Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Anzeige von Sexualstraftätern soll Pflicht werden (Artikel in der SZ)

Garfield, Thursday, 30.01.2003, 19:41 (vor 7759 Tagen) @ Odin

Als Antwort auf: Re: Anzeige von Sexualstraftätern soll Pflicht werden (Artikel in der SZ) von Odin am 30. Januar 2003 16:53:27:

Hallo Odin!

Es stimmt zwar, daß ich die Strafmaße in Deutschland für einige Delikte für zu niedrig halte. In der Mißbrauchsproblematik ist das jedoch meiner Meinung nach differenzierter zu sehen. Dort werden nämlich gern Fälle mit ganz verschiedenen Umständen in einen Topf geworfen.

Wenn ein Pädophiler oder womöglich eine ganze Organisation von Pädophilen gezielt Kinder entführt, dann für irgendwelche Filme oder Fotos benutzt und danach womöglich auch noch umbringt, halte ich höhere Freiheitsstrafen grundsätzlich für gerechtfertigt. Da kann man nämlich davon ausgehen, daß solche Leute absolut keine Skrupel haben und sowas immer wieder tun werden.

So extrem und eindeutig ist die Sachlage gerade in diesem Bereich aber oftmals glücklicherweise nicht. Es gibt da eine sehr breite Grauzone. Gerade bei Mißbrauch durch Eltern oder enge Verwandte ohne Gewaltanwendung ist es häufig so, daß es gar nicht unbedingt planmäßig dazu gekommen ist und daß selbst den erwachsenen Beteiligten anfangs auch gar nicht so richtig klar war, was sie da eigentlich tun. Es ist ja auch schwierig, da eine Grenze festzulegen. Auch unter Erwachsenen ist das nicht so klar zu definieren. Man kann jemandem z.B. einfach nur aus Spaß einen Klaps auf den Hintern geben, und das kann dann auch als Spaß verstanden werden, genau dieselbe Handlung kann aber auch sexuell motiviert sein oder aber so aufgefaßt werden.

Zwischen Kindern und Eltern ist das genauso. Ist es beispielsweise sexueller Mißbrauch, wenn eine Mutter oder ein Vater dem Kind den Rücken massiert? Das würde die Mehrheit der Menschen wohl verneinen. Berührungen an intimen Körperzonen werden da schon kritischer gesehen. Aber auch das kommt z.B. beim Baden eines kleinen Kindes unweigerlich vor. Verbieten kann man das natürlich nicht.

Die Grenze ist eigentlich da, wo das Kind irgendwie Schaden nimmt. Nun werden Kinder aber nicht mit einer Warnlampe auf dem Kopf geboren, die sofort grell aufleuchtet, wenn dem Kind irgendwie geschadet wird.

Ich denke, viele Erwachsene, die Kinder für ihre eigene sexuelle Befriedigung benutzen, haben das nicht von Anfang an geplant. Es hat sich einfach so ergeben. Sie haben eben festgestellt, daß gewisse Berührungen für sie irgendwie lustvoll waren und daß sie vom Kind vielleicht sogar auch als angenehm empfunden wurden. Meist wissen die Kinder ja gar nicht, was da mit ihnen passiert. Der eigentliche Schaden an der Psyche entsteht doch oft erst, wenn ihnen das mit zunehmendem Alter klar wird.

Dieser Schaden wird nun aber oft gar nicht direkt durch die Mißbrauchshandlungen verursacht (jedenfalls, wenn keine Gewalt und kein Zwang im Spiel waren), sondern vor allem durch die Normen der Gesellschaft. Kann man das also wirklich immer nur den Mißbrauchs-Täter(inne)n anlasten?

Ich denke, gerade in Fällen, wo keine Gewalt und kein Zwang im Spiel waren, wäre es besser, grundsätzlich keine Haftstrafen zu verhängen, sondern die Mißbrauchs-Täter(inne)n einfach in Therapie zu geben, damit sie Hilfe dabei bekommen, die Kinder aus ihrer Sexualität auszuklammern. Ob es nötig ist, ihnen den Kontakt zu den Kindern zeitweilig zu untersagen, müßte dann am Anfang der Therapie entschieden werden.

Und dann gibt es noch Fälle, die meiner Meinung nach überhaupt nicht juristisch verfolgt werden dürften. Es ist ja schon vorgekommen, daß minderjährige, frühreife Mädchen aus eigenem Willen heraus eine sexuelle Beziehung mit deutlich älteren Männern aufgenommen haben, daß das herauskam, die Männer zu teilweise jahrelangen Haftstrafen verurteilt wurden und dann später diese Frauen geheiratet haben, sobald ihnen das gesetzlich erlaubt war.

Übrigens war mein Opa gerade 15 Jahre alt, als meine Mutter geboren wurde... Meine Oma war damals 18.

Es ist einfach Unsinn, eine gesetzliche Grenze festzulegen, von der an Sex erlaubt ist. Und Gesetze, die darauf aufbauen, können somit auch nicht immer sinnvoll sein. Vor allem dann nicht, wenn sie auch noch auf einem der alten Dogmen der katholischen Kirche basieren, nach dem Sex zur reinen Lustbefriedigung grundsätzlich Sünde und damit abzulehen ist.

Und wenn diese Gesetze auch noch verschärft werden sollen, dann kann sich der Unsinn durchaus zum Schwachsinn steigern. Aber das entspräche ja dem Trend unserer Zeit...

Freundliche Grüße
von Garfield


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