Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: @Flint - Re: Erscheint mir ... - O Himmel!

Ekki, Friday, 31.03.2006, 21:42 (vor 6604 Tagen) @ Flint

Als Antwort auf: Re: @Flint - Re: Erscheint mir ... - O Himmel! von Flint am 31. März 2006 00:51:41:

Hallo Flint!

Zum Beispiel finde ich es als eine unerhörte Frechheit und Anmaßung wie du über einige Dinge hier Stellung beziehst. Um nur mal einen Punkt zu nehmen „8) den sofortigen Rausschmiß alles Religiösen aus dem Bildungswesen.“ Wer bist du, das du dir anmaßt, so etwas zu verlangen? Hast du hinter das Universum geschaut und gesehen, daß es keinen Gott gibt? Kannst du wirklich abschätzen, wie die Welt sich entwickeln wird, wenn die Religionen etwas zurückgesetzt werden? Kannst du mit tausendprozentiger Sicherheit der Welt garantieren, daß der Mensch keine geistige und unsterbliche Grundnatur hat, um deren Heil er sich bemühen sollte? Kannst du die Verantwortung für die Folgen einer Verschärfung in Richtung Materialismus wirklich übernehmen?
Wenn du auf alle diese Fragen mit JA antworten kannst, dann kannst du obige Forderung stellen, ansonsten solltest du dich gefälligst zurückhalten und dich auf Äußerungen beschränken wo du dich besser auskennst (zum Beispiel im Übersetzungswesen). Du stößt nämlich andere mit deiner ungestümen (selbstkritikfreien Art) vor den Kopf. Das macht man nicht. Hat eigentlich nichts mit Ehrlichkeit zu tun, es sei denn, man bezeichnet es als ‚ehrlich aber taktlos’.

Hier haben wir es tatsächlich mit einer Fragestellung zu tun, die nur 2 Wahlmöglichkeiten offenläßt:

Entweder man ist der Meinung, daß es dem Menschen zum Heil gereiche, wenn er religiös erzogen wird,

oder man ist der Meinung, daß gerade die Unterlassung einer religiösen Erziehung zum Heil gereicht.

Der Vorwurf der "ungeheuren Frechheit und Anmaßung" trifft also - wenn überhaupt! - beide Seiten.

VIEL WICHTIGER ABER:

Als nach der Wende der Versuch gemacht wurde, einen Ethik-Unterricht einzuführen, in dem lediglich unter anderem von den verschiedenen Religionen erzählt werden soll, ohne daß eine von ihnen als verbindlich gelehrt wird, da liefen die Kirchen und ihre Anhänger dagegen Sturm.

UND HIER KANN ICH AUS DEM NÄHKÄSTCHEN PLAUDERN:

Mein Vetter ist Pfarrer in Hessen, inzwischen ein hohes Tier in der Landeskirche. Bei einem Besuch hörte ich ihn zu einem Kollegen Folgendes sagen:

"Jaja, der Kollege X, der ist voll für den Ethikunterricht, hahaha. Der sagt:'Laß den Ethik-Unterricht mal schön von den Pfarrern abhalten'. Und genauso wird's auch gemacht. So weit kommt das noch, daß wir unreligiösen Leuten die Erziehung der Jugend überlassen."

Mein Kommentar:

Eine unerhörte Frechheit und Anmaßung![/u]

Zu dem Gedicht:

Ich lasse mal beiseite, daß - wie Du selbst ahnen wirst - der ganze Ton dieses Gedichtes mich nicht nur nicht anspricht, sondern ... äh ... das Gegenteil.

Wirklich interessant aber ist etwas anderes:

Baudelaire vermutet die Langeweile als Quell der Sündhaftigkeit.

Hierzu in Bezug auf meine Person Folgendes:

Wenn ich eines höchst, höchst selten in meinem Leben erfahre, dann ist es Langeweile.

Als diesseitig ausgerichteter Mensch setze ich mir Ziele, die für mich geistige Herausforderungen darstellen (Erweiterung des kognitiven Wissens, ständiges Hinausschieben der Leistungsgrenze im Beruf, wie bei einem Extremsportler).

Auch Freundschaften und Hobbys habe und pflege ich.

