Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Die Rückkehr des Mannes. Mach's noch einmal, Macho!

Flint, Wednesday, 29.03.2006, 08:12 (vor 6614 Tagen)

Die Rückkehr des Mannes.

Mach's noch einmal, Macho!

Fast vergessen, nicht vermisst, jetzt soll es plötzlich wieder da sein: Man konstatiere die Rückkehr des Patriarchats als Resultat der Kinderlosigkeit - heißt es.
Von Petra Steinberger

Wenn die - reale oder eingebildete - Angst vor dem Untergang der eigenen Gemeinschaft überhand nimmt, erklären Männer ihr Fortbestehen wieder zur Chefsache.

Eines Abends, mitten in Berlin. Die Feministin: "Wir haben dafür gekämpft, dass Frauen die Kinder kriegen, die sie wirklich wollen." Der konservative Politiker: "Deshalb haben wir so wenige."

Eben ist das weibliche Jahrhundert eingeläutet worden, und man diskutiert über die Krise des modernen Mannes, ohne zu kichern. Kaum wird die Bewusstseinsindustrie von immer mehr Frauen okkupiert und kaum ist der deutsche Kanzlerposten von einer Frau besetzt - da mehren sich die Zeichen, dass es wieder schwieriger werden dürfte mit weiblicher Freiheit und Macht.

Phillip Longman, der Fellow der liberalen New America Foundation, bringt es in der jüngsten Ausgabe des US-Magazins Foreign Policy zugespitzt, aber nicht unplausibel auf den Punkt: Entgegen allen bisherigen Tendenzen weiblicher Emanzipation in den Industriestaaten stehe die "Rückkehr des Patriarchats" bevor.

Längst galt als ausgemacht, dass die Dominanz des Mannes in Familie und Gesellschaft in den hochentwickelten Regionen bald nurmehr ein Relikt einer vormodernen Zeit sein würde. "Von wegen", meint Longman, "gerade die Gesellschaften, die am weitesten säkularisiert und am großzügigsten mit Wohlfahrtsstaaten ausgestattet sind, werden in dem Maße anfällig für religiöse Erneuerungen und eine Wiedergeburt der patriarchalen Familie sein, in dem die öffentliche Wohlfahrt nicht mehr finanzierbar ist.

Die absolute Bevölkerung Europas und Japans mag dramatisch zurückgehen. Der Rest jedoch wird sich an diese neue Welt anpassen in einem Prozess vergleichbar mit dem survival of the fittest. In dieser neuen Welt wird ein patriarchaler Gott den Familienmitgliedern gebieten, ihren Individualismus zu unterdrücken und sich dem Vater zu unterwerfen."

Phillip Longmans Schrift zum "Patriarchat", das ist Frank Schirrmachers Manifest "Minimum", wenn man ihr dessen Optimismus nimmt, was die Potenzen der Frau betrifft. Bei Schirrmacher kann die Frau all das, was nötig ist, um in einer schrumpfenden Welt zu überleben, und das wird ihr hoch angerechnet. "Diese Großmütter, Mütter und Töchter werden entscheiden, ob und wie unsere Gemeinschaft neu entsteht."

Im wieder aufkommenden Patriarchat leisten sie das auch, haben aber trotzdem weniger zu melden. Wenn die - reale oder eingebildete - Angst vor dem Untergang der eigenen Gemeinschaft überhand nimmt, erklären Männer ihr Fortbestehen wieder zur Chefsache, ohne viel Rücksicht auf emanzipatorische Empfindlichkeiten.

(...)

Eine UN-Konferenz zur Bevölkerungsentwicklung erklärte 1994, "die Gleichstellung der Geschlechter und die Eigenverantwortung der Frauen muss vorangetrieben ... und diesen die Möglichkeit garantiert werden, ihre Fruchtbarkeit selbst zu kontrollieren, denn sie sind Eckpfeiler für jedes Bevölkerungsprogramm." Damals war "Bevölkerungsprogramm" ein Euphemismus für das Bekämpfen der Überbevölkerung.

Inzwischen wird der Geburtenrückgang als neue Apokalypse des Menschen identifiziert. Wenn 1994 Selbstbestimmung der Frauen das Bevölkerungswachstum aufhalten konnte - was läge näher, als im umgekehrten Fall das Gegenteil zu propagieren? Das direkt zu fordern, könnte sich kein westlicher Politiker mehr erlauben. Aber hie und da, in hingeworfenen Bemerkungen, scheint das altneue Bild jener Frau wieder auf, die in erster Linie ihre Familie zusammenhält - doch weniger als selbstständige Erwerbstätige denn als emotionale und soziale Mutterpflanze.

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Für Longmans These sprechen historische, vor allem aber auch sozialbiologische Erfahrungen. Zum einen haben sich gesellschaftliche Werte bislang noch immer ins Konservativ-Patriarchalische gewendet, wenn die Angst vor einem möglichen "Aussterben" der eigenen Bevölkerung zunahm: Das Viktorianische Zeitalter war nicht zuletzt auch eine Reaktion auf die Liberalisierung der Gesellschaft, auf abnehmende Kinderzahl, auf ein schwächeres soziales Netz und auf wachsende wirtschaftliche Unsicherheiten in Zeiten der ersten Globalisierung. Heim, Familie und traditionelle Väterbilder wurden stärker denn je zur Zuflucht in einer brutaler, unüberschaubarer gewordenen Welt; und Mutterschaft wurde in mystische Höhen erhoben.

Zum anderen ist die Rückkehr des Patriarchats, so Longman, eine Frage der Zeit und der Biologie: Der konservative Teil der Bevölkerung vermehre sich stärker als der progressive. Die Demographen Ronny Lesthaeghe und Johan Surkyn stellten für Europa fest, dass die Bevölkerungsschichten, die permissiv sind, die weiche Drogen oder Homosexualität akzeptieren, die weniger in die Kirche gehen und dem Militär eher misstrauen, weniger Kinder haben als jene, die weniger liberal und säkularisiert sind.

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"Das ausgedehnte kinderlose Segment der heutigen Gesellschaft, dessen Mitglieder überproportional aus der feministischen Bewegung und der Gegenkultur der sechziger und siebziger Jahre stammen, wird kein genetisches Erbe zurücklassen", schreibt Longman, "und es wird ebenso wenig emotionalen oder psychologischen Einfluss auf die nächste Generation ausüben." Jede Wertedebatte zugunsten eines "Jahrhunderts der Frauen" (Schirrmacher) erledigt sich, so gesehen, auf absehbare Zeit von selbst.

(...)

"Gesellschaften, die dieses spezielle soziale System, das Patriarchat, übernahmen, maximierten ihre Bevölkerung und damit ihre Macht, während diejenigen, die das nicht taten, überrannt oder absorbiert wurden"

(...)

Quelle: (SZ vom 28.März 2006)

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