Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Männer müssen draußen bleiben - Gleichberechtigung in Deutschland ...

Maesi, Wednesday, 22.02.2006, 22:01 (vor 6849 Tagen) @ Scipio Africanus

Als Antwort auf: Re: Männer müssen draußen bleiben - Gleichberechtigung in Deutschland ... von Scipio Africanus am 15. Februar 2006 22:27:

Hallo Scipio

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Maenner und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat foerdert die tatsaechliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Maennern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religioesen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Eine staatlich-buerokratisch installierte Interessenvertretung fuer Frauen beseitigt nicht bestehende Nachteile aufgrund des Geschlechts, sondern stellt im Gegenteil aufgrund ihrer sexistischen Handlungsweise (meist 'positive Diskriminierung' genannt) selber eine Geschlechterbenachteiligungsinstitution dar und muesste im Sinne des GG somit abgeschafft oder duerfte gar nie erst installiert werden.

im Gleichstellungsartikel (Schweiz) gibt es jedoch einen Zusatz, der etwa lautet : angemessene Massnahmen, welche zu tatsächlicher Gleichstellung führen, sind keine Diskriminierung.

Damit wird nichts anderes gesagt, als dass Diskriminierung eben doch möglich ist. Zwar könnte sich dieser Zusatz theoretisch auch gegen Frauen richten. Weil aber in der Praxis immer von einer Benachteiligung der Frau ausgegangen wird, richtet sich der Zusatz ausschliesslich gegen Männer.
Dieser Zusatz ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Pervertierung des ursprünglichen Ziels. Der real existierende Feminismus hat es also bereits geschafft, die Verfassung zu pervertieren. Die immer wieder geforderte Quote für Frauen ist somit nicht so ohne weiteres verhinderbar, weil die Verfassungsmässigkeit gegeben wäre, falls Richter Quoten als angemessene Massnahme taxieren würden. Es wäre also ein Ermessensentscheid.

Da hast Du einerseits natuerlich voellig recht. Ein Blick in die Homepage des Eidg. Bueros fuer Gleichstellung genuegt, um zu erkennen, wie Gleichstellung in der helvetischen Gleichstellungsbuerokratie verstanden wird. Dort ist etwa von einer Frauenquote bei Professorenposten die Rede, nicht jedoch von einer Maennerquote bei den Primarlehrern. Leider kennt die Schweiz auch keine Verfassungsgerichtsbarkeit; eine Klage auf Verletzung der Verfassung durch nachgeordnete Gesetze muss also durch alle richterlichen Instanzen notfalls bis hinauf zum Bundesgericht weitergezogen werden.

Andererseits gibt es in der Schweiz einige politische Instrumente, die die Implementierung von Geschlechterquoten durchaus nicht zu einem Spaziergang werden lassen. Wenn etwas in der Verfassung steht, heisst das noch lange nicht, dass das Stimmvolk jede Kroete z.B. in Form eines Bundesgesetzes schlucken muss, die sich auf den betr. Verfassungsartikel beruft; ich erinnere etwa an das mehrmalige Scheitern des Mutterschaftsurlaubs trotz entsprechender Verfassungsgrundlage, die seit mehr als 40 Jahren bestand. Das Referendumsrecht ist sowohl auf Bundes- als auch auf kantonaler Ebene recht stark ausgebaut. Das bewirkt, dass die Legislativen bei der Formulierung von Gesetzen einen breit abgestuetzten Konsens finden muessen, weil ihnen immer die Drohung eines Referendums im Nacken sitzt; ausserdem muss dann eine Vorlage u.U. wirklich noch die Huerde einer Volksabstimmung nehmen, was meist einen Abstimmungskampf provoziert. Natuerlich kann man nie sicher sein, dass das Stimmvolk nicht doch irgendwelchen Gleichstellungspopulisten mit ihren ewig gleichen 'Wahrheitskonstruktionen' aufsitzt; aber eine politische Auseinandersetzung findet im Volk statt, und das ist IMHO noch die sicherste Gewaehr dafuer, dass man nicht bloss alle Pro- und Kontra-Argumente auf den Tisch bringt sondern sich auch damit auseinandersetzt.

Gruss

Maesi

P.S. Du kennst Dich sehr gut mit den Schweizer Verhaeltnissen aus und zitierst auch immer wieder aus Schweizer Zeitungen. Bist Du Schweizer?


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