Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Buch

Garfield, Wednesday, 29.03.2006, 19:31 (vor 6817 Tagen) @ Mic

Als Antwort auf: Buch von Mic am 28. März 2006 11:16:

Hallo Mic!

Danke für die Info! Ich habe mir eine Beschreibung des Inhalts von "Planet der Habenichtse" durchgelesen. Sehr realistisch finde ich diese Vision nicht. Vor allem kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß eine anarchistische Welt etwas besseres hervorbringen kann als Anarchie, Chaos und Rechtlosigkeit.

Anarchismus ist ja keine Erfindung der letzten Jahrzehnte, sondern es gab schon mindestens im 19. Jahrhundert Anarchisten. Die haben niemals etwas Sinnvolles auf die Beine gestellt, sondern sind immer nur als Mitläufer anderer Bewegungen aufgetreten, wobei sie meist als Störfaktoren und Quertreiber wirkten. Im Spanienkrieg beispielweise gab es mit Anarchisten, die damals aus ganz Europa dorthin einreisten, um auf republikanischer Seite zu kämpfen, immer wieder Probleme. Sie hatten keine Disziplin, weigerten sich, Befehle auszuführen, denn genau das macht ja den Kern des Anarchismus aus. Das hat dann letztendlich durchaus auch zur Niederlage der Republikaner im spanischen Bürgerkrieg beigetragen.

Menschen waren schon immer vor allem dann erfolgreich, wenn sie in einer Gruppe zusammen arbeiteten. Dazu gehört aber die Fähigkeit, sich einer gemeinsamen Sache unterzuordnen und dazu auch mal eigene Interessen zurück zu stellen. Das ist nun aber etwas, das der anarchistischen Ideologie vollkommen widerspricht. Allein deshalb kann es keine anarchistische, klassenlose Gesellschaft geben, jedenfalls keine funktionierende.

Außerdem widerspricht es der Natur des Menschen, ohne Klassen und Hierarchien zu leben. Das sah man ja auch in den Ostblock-Staaten: Obwohl man dort offiziell das Ziel verfolgte, letztendlich eine klassenlose Gesellschaft zu schaffen, war die Gesellschaft doch auch hierarchisch organisiert. Ganz oben saßen die führenden Parteifunktionäre, hohe Armeeoffiziere und einige wenige hochkarätige Wissenschaftler, die sich ein Leben nach westlichem Standard genehmigten, darunter folgte eine Mittelschicht aus mittleren Parteifunktionären, höheren Beamten, mittleren Armee-Offizieren, Fabrik-Direktoren, LPG-Vorsitzenden, Spitzensportlern, Wissenschaftlern, Ingenieuren, Künstlern usw., die auch recht gut lebten, und ganz unten waren einfache Arbeiter, Bauern und Angestellte, die mit mehr oder weniger überzogenen Sozialleistungen zufrieden gestellt werden sollten und sich kaum Luxusgüter leisten konnten.

Durch Weiterentwicklung der Technologie könnte man die Hierarchien weniger notwendig machen, aber ganz abschaffen kann man sie so bald nicht. Aber um die Technologie weiter zu entwickeln, sind eben auch gebündelte Anstrengungen vieler Menschen nötig - und im Anarchismus ist so etwas ganz und gar unmöglich. Anarchismus muß zwangsläufig zunächst zum Stillstand der technologischen Entwicklung führen und dann im Endeffekt zu einer Gesellschaft, in der es noch viel ausgeprägtere Hierachien gibt als zuvor. Weil nämlich manche Menschen sich die mit dem Anarchismus etablierte Rechtlosigkeit zunutze machen würden, um sich auf Kosten anderer immer wieder Vorteile zu verschaffen. Wenn mehrere solcher Menschen sich dann organisieren würden, hätten sie der Masse der anarchistisch, also unorganisiert lebenden Menschen immer etwas voraus, würden schnell die Herrschaft an sich reißen und den Rest der Menschheit unterjochen. Das ließe sich nur verhindern, indem dieser Rest der Menschheit eine Gegenorganisation schafft, aber auch die könnte nur erfolgreich sein, wenn sich ihre Mitglieder der Führung unterordnen - auch das wäre das Ende des Anarchismus.

Freundliche Grüße
von Garfield



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