weiteren Gesetzgebungs-prozess bitten.

1. Kein Regelungsbedarf
Die Sachverständige Frau Dr. Kloster-Harz attestierte dem Gesetz politische Motivation, aber fehlenden juristischen Sinn. Das Gesetz ist nicht notwendig, weil bereits beste-hende Gesetze ausreichen (§ 823, 1004 und 1361 B).

2. Fehlende Hilfseinrichtungen für von gewalttätigen Frauen Betroffene Für Kinder und männliche Partner gewalttätiger Frauen sind keine Hilfseinrichtungen analog zu Frauenhäusern vorgesehen. Dies kann als indirekte Aufforderung des Staates an männliche Partner von gewalttätigen Frauen verstanden werden, dass sie ihre Partnerin selbst "in den Griff zu bekommen haben". In einer Reihe anderer europäi-scher Länder, ja sogar in der Türkei, gibt es dagegen bereits "Männerhäuser".

3. Reduzierung des Gewaltschutzes auf "Strafe statt Hilfe"
Es wurde von einem Teil der Experten die obligatorische Vorschaltung einer Mediati-onsstufe gefordert, um dem Gesetz den Charakter einer "Erstschlagswaffe" (Zitat des Sachverständigen Herrn Thomas Mörsberger vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht) zu nehmen. Ohne eine solche schlichtende Funktion dient das Ge-setz in der vorliegenden Form vor allem der Auflösung von Familien, nicht aber deren Erhalt. Der rein repressive Ansatz des Gewaltschutzgesetzes bietet keinen wirklichen Schutz vor Gewalt. Präventive Maßnahmen sind nicht vorgesehen. Hiermit steht das Gesetz in diametralem Gegensatz zum Gesetz gegen Gewalt in der Erziehung, dessen Konzeption "Hilfe vor Strafe" lautet.

4. Redundante Maßnahmen
Gleichzeitig liegt es in der Logik des Gesetzentwurfs, dass er bei Inkrafttreten die vor-handenen Frauenhäuser überflüssig machen sollte. Dem wurde jedoch von der Sach-verständigen Frau Raddant widersprochen, die selbst ein Frauenhaus in Eggesin leitet. Die Vermutung scheint uns daher nicht von der Hand zu weisen zu sein, dass durch Frauen-spezifische Hilfseinrichtungen eine unserem Demokratieverständnis nicht entsprechende Bevorzugung von Fraueninteressen durchgesetzt werden soll.

5. Ausklammerung von psychischer Gewalt
Die bei der Anhörung zunächst von Frauenvertreterinnen gestellte Forderung nach Auf-nahme psychischer Gewalt in das Gesetz wurde bedauerlicher Weise zurückgenom-men, nachdem diese Gewaltform von der Abgeordneten Frau von Renesse auch Frau-en zugeschrieben wurde (Zitat in etwa wie folgt: "Frauen sind im Bereich psychische Gewalt nicht von Pappe").

6. Verfassungsrechtliche Bedenken
Die Sachverständige Frau Dr. Kloster-Harz bemängelte:
- Aufhebung der Grenze zwischen Zivil- und Strafrecht, so dass bei Verstoß
gegen in einem zivilgerichtlichen Eilverfahren getroffenen Anordnungen strafrechtliche Maß-nahmen bis hin zu einem Jahr Gefängnis verhängt werden können.
- Umkehrung der Beweislast.
- Einschränkung der Rechte und wirtschaftliche Gefährdung der
Vertragspartner von Mietverträgen.
- Möglichkeit der Mehrfachvollstreckung ohne weitere richterliche
Bestätigung.
- Einschränkung der wirtschaftlichen Autonomie von "Ausgewiesenen" bei der
Ent-scheidung über deren Immoblien-Darlehnsverträge.

7. Missachtung der Unschuldsvermutung
Der Rechtsgrundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" soll durch das Gewaltschutzge-setz dem Vermutungsgrundsatz "Im Zweifel für den Schutz" geopfert werden. Fragwür-dig war aus unserer Sicht die Argumentation der Sachverständigen Frau Prof. Oberlies, "man könne in Einzelfällen mit dem Gesetz mehr Schutz vor Gewalt gewährleisten". Die Frage bleibt: Was bewirkt das Gesetz in den anderen Fällen?

