Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Eklat: Schweizer Bundesrätin düpiert angehende männliche Diplomaten

Maesi, Monday, 06.02.2006, 22:07 (vor 6868 Tagen) @ Frank

Als Antwort auf: Eklat: Schweizer Bundesrätin düpiert angehende männliche Diplomaten von Frank am 05. Februar 2006 19:11:

Hallo zusammen

5. Februar 2006, NZZ am Sonntag
"Eklat in EDA-Zulassungskommission
Protest-Rücktritte nach Calmy-Reys Entscheid, sechs Männer wegen ihres Geschlechts nicht einzustellen
Bundesrätin Calmy-Rey hat bei der Einstellung von Diplomaten Männer benachteiligt. Jetzt verlassen Ständerat Dick Marty und zwei Professoren aus Protest die Kommission für die Rekrutierung von Diplomaten.
Der Tessiner FDP-Ständerat Dick Marty und die beiden Professoren Pierre de Senarclens und François Hainard haben per sofort ihren Rücktritt aus der für die Rekrutierung des diplomatischen Nachwuchses zuständigen Zulassungskommission im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) erklärt.

Solche geschlechterdiskriminierenden Aktionen sind erst der Anfang. Es werden noch viele qualifizierte Maenner ueber die Klinge springen muessen. Ich glaube nicht, dass der Ruecktritt der drei Kommissionsmitglieder (inkl. dem prominenten Dick Marty) hier wesentliches bewirkt.

Marty: «Pure Willkür»
Auf Anfrage der «NZZ am Sonntag» sagt Marty, der Entscheid der Aussenministerin sei «pure Willkür» und halte dem in der Bundesverfassung stipulierten Diskriminierungsverbot nicht stand. «Calmy-Rey bestraft Männer, nur weil sie Männer sind. Das ist unhaltbar.» Er habe kein Interesse, einer Kommission anzugehören, deren Empfehlungen von der Departementschefin einfach in den Wind geschlagen würden, sagt Marty."[/i]
(kompletter Artikel unter http://nzz.ch/2006/02/05/il/articleDJUQF.html)

Schoen, dass Marty die Verfassungswidrigkeit von Frau Calmy-Reys Handlung erkennt. Art. 8 Absatz 2 der Bundesverfassung lautet folgendermassen:

'Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religioesen, weltanschaulichen oder politischen Ueberzeugung oder wegen einer koerperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.'

Wer das Geschlecht als Qualifikationskriterium anerkennt, handelt gegen die Verfassung. Fuer mich ist ebenfalls klar, dass Frau Calmy-Rey gegen die Verfassung verstossen hat, auf die sie als Bundesraetin einen Eid leistete.

Den sechs abgelehnten Männern bleibt wohl nur eine Geschlechtsumwandlung übrig, denn:
"EDA-Sprecher Jean-Philippe Jeannerat sagt auf Anfrage, man habe den sechs abgelehnten Männern den Entscheid mitgeteilt und ihnen angeboten, sich zu vereinfachten Bedingungen bei der nächsten Ausschreibungsrunde, die in einem Jahr endet, wieder zu beteiligen. Die Frage, was denn mit den Männern passiere, wenn sich dann wieder nicht genügend Frauen qualifizierten, kann Jeannerat nicht beantworten. Er gehe aber davon aus, dass auch bei der nächsten Rekrutierungsrunde an der Geschlechterparität festgehalten werde. Zudem kündigt Jeannerat an, das Departement werde Schritte in die Wege leiten, den Diplomatenberuf für Frauen attraktiver zu machen. Konkrete Massnahmen seien aber noch nicht beschlossen worden."

Im naechsten Jahr werden wohl auch wieder neue Aspiranten die Pruefung absolvieren. Sofern auch dann 'zuwenig' Frauen die Pruefung bestehen, wird sich das Problem wieder aufs neue stellen. Sollten die diesjaehrigen abgelehnten Maenner sich tatsaechlich auch naechstes Jahr wieder bewerben und man obendrein ein vereinfachtes Verfahren ihnen gegenueber anwendet, diskriminiert man sogar doppelt: einerseits werden wiederum Maenner aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert, andererseits die Neubewerber gegenueber den Wiederbewerbern; so kumuliert sich die Diskriminierung und zieht laufend neue nach sich. Wenn die abgelehnten Maenner klug sind, orientieren sie sich halt anders und wenden sich einem Bereich zu, in dem sie (noch) nicht aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden. Die Zukunft liegt ohnehin dort, wo keine Diskriminierung herrscht.

Recht aufschlussreich finde ich ausserdem, wie nonchalant Frau Calmy-Rey beinahe die Haelfte des diplomatischen Nachwuchses eines Jahrgangs streichen konnte. Normalerweise straeuben sich ja gerade die Sozialdemokraten (denen Frau Calmy-Rey angehoert) gegen jeglichen Stellenabbau. Ich erinnere etwa an den Protest als Bundesrat Blocher Personal in seinem Departement (Justiz und Polizei) einsparen wollte oder allgemein das sozialdemokratische Gezeter von wegen fehlenden Ausbildungsplaetzen; hier hat eine sozialdemokratische Bundesraetin gleich selbst Ausbildungsplaetze liquidiert. Ich finde ausserdem, dass Bundesrat Rudolf Merz (Finanzdepartement) ueberlegen muesste, ob nicht eventuell das diplomatische Korps der Schweiz ueberdotiert ist und dort ein gewisses Einsparpotential besteht, da ja offenbar ohne groessere Probleme auf die Dienste von sechs Nachwuchsdiplomaten verzichtet werden kann und diese Streichungspraxis naechstes Jahr wohl fortgesetzt werden wird.

Desweiteren wuenschte ich mir von Bundesrat Pascal Couchepin eine aehnliche Haltung in Bezug auf die Besetzung der Posten des Eidg. Bueros fuer Gleichstellungsfragen. Dort werden seit Jahren fast ausschliesslich Frauen eingestellt. Und da das Gleichstellungsbuero ja selbst Geschlechterquoten ausdruecklich fordert (etwa bei der Besetzung von Professuren), koennte man(n) eigentlich bei den Berufsgleichstellerinnen gleich anfangen.

So ruiniert man ein Gemeinwesen. Nicht die Besten kommen zum Zuge, sondern die, die das "richtige" Geschlecht haben.

Keine Bange. Mit dem diplomatischen Korps der Schweiz ist es nicht so weit her. Viel kann Frau Calmy-Rey dort eh nicht kaputtmachen.

Und die Diskriminierung von Männern wird damit gekontert, dass man die Bevorzugung von Frauen noch ausbaut, indem man ihnen den Weg in den Diplomatenberuf erleichtert. Wer soll da nicht zum Zyniker werden.

Kommt darauf an, wie diese Erleichterungen aussehen. Wenn sie darin bestehen, dass die Eignungskriterien bei Frauen niedriger angesetzt werden als bei Maennern, dann schiesst sich die Aussenministerin damit langfristig selbst ins Knie. Aber wahrscheinlich merkt sie das noch nicht einmal.

Gruss

Maesi


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