Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Frauenaengste und Opferkultur

Beatrix, Friday, 25.10.2002, 04:08 (vor 7847 Tagen) @ Maesi

Als Antwort auf: Frauenaengste und Opferkultur von Maesi am 22. Oktober 2002 19:05:54:

Hallo Maesi!

Du hast eine Menge interessante Ansichten zusammengetragen, denen ich zustimmen kann. Ich greif mal die wichtigsten raus::

Ich halte das fuer eine sehr ungesunde Entwicklung, denn durch diese absolute Opferhaltung wird gleichzeitig auch jegliche Verantwortung negiert ...; die Parallele zur einzigen und alleinseligmachenden Kirche ist unuebersehbar. Analog beansprucht eben auch die Helferindustrie sowohl die Deutungshoheit fuer die Opfer als auch die exklusive Betreuung derselben fuer sich. Sie fordert immer groessere Geldmittel.. Frauen sollten deshalb sehr vorsichtig bei all den Schalmeienklaengen von feministischer Seite sein; zu oft nehmen feministische Gewalt-, Geschlechter-, Sozial- und andere Expertinnen in Anspruch, fuer alle Frauen zu sprechen...Solange Frauen von solchen feministischen Organisationen mehrheitlich profitieren, uebersehen die meisten gefliessentlich die sich im Windschatten des Feminismus breitmachende, inzwischen bereits alltaegliche Maennerfeindlichkeit;

Ich mag mal gekürzt, weil das Quoting sonst zu lang wäre.
Da ist natürlich schon was dran. Die durchschnittsfrau empfindet sicher noch lange nicht so, wie es die Gleichstellungsbeauftragten, Frauenreferentinnen etc. den Geldgebern gegenüber darstellen. Andererseits geben diese Frauen gelebte Erfahrungen von Frauen wieder, die tatsächlich Opfer wurden. Eine Frau, die z.B. im Frauenhaus arbeitet und täglich mit schwer traumatisierten, geschlagenen Frauen mit null Selbstwertgefühl zu tun hat, der wird es wohl schwer fallen, sich vorzsutellen, daß sehr viele mehr Frauen ganz anders sind. Daß sie selbstbewußt sind, selbstbestimmt leben und sich von Männern nichts Gefallen lassen. Es wird wohl so sein, daß manche Erfahrungen betroffener Frauen zu sehr verallgemeinert werden. Andererseits sind aber die eingefrderten gelder nicht ganz pauschal errechnet, sondern sind ganz konkret für die betroffenen Frauen und die zu erwartenden ähnlichen fälle in der Zukunft berechnet. Ich bin sogar ziemlich sicher, daß eigentlich noch viel mehr Geld nötig wäre, um wirklich allen Betroffenen wirksam zu helfen.

An dieser Stelle sei auch die sich erst formierende Maennerrechtsbewegung gewarnt. Lasst Euch nie derart blenden, wie viele Feministinnen es taten. Verliert nie Recht und Unrecht aus den Augen, orientiert Euch stets an der Realitaet, anstatt diese zu verzerren und haltet Euch immer an wissenschaftliche Erkenntnisse,

Damit unterstellst Du indirekt den Frauen, die für Fraueninteressen arbeiten, daß sie all dies tun, nämlich die Wirklichkeit verzerren und unwissenschaftlich vorgehen etc. Das halte ich für stark übertrieben. Bei einigen Frauen mag das der Fall sein. Aber nicht bei der Mehrheit.
Ich persönlich halte die FrauenLesben-Referate an den deutschen Hochschulen für einen unnötigen Auswuchs. Allerdings hab ich dazu wenige Informationen. Das, was ich mal gelesen habe, fand ich wirklich nicht erfreulich. Ich glaube aber kaum, daß man gerade die Haltungen von Frauen, die als Studentinnen frauenpolitisch tätig sind, so ohne weiteres verallgemeinern kann.
Grundsätzlich halt eich appelle, sachlich zu bleiben und sich an meßbaren Fakten zu orientieren, immer für sinnvoll.