8. Missachtung des Gleichheitsgrundsatzes
Die Erörterung verlief auf unterschiedlichen Datengrundlagen: Während ein Teil der Ex-perten sich auf das Hellfeld (also polizeilich ermittelte
Zahlen) bezog, verwies der Kriminologe Herr Prof. Bock auf die, bei häuslicher Gewalt realistischeren und deutlich höhe-ren, Dunkelfeldzahlen. Dabei wies er auf die Opferstudie des KFN (Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen) von 1995 hin, nach der nahezu gleich häufig Männer und Frauen von Gewalt ihrer Partner bzw. Partnerinnen betroffen sind. Prof. Bock hob hervor, dass dieser Sachverhalt durch zahlreiche internationale Studien belegt und so-mit gesicherter Erkenntnisstand der Forschung ist. Die das Gesetz begleitenden politi-schen Maßnahmen müssen sich daher in deutlicherer Weise auch gegen gewalttätige Frauen richten.

9. Kein wirksamer Schutz von Kindern
Dem von Gewalt betroffenem Kind steht kein Antragsrecht zu. §1631 (2) BGB fordert gewaltfreie Erziehung, hat jedoch nur Appellationscharakter. Auch das Gewaltschutz-gesetz schafft in der vorliegenden Form nicht die Möglichkeit, den Täter/die Täterin der Wohnung zu verweisen. Die mit Abstand größte - und wehrloseste - Opfergruppe häuslicher Gewalt (nach Angaben des BMFSFJ ca. 1,4 Mio. misshandelte Kinder pro Jahr) wird am wenigsten geschützt.

10. Missbrauchspotential des Gewaltschutzgesetzes
Es besteht die Gefahr, dass das Gewaltschutzgesetz als Machtmittel in Beziehungskon-flikten missbraucht wird. Der österreichische Experte Herr Dr. Sormann berichtete zwar, dass bisher kein Missbrauch des österreichischen Wegweisungsgesetzes bekannt geworden sei. Es gibt jedoch entscheidende Unterschiede zu Deutschland: In Österreich entscheidet die Polizei vor Ort über eine Wegweisung und klärt dabei den Sachverhalt durch Anhörung aller Beteiligten. In Deutschland soll die Anschuldigung der Frau genügen; der Mann soll nicht einmal gehört werden. In Österreich gibt es nur das alleinige Sorgerecht, das in der Regel der Mutter zugesprochen wird. Es gibt in Österreich also kein gleichwertiges Motiv zum Missbrauch des Gesetzes. In Deutschland besteht die Gefahr, dass Falschvorwürfe im Kampf um das alleinige Sorgerecht eingesetzt werden, wie dies schon heute vielfach mit Hilfe eines angeblichen sexuellen Missbrauchs ge-schieht. Nach Einschätzung der Sachverständigen Frau Dr. Kloster-Harz ist es wahrscheinlich, dass ein zukünftiges anwaltliches Mittel sein wird, der Klientin zur Erlangung der Wohnung zur raten, ihren Partner mittels ihrer sehr persönlichen Kenntnisse vor Zeugen "an die Decke gehen zu lassen". Das Gesetz kann dann sogar Gewalt erzeugen, die es sonst gar nicht gegeben hätte. Die Sachverständige gibt in ihrem Gutachten zu beden-ken, dass daher das Gewaltschutzgesetz zu einem "Hexenhammer gegen Männer" werden kann. Damit verbunden ist eine Missbrauchsmöglichkeit des Gesetzes zur Einschränkung des Kindesumgangs nicht auszuschließen. Solche rechtswidrige Umgangsvereitelung geschieht bereits heute in Deutschland vieltausendfach. Mithilfe des Gewaltschutzgesetzes würde dieser Rechtsbruch in einer kuriosen Weise rechtsstaatlich (und in konkreten Fällen sogar strafrechtlich) festgeschrieben, wie es dem Gesetzgeber sicher so nicht vorschwebt. Es würde zu einem Kinderkontaktsperrengesetz.

Selbstverständlich stehen wir Ihnen zu Fragen, die sich aus unserer Stellungnahme ergeben, jederzeit gerne als Gesprächspartner zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Rüdiger Meyer-Spelbrink Joachim Müller
Vorstand VAfK Gewaltschutzreferent VAfK


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