Nochmals neue Väter
Hallo,
http://www.zeit.de/2004/21/Titel_2fV_8ater_21
da dieser Artikel hier schon mehrfach zitiert wurde, möchte ich darlegen, weshalb ich ihn
für fragwürdig halte. Mir ist nämlich nicht erkenntlich, wie die Tatsache, daß Männer das tun,
was bisher Frauen vorbehalten war, so schlechte Folgen haben soll. Da dieser Artikel die
Wirkungsmechsnismen nur andeuted und nicht direkt benennt, denke ich, daß er zwar in die
richtige Richtung weist, aber dennoch klar daneben trifft.
Die erste Merkwürdigkeit ist, daß er eine Erziehungskatastrophe, die bei alleinerziehenden
Müttern und bei "neuen Vätern" auftritt, als Grundlage nimmt, und allein die Väter anklagt.
Wäre es nicht naheliegender die Ursache bei der Person zu suchen, die in beiden Fällen da
ist, nämlich der Mutter. Vielleicht ist der neue Vater nur der einzige Mann, den eine solch
eine Katastrophenmutter neben sich duldet. Vielleicht übersieht er die neuen Väter, die
keine Erziehungskatastrophe verursachen nur deswegen, weil deren Kinder nicht in die
psychologische Behandlung gebracht werden. Allerings ist es auch dann, wenn man die Mutter als
Katastrophenursache sieht, sinnvoll, zu Untersuchen, welche Rolle der Vater dabei einnimmt.
Zunächst ist schon bemerkenswert, welche Seiten der Mutterrolle nicht übernommen werden.
Das Bild aus den Arztpraxen: "Da sitzen an der Seite ihrer hoch identifizierten, liebevoll-
besorgten Mütter" ist vielsagend. Nicht die neuen Väter sondern die Mütter sind da. Warum
machen das die Väter nicht. Vielleicht weil ernste Probleme Chefsache sind. Offensichtlich
kontrolliert und beherrscht die Mutter weiterhin den Bereich der Kindererziehung und des
Haushalts. Von wegen "Gegessen wird, was Vati kocht! (und selbst dann, wenn ich nicht davon
begeistert bin)" Und weil die Mutter sich mit ihren Kindern identifiziert, muß er auch den
Kindern gehorchen. Somit bekommt er die Verachtung, die Frauen gerne fälschlicherweise den
traditionellen Vätern vorwerfen, und keinen Ausgleich in Form von Bestimmungsrecht im
eigenen Bereich. Eine derart vorgelebte Menschenverachtung ist natürlich ein übles
Erziehungsvorbild.
In der Mutter, die sich mit den Kindern identifiziert, sehe ich ohnehin den Schlüssel zu dem
Problem. Die Kinder werden also nicht als eigenständiche Persönlichkeiten angesehen, mit denen
Konflikte wegen unterschiedlicher Interessenlage unausweichlich sind, sondern als Teil der
Mutter, für den sie gleich mitfühlt. Dies entspricht der Verherrlichung der Mutter, die
in ihrer mütterlichen Weisheit besser als die Kinder fühlt, was in diesen vorgeht, und
welche Bedürfnisse sie haben. Damit dieses Bild erhalten wird,muß dafür gesorgt werden,
daß die Kinder es nicht durch Widerspruch stören. Wie man sowas durchsetzt, hat der Artikel
mit dem Vater als Ausführenden deutlich beschrieben. Kurz gesagt müssen die Kinder so mit
"Erlebnissen" überfrachtet werden, daß sie zunächst von dem Bedürfnis nach Ruhe bestimmt
sind, was dann als friedliche Harmonie mißgedeuted wird. Auf die Bedürfnisse des Kindes
wird nur scheinbar eingegangen, indem die Äuserungen derer unterbunden werden. Tatsächlich
geht es aber nur um die Bestätigung des eigenen Mutterideals.
Die hoch identifizierende Mutter kann natürlich auch nicht richtig dem Kind Grenzen setzten,
weil sie ja gerade keine Abgrenzung zum Kind will. Die Grenzen die ein Kind idealerweise
gesetzt bekommt sind dort, wo es die Rechte anderer verletzt oder sonstigen Schaden anrichtet.
Das ist aber nicht nur Aufgabe des Vaters, sondern auch der Mutter. Nur weil im traditionellen
Rollenbild sowas als väterlich gilt, ist das Unterlassen keineswegs nur dem Vater, sondern in
gleicher Weise auch der Mutter anzulasten. Da die Kinder im Fernsehen bei nicht lächerlich
gemachten Männern nur die traditionelle Rolle sehen, erwarten sie das natürlich hauptsächlich
vom Vater.
Daher sehe ich nicht das Problem in Kinder wickelnden, Kinderwagen schiebenden, kochenden,
Wäsche waschenden, kuschelnden, zärtlichen, spielenden Vätern, sondern in der gelebten
Verherrlichung eines überzogenen Mutterbildes und gleichzeitiger Verachtung von all dem,
was Vätern zugeschrieben wurde, und der dadurch gelebten Verachtung der Person des Vaters,
der naturgegeben nie die volle Höhe der Mutterschaft erreichen kann.
Nicht nur die Väter, sondern auch die Mütter sind für die konfliktträchtigeren, und damit
unangenehmeren Seiten der Kindererziehung da. daher finde ich, daß diese Kritik sich nur
an die Väter richtet, völlig falsch.
Gruß
Joseph
gesamter Thread:
- Nochmals neue Väter -
Joseph S,
03.04.2005, 02:04
- Re: Nochmals neue Väter -
Sven,
03.04.2005, 16:12
- @Sven. Gut argumentiert. Zustimmung ! (n/T) - Gast, 03.04.2005, 20:42
- Re: Nochmals neue Väter -
Joseph S,
05.04.2005, 02:36
- Re: Nochmals neue Väter - Sven, 05.04.2005, 16:29
- Re: Nochmals neue Väter -
Fragezeichen,
05.04.2005, 09:37
- Re: Nochmals neue Väter - Sven, 05.04.2005, 16:31
- Re: Nochmals neue Väter - Nikos, 05.04.2005, 17:36
- Re: Nochmals neue Väter - Krischan, 05.04.2005, 19:03
- Re: Nochmals neue Väter - Maesi, 06.04.2005, 01:37
- Re: Nochmals neue Väter -
Sven,
03.04.2005, 16:12