Jetzt kommt der Punkt, wo ich nicht zustimme:

> Nicht der pathologische Schwerverbrecher wird als Gefahr fuer die Gesellschaft deklariert, sondern der freundliche Herr Nachbar, der angeblich Frau und Kinder schlaegt, der Lehrer oder der liebe Onkel, der womoeglich Kinder sexuell ausbeutet,...

Das Problem ist aber nun mal, daß es tatsächlich immer wieder gerade die Menschen sind, die den Frauen nahestanden, von denen sie hinterher Gewalt erfahren haben. Überfälle durch wildfremde Männer sind vergleichsweise selten.
>Dieser kuenstlich geschuerten Angst muss dann mittels Selbstverteidigungskursen und Ausbildung zu mehr weiblichem Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein begegnet werden.

Angesichts der real existierenden Übergriffe halte ich die Angst nicht für künstlich geschürt. Und Selbstverteidigung ist immer gut, für Mädchen und auch für Jungen. Deshalb begrüße ich auch alle Projekte, die schon in Kindergärten dazu beitragen sollen, das Ich der Kinder zu stärken und ihnen zu hlefen, persönliche Grenzen zu setzen und außerdem Konflikte gewaltfrei zu lösen.

Natuerlich traegt fast jeder Aengste in sich: z.B. vor Arbeitslosigkeit, Krankheit, Unfall mit nachfolgender Invaliditaet, Gewalt, Verbrechen, Vereinsamung, Armut, Scheidung/Trennung, ungewisser Zukunft, u.v.m. Ich habe gelesen, dass Psychologen die heutige Zeit als eine Epoche der Angst bezeichnen, da sie eine besorgniserregende Zunahme von Aengsten bei Menschen registrieren.

wo stand denn das? Wenn das stimmen sollte, kann es nur an der ständigen Negativberichtserstattungen in der Presse und am Senstionsjournalismus liegen. Der vermittelt ein sehr einseitiges Bild.

Die Frage ist, haben die objektiv feststellbaren Gruende fuer Angst zugenommen, oder handelt es sich dabei nur um eine Art Hysterie ohne jegliche sachliche Grundlage. Ich neige eher zu letzterem.

Muß nicht immer sein. Außer den ständigen Presseberichten gibt es ja auch die Veröffentlichungen von Statistiken. Die Menschen heute wissen also viel besser als früher über mögliche Gefahren Bescheid. Wenn ich nur an die Gefahren durch Umweltverschmutzung und Krieg denke. Mal damals 'Global 2000' gelesen oder ähnliche Prognosen? Die Gefahren für unseren Planeten sind sogar so riesig, daß die Menschen inzwischen die meisten davon massiv verdrängen. Wenn wir uns ständig aller Gefahren bewußt wären, könnten wir gar nicht mehr in Ruhe weiter leben.

Was nicht heissen soll, dass Aengste grundsaetzlich unberechtigt sind (z.B. Arbeitslosigkeit, Vereinsamung, Scheidung/Trennung). Die Gefahr einem Verbrechen zum Opfer zu fallen, in Armut zu versinken oder Gewalt zu erleiden wird IMHO aber weit ueberschaetzt bzw. die eigenen Handlungsmoeglichkeiten, gegen solche Gefahren anzugehen, weit unterschaetzt.

Mag sein. Es bleiben noch genug Gefahren übrig, vor denen man sich nicht so ohne weiteres schützen kann.

Die Menschen (nicht nur Frauen, aber v.a. diese) werden heute viel zu sehr als unmuendige Opfer ohne eigene Handlungsoptionen betrachtet. Diese Opferkultur wird in der feministischen Ideologie wie ein religioeser Ritus geradezu zelebriert.

Schön wär's ja, wenn wir wirklich soviel Freiheit und soviel Handlungskompetenzen hätten. Ich gönn dir ja, daß du es so siehst, aber in dem Punkt bin ich weit weniger optimistisch.
Unterschätze nicht die Dummheit der Menschen, die Trägheit und Bequemlichkeit, die Machtgier und Geldgier und das Ausmaß der Manipulationen durch die wirklich Mächtigen.

ciao
Beatrix

P.S. Deine Antwort auf meinen Beitrag "Karrieredenken" hab ich eben erst entdeckt. Kommentar dazu folgt später.


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