Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Rolf Hochhuth ist vor der geballten Macht der richtigen Meinung eingeknickt

Max, Thursday, 10.03.2005, 10:33 (vor 7589 Tagen) @ Sven

Als Antwort auf: Udo Jürgens ist vor der geballten Macht des Matriarchats eingeknickt von Sven am 09. März 2005 17:24:18:

Udo macht einen Rückzieher, lässt alle jungen und alten Männer im Stich, die stolz auf ihn waren, die auf eine Trendwende, ein Ende der biologischen Diskriminierung gehofft hatten."Ich entschuldige mich bei all jenen Frauen, deren Gefühle ich verletzt habe. Ich bedaure das zutiefst", sagt er. Und wimmert: "Ich hatte Stress, war nicht richtig konzentriert bei dem Interview," sagt er der "Bild"-Inquisition. Alles nicht so gemeint: Sex verändert sich im Alter, man wird reifer, blablabla.

...ja, es berührt einen schon peinlich, wenn man mit anschauen muß, wie Männer zum öffentlichen Zurückrudern genötigt werden. Das gilt für Udo Jürgens genauso wie für Rolf Hochhuth. Hochhuth hatte mit seinen Äußerungen zum Holocaustleugner David Irving für Aufruhr gesorgt.

Die politisch äußerst korrekte Kultursendung "Titel, Thesen, Temperamente" brachte daraufhin ein kurzes Interview mit Hochhuth, in dem er den einen, inkriminierten Satz zu Irving "richtig stellte" und seine eigene Äußerung als "idiotisch" bezeichnete. Nach dem üblichen, ultimativen "Distanzieren Sie sich gefälligst!" distanzierte er sich halt von sich selbst.

Es brach mir das Herz, zu sehen, wie da ein alter Mann vor der politisch korrekten Inquisition, die mich ihrerseits immer mehr an die Ankläger in stalinistischen oder nazistischen Schauprozessen erinnert, sich wegen eines einzigen Satzes, der ihm mißverständlich rausgerutscht war, öffentlich selbst demontieren mußte, obwohl ihn sein Lebenswerk als Nazigegner bereits ausweist. Immerhin hatte Hochhuth mit dem Bühnenstück "Der Stellvertreter" einen Klassiker des bundesdeutschen Nachkriegstheaters geschaffen.

Vermutlich sah er sich zu der Verbeugung vor der Inquisition genötigt, nachdem die DVA (Deutsche Verlagsanstalt) angekündigt hatte, die bereits fertige Hochhuth-Biographie nicht mehr verlegen zu wollen. Womöglich hatte er auch die Gefahr erkannt, daß die politisch korrekte Medienmacht sich zukünftig lediglich noch auf seine inkriminierte Irving-Äußerung beziehen und ihn, den lebenslangen Antifaschisten, zum Ende seines Lebens hin, als Nazifreund abstempeln würde. Damit wäre sein Lebenswerk, mit dem er auch sich selbst (und völlig zu Recht), ein Denkmal gesetzt hätte, in der Bedeutungslosigkeit verschwunden - wegen eines einzigen Satzes.

Wie widerlich Hochhuth selbst seinen Interview"partner" gefunden haben muß, das konnte man an seiner Miene sehr gut ablesen. Hochhuth hat mir aufrichtig leid getan.
Die Tragödie des Alters: Anstatt sich das gutmenschliche Inquisitionsgesocks literarisch nochmal vor die Brust zu nehmen, muß der alte Mann einsehen, daß ihm die Zeit nicht mehr bleiben wird, hier einen moralischen Sieg davonzutragen und daß er sich und sein Werk nur noch dadurch retten kann, daß er den Kotau vor diesen kleingeistigen Korinthenkackern vollführt.

Angewidert - Max


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