Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Was ist Ideologie?

Chato, Monday, 03.08.2009, 06:10 (vor 5590 Tagen) @ Flint

Was bedeutet der Begriff Ideologie eigentlich im ursprünglichen Sinn? Wie lautet die Übersetzung dieses aus dem Griechischen stammenden Wortes? Es ist die "Rede (Lehre) von den menschlichen Vorstellungen". Vor dem Entstehen einer klar umrissenen Ideologie (so wie du das Wort aufgefaßt wissen willst) geschieht ja irgend etwas, was erst danach zu dem führt, was der heutige Sprachgebrauch "Ideologie" nennt. Was geschieht da? Was genau im Menschen ist es eigentlich, das zur Entstehung und Entfaltung einer Ideologie führt? Aus welcher geistigen Fehlhaltung keimt sie auf? Aus welchem Irrtum zieht sie die Nahrung für ihr Wachstum?

Knapp auf den Punkt gebracht: Ein ideologischer Mensch denkt nicht über die Wirklichkeit nach, sondern über seine Vorstellungen von der Wirklichkeit und verwechselt dabei erstere mit letzteren. Das ist das eigentliche Wesen von "Ideologie", sozusagen im Keimstadium photographiert. Eine Vorstellung ist eine Abbildung der Wirklichkeit im menschlichen Gehirn und natürlich nicht das Abgebildete selbst. Die Nahrung für das Wachstum einer Ideologie zieht sie aus dem Eigenleben, das die sich bildende Vorstellungswelt nach und nach entwickelt. Mit Eigenleben ist hier die Abkoppelung des Bildes von dem gemeint, was es ursprünglich einmal abgebildet hatte.

In der menschlichen Vorstellungswelt wird mit Bildern herumgespielt. Das ist der gesunde Sinn der Sache. Es wird zum Beispiel gedanklich durchprobiert, wie sich irgendein Vorgang (in der Vorstellung) verändert, wenn man (in der Vorstellung) etwas an seiner Ausgangslage verändert. Das bedeutet ursprünglich und bei gesundem Gebrauch natürlich eine große menschliche Geistesgabe. Man kann auf diese Weise gewissermaßen "Versuch und Irrtum" erst einmal gefahrlos in Gedanken durchprobieren, bevor man das in der Realität macht. Was einem schon in der Vorstellung um die Ohren fliegt, das wird man in der Realität besser lieber nicht oder höchstens äußerst vorsichtig ausprobieren, während man in der Vorstellung harmlos und nützlich endende Probeläufe bevorzugt und beherzter real ausprobieren wird. Bis hierhin ist alles in bester Ordnung und von Ideologie noch weit und breit nichts zu sehen.

Das ändert sich radikal, wenn man die realen Probeläufe wegzulassen beginnt. Nimm an, etwas sei in der Vorstellung, also in der inneren Welt der Abbildungen, gut abgelaufen. Daraus zieht man nun den Fehlschluß, das werde bestimmt auch in der Realität so sein, probiert es aber nicht aus. Genau hier taucht der allererste Keim von "Ideologie" auf. Man arbeitet in seiner Vorstellung mit einem Ergebnis weiter, als sei es real erprobt worden, obwohl das nicht der Fall ist, und baut die Sache dann gedanklich immer weiter und weiter aus, jeweils ohne zu probieren, was eigentlich real passierte, wenn man es testete. Irgendwann hat man vielleicht ein phantastisch großes Vorstellungsgefüge ersonnen, das aber niemals erprobt worden ist. Man begeistert auch andere für dieses Vorstellungsgefüge. Die bringen eigene Ideen mit hinzu, daß dies oder das besser so oder so erdacht werden müsse, damit es besser funktioniert usw. usf. Alles ohne es ein einziges Mal auszuprobieren! Es ist offenkundig, daß, wenn es sich zum Beispiel um eine Maschine handelte, eine solche Maschine niemals funktionierte und daß sie einem, wenn es eine gefährliche Maschine ist, um die Ohren flöge. Kein Maschinenbauer der Welt würde so vorgehen, wenn er eine neue Maschine entwickeln möchte.

Nun kann man gedanklich natürlich nicht nur Maschinen ersinnen, sondern auch alles mögliche andere, darunter soziale Konzepte, Strategien, Gesetze, Gesellschaften, Welten, Universen… es gibt in der Vorstellungswelt buchstäblich keine Grenze für das, was sich ersinnen läßt. In der Realität aber schon. Und hier sind wir nun bei dem angekommen, was landläufig als "Ideologie" bezeichnet wird. Anstatt vorsichtig auszuprobieren, welche Änderungen in der Gesellschaft welche Folgen zeitigen, läßt man den ganzen Prozeß von Anfang bis Ende in der Vorstellung ablaufen und verordnet ihn dann einem ganzen Volk, womöglich der gesamten Menschheit. Es ist klar, daß so etwas nur in einer Katastrophe enden kann. Aber dem Ideologen ist das eben leider nicht klar. Er wird im Gegenteil wie berauscht sein von seinem utopischen Entwurf. Aber er hat keine moralischen Prinzipien, denn er macht seinen Gesellschaftsentwurf zum Schicksal der Menschen, denen er ihn aufzudrücken vermag. Das ist ein gigantisches Verbrechen, auch wenn er es vielleicht subjektiv gut gemeint hat, denn er ersetzt die hierarchische Ordnung der Welt mit seiner gedanklichen Fehlkonstruktion, für die er dann skrupellos andere Menschen ins Verderben stürzen läßt. Er setzt sich an die Stelle Gottes – und wird damit zum Teufel, zum Dämon, zum Monster. Das ist das zweitschlimmste Verbrechen, das ein Mensch überhaupt begehen kann. "Ihr werdet sein wie Gott, wenn ihr vom Baum der Erkenntnis gegessen habt", hatte die Schlange zu Eva gesagt. Genau das ist damit gemeint.

