Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Interessanter Artikel

Garfield, Tuesday, 29.03.2005, 19:02 (vor 7570 Tagen) @ Nikos

Als Antwort auf: Re: Interessanter Artikel von Nikos am 29. März 2005 12:51:

Hallo Nikos!

In der DDR war es ja so, daß jeder ein Recht auf Arbeit hatte. Das bezog sich auch auf Frauen. Es gab auch ausreichend Kindergarten- und Kinderkrippen-Plätze. Trotzdem waren auch in der DDR viele Frauen mit Kindern nur halbtags tätig, oder sie blieben die ersten Jahre mit den Kindern zu Hause. Und Frauen von gut verdienenden Männern arbeiteten auch in der DDR häufig nicht beruflich. Nicht, weil sie dazu gezwungen wurden, zu Hause zu bleiben, sondern weil sie ein Leben als Vollzeithausfrauen einfach angenehmer fanden.

Bis ins 20. Jahrhundert hinein gab es im einfachen Volk praktisch gar keine Vollzeit-Hausfrauen. Weil die Einkommen der Männer zu niedrig waren, um die Familien allein zu ernähren.

Erst als dann die Durchschnittseinkommen stiegen und die Mittelschicht breiter wurde, gab es dann immer mehr Hausfrauen. Wieso wohl sollten die Männer ihre Frauen nun plötzlich an den Herd verbannen? Die Frauen zogen sich gern an den Herd zurück, und sehr schnell galt es für einen Mann als Zeichen von Fleiß und Tüchtigkeit, wenn seine Frau nicht erwerbstätig sein mußte. Diese Einstellung ging ganz besonders auch von den Frauen aus.

Wie kam es nun zu dieser völligen Neubewertung der Erbwerbsarbeit?

Bis ins 19. Jahrhundert hinein hatten die Menschen noch eine sehr realistische Einstellung zur Erwerbsarbeit. Man sah sie als notwendiges Übel, das man nun einmal auf sich nehmen muß. Wer nicht arbeiten mußte, zeigte das auch stolz. Blässe galt bekanntlich lange Zeit als vornehm, weil man damit demonstrierte, daß man es nicht nötig hatte, tagsüber im Freien (bzw. überhaupt irgendwo) erwerbstätig sein zu müssen. Daher stammt auch der Begriff "blaublütig" für "adelig". Reiche Adelige, die von der Arbeit ihrer Untertanen lebten, arbeiteten selbstverständlich nicht selbst und hatten so auch vornehm-blasse Hände, auf denen sich die Adern bläulich abzeichneten. Bei einem Bauern, der tagsüber in der Sonne auf dem Feld arbeiten mußte, waren die Hände dagegen von der Sonne gebräunt, so daß man die Adern kaum sah. Viele Adelige betonten noch im 19. Jahrhundert stolz, daß sie für ihre hohen Einkommen niemals arbeiten mußten.

Das änderte sich erst durch zwei Faktoren:

1. Der Aufstieg des Bürgertums. Als immer mehr Menschen bürgerlicher Herkunft große Reichtümer anhäuften, während viele Adelige, die vor allem von den Erträgen ihrer landwirtschaftlichen Güter lebten und so oftmals den Aufsprung auf den Zug der Industrialisierung verpaßten, zunehmend Schulden machten, konnte man diesen schwerreichen Bürgern den Eintritt in die oberste Schicht der Gesellschaft nicht mehr verwehren. Die etablierten Adeligen nahmen sie aber nur höchst ungern in ihre Kreise auf. Sie bezeichneten sie naserümpfend als "Neureiche" und fühlten sich ihnen überlegen, weil sie im Gegensatz zu vielen dieser reichen Bürger nie für ihren Lebensunterhalt gearbeitet hatten. Manche "Neureiche" reagierten darauf, indem sie den Lebensstil der Adeligen kopierten und sich genauso in Müßiggang übten. Andere dagegen bezeichneten diese etablierten Adeligen verächtlich als Schmarotzer.

2. Der Aufstieg der kommunistischen Ideologie. Dieser Aufstieg wurde erst möglich durch die schlechten Lebensbedingungen vieler Arbeiter im 19. Jahrhundert. Die Vordenker der kommunistischen Bewegung stammten oft aus dem Bürgertum, und so übernahmen sie die Haltung der selbstbewußten Angehörigen dieses Bürgertums zum Adel. Arbeit galt ihnen nicht als etwas Schändliches, sondern als etwas Positives, etwas, das den Menschen überhaupt erst zum Menschen gemacht hat. "Arbeit adelt" hieß es nun immer öfter.

Aber sie wandten diesen Leitspruch auch auf die Besitzer von Fabriken an, die vielleicht ursprünglich auch mit eigenen Händen ihre Fabriken mit aufgebaut hatten, mittlerweile aber nur noch andere für sich arbeiten ließen und damit hohe Gewinne einfuhren.

Die Fabrikbesitzer mußten dem etwas entgegen setzen und etablierten das Idealbild vom hart arbeitenden Unternehmer, der hohe Verantwortung trägt und deshalb auch höher entlohnt werden müsse als seine Arbeiter und Angestellten.

So wurde Arbeit plötzlich allgemein als etwas Positives hingestellt und das alte Faulheits-Ideal des Adels wanderte in den Mülleimer der Geschichte.

Feministinnen sahen das ganz unterschiedlich. Während manche Feministinnen die Befreiung der Frau von der lästigen Erwerbsarbeit als Ideal betrachteten, übernahmen andere von der kommunistischen Bewegung die Überzeugung, daß Erwerbsarbeit für den Menschen essentiell wichtig wäre. Also auch für die Frau.

Die Mehrheit der Frauen interessierte das wenig. Als dann die Nazis an die Macht kamen, war mit anderen Ideologien als dem Nationalsozialismus sowieso erst einmal Schluß.

Nach dem Krieg änderte sich daran zunächst auch nicht viel. Als dann aber die Wirtschaft vor allem durch den wachsenden Binnenmarkt in Schwung kam und dann auch das Exportgeschäft anlief, brauchte man Arbeitskräfte. Nicht nur um die Arbeit zu erledigen, sondern auch um die Lohnkosten zu senken. Denn da es Arbeitskräftemangel gab, war man gezwungen, die Beschäftigten gut zu bezahlen, was natürlich die Gewinnspannen schmälerte.

Zum einen löste man das Problem durch Import von Arbeitskräften aus dem Ausland. Zum anderen griff man aber auch die alten Forderungen von linken Feministinnen nach Vollzeitarbeit für alle Frauen auf. Es gab ja tatsächlich noch in den 1950er Jahren ein Gesetz, das Frauen ohne Erlaubnis des Ehemannes die Berufstätigkeit verbot. Nicht zuletzt auf Druck der Wirtschaft wurde dieses Gesetz abgeschafft.

Als dann die Arbeitslosigkeit wunschgemäß wieder anstieg, nutzte man das, um die Löhne zu drücken, wo immer das möglich war. In der öffentlichen Diskussion darüber durfte das aber nicht so zum Ausdruck kommen. Das hätte der SED-Propaganda nur noch mehr Munition geliefert. Also nutzte man die Medien, um die mittlerweile etablierten Auffassungen von Erwerbsarbeit noch zu verstärken: Ein Arbeitsplatz sollte nun nicht mehr als Mittel zum lästigen Geldverdienen betrachtet werden, sondern als Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. So konnte sich der Unternehmer