Wenn ich bei dem allen noch meinen Singlehaushalt schmeißen soll, dann weiß ich beim besten Willen nicht, wo ich Langeweile hernehmen sollte.

Was mir fehlt, ist das, was man heute "Beziehung" nennt.

Ach was, ich bin ja inzwischen bescheiden geworden: Wenn ich wenigstens ab und zu jemanden hätte, der mein Bedürfnis nach körperlicher Nähe befriedigt, ich wär's ja zufrieden.

Womit wir freilich schon wieder voll in der Diskussion sind, worauf sich körperliche Zuneigung zu gründen habe.

Meine Meinung dazu habe ich sowohl im Bezuzgsposting als auch in vielen anderen Postings dargelegt. Ich brauche mich, glaube ich, nicht zu wiederholen.

Aber mit einem religiösen Menschen Zweisamkeit zu pflegen, das - das weiß ich nicht nur theoretisch, sondern aus Erfahrung - das würde schiefgehen.

Und es geht dabei nicht nur um Sexualität.

Daß ich mir wieder den Vorwurf der frechen Anmaßung u.Ä. zuziehe, weiß ich ja ohnehin, aber sei's drum:

Wenn ich definieren sollte, was Religion ist, käme in etwa Folgendes heraus:

Eine Sammlung von Mythen, ethischen Vorschriften, in deren Mittelpunkt ein höheres Wesen steht, dessen irdische Vertreter und Verkünder mit den weltlichchen Mächten auf vielfältige Weise verbandelt sind. Ferner regelmäßige rituelle Veranstaltungen an Kultstätten, bei denen die irdischen Vertreter der höheren Wesen in einer nicht alltäglichen Kleidung auftreten, mehr oder weniger schöne Musik erklingt, die betreffenden höheren Wesen durch rituelle Handlungen - besondere Bewegungen, (nicht immer verständliche) Texte usw. "angerufen" wird.

Wie sollte ein Mensch, der so denkt wie ich, mit einem Menschen eine Liebesbeziehung eingehen können, dem Religion etwas bedeutet - und dies keinesfalls nur bezüglich der Sexualmoral?

Noch zu der Verbandelung der höheren Wesen mit den irdischen Mächten:

Nein, ich habe nicht vergessen, welche Greuel der atheistische Kommunismus angerichtet hat.

Das spricht allerdings - vor dem Hintergrund der Religionsgeschichte - nicht für die Religionen, sondern gegen beide (Religion und Kommunismus).

VOLLENDS UMWERFEND ABER:

Die weitaus meisten Religionen erheben Absolutheitsansprüche gegenüber allen konkurrierenden Religionen, und nur ganz wenige Menschen kommen auf den Gedanken - oder wagen gar, ihn auszusprechen - daß bei einer Vielzahl von Göttern, von denen keiner je gesichtet wurde, und einem bei allen diesen Göttern vorhandenen Absolutheitsansprüchen die Religionen in ihrer Gesamtheit doch der größte Betrug am Menschen sein müssen.

Ach ja, und ein Letztes:

Es gibt ein beliebtes Missionsargument, das da lautet, die Religionen hätten sich doch längst darauf verständigt, daß sie alle einen guten Kern hätten, insofern sei Toleranz angesagt, und jede Gegnerschaft gegen Religion unverständlich und ihrerseits ein Ausdruck von Intoleranz.[/u]

Wer dieses Argument auf seine Stichhaltigkeit testen will, der mache Folgendes:

Er erkläre dem Vertreter einer beliebigen Religion, okay, alle Götter und Religionen sind gleich viel wert, deshalb kann man sie auch alle mögen, ich selbst aber werde religiöse Kultveranstaltungen allenfalls sporadisch besuchen, das Ganze nicht tierisch ernst nehmen, zu allen nett sein - keinesfalls aber irgendetwas tun, was zur Stärkung der weltlichen Macht einer Religion beitragen könne (wie z.B. Unterstützung entsprechender Parteien), nun ja, und auch meiner Nächsten "Weiber" werde ich nach Herzenslust begehren, da unsichtbare Götter mit diesem Bereich nichts zu schaffen hätten.

Solches erzähle man am Besten einem sich ganz besonders tolerant gebenden Religionsvertreter.

Dessen Reaktion wird alles klären.[/u]

Gruß

Ekki


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