Das zweitschlimmste Verbrechen unterscheidet sich vom schlimmsten dadurch, daß bei ersterem subjektiv nicht ausdrücklich das Böse gewollt wird, auch wenn es notwendigerweise dazu kommen muß. Das schlimmste menschliche Verbrechen ist, daß eine erdachte Utopie von vornherein überhaupt keinen guten Zweck für andere mehr erfüllen soll, sondern bloß noch auf Egoismus und nihilistische Zerstörung angelegt ist. Damit haben wir es heute zu tun und das unterscheidet die gegenwärtigen Ideologien fundamental von allen früheren, die in ihren Konsequenzen ja wahrlich schon schlimm genug gewesen sind. Bedeutung und Konsequenzen dieser Änderung sind leider den wenigsten Menschen bewußt.

Zurück zu deiner konkreten Frage, wo denn bitteschön eine maskulistische Ideologie zu finden wäre. Maesi hat es in seiner Erwiderung bereits gesagt und ich stimme ihm ausdrücklich zu: Eine fertig ausgeformte Ideologie, wie dies heute beim Feminismus der Fall ist, gibt es in der Tat noch nicht, was aber bloß daran liegt, daß es dafür zu früh ist. Es wird gesetzmäßig dazu kommen und keine Macht der Welt wird das verhindern können. Eine maskulistische "Bewegung" kann nur ideologisch sein, weil sie anders überhaupt nicht denkbar wäre. Jede Kollektivbildung, die auf menschlicher Vorstellung gründet, ist per se ideologisch. Das ist keine böswillige Abwertung, sondern eine Feststellung.

Im Keime ist die Ideologie von Beginn an existent, was unter anderem darin zum Ausdruck kommt, daß der Maskulismus explizit kollektiv (die Männer) und politisch (die Gesellschaft) ausgerichtet ist. Solche Abstraktionen existieren aber nur in der menschlichen Vorstellung. In Wirklichkeit gibt es ganz unterschiedliche, konkrete Menschen und sehr komplexe, konkret wirkende Kräfte, denen sie konkret ausgesetzt sind. Unideologisch wäre es, das alles samt Kontext in seiner Komplexität konkret zu analysieren, wo auch immer einen das dann hinführen mag, ohne sich durch die vorgefaßte Annahme bestimmen lassen, man müsse dies in Hinblick auf die Männer und zum Zwecke einer politischen Wirksamkeit tun. Diese Einschränkung führt zu falschen Ergebnissen und verhindert Einsichten, die andernfalls möglich und auch sehr nötig wären. Diese Einschränkung ist somit per se ideologisch im oben dargelegten, primären Sinne: Eine Vorstellung versucht der Wirklichkeit ein vorgefaßtes Maß zu setzen, wo umgekehrt die Wirklichkeit die Vorstellung zu bestimmen und sie je und je zu korrigieren hätte.

Das alles ist unvermeidlich, sobald man kollektiv und politisch denkt, das bestreite ich ja gar nicht, sondern ich bestreite, daß so eine Denke jemals irgend etwas anderes als ideologisch sein könnte. Das ist nun einmal nicht möglich. Das Schicksal, ideologisch zu sein, hat eine politische Bewegung in dem Augenblick gewählt, in dem sich Menschen dazu entschließen, überhaupt eine politische Bewegung zu gründen. Natürlich "definiert" sich eine jede politische Bewegung als gut und grenzt sich ab von denen, die das nicht sind. Das machen sie aber alle so, und bei keiner stimmt es. Die jeweiligen Begründungen sind durchweg ideologisch.

Wer unideologisch ist und es bleiben will, kann sich keiner politischen Bewegung anschließen, weil er sich seiner Unabhängigkeit begäbe, wenn er es täte. Deshalb bin ich kein Maskulist und kein Männerrechtler und kann das überhaupt nicht sein. Ich kann aber trotzdem Stellung nehmen zu den Themen, mit denen es eine solche Bewegung zu tun hat. Ob sie sich freilich darum schert, ist natürlich fraglich und wird desto fraglicher werden, je ideologisch einheitlicher diese Bewegung werden wird. Und das wird sie, das ist für mich überhaupt keine Frage. Scheitern wird sie m.E. daran, daß sie den Kontext, in dem sie agiert, nicht begreifen kann (und will), weil sie in dem ideologischen Rahmen verbleiben muß, den sie sich gesetzt hat, andernfalls sie eben keine politische Bewegung mehr wäre.

Wir befinden uns m.E. in einer Zeit und in einem Umfeld, in dem politische Bewegungen illusorisch und chancenlos sind, da sie von Kräften bestimmt und gesteuert werden, die sie weder begreifen noch beeinflussen können. Wer sich nicht dafür interessiert, der interessiert sich nicht dafür, wie er instrumentalisiert wird. Genau das macht ihn instrumentalisierbar. Wir leben nächstens nicht mehr in einer Demokratie, sondern in einer Diktatur. Das wollen bloß viele partout nicht wahrhaben und stellen sich nicht den Konsequenzen. Diese Diktatur bedeutet Krieg gegen den Menschen und seine schiere Lebensfähigkeit. Das ist das Problem, um das es für mich geht. Maskulismus beschäftigt sich mit einem kleinen Mosaiksteinchen, und er tut dies – notwendigerweise – ideologisch.

Nick

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Wenn wir Toren wüßten, daß wir welche sind, wären wir keine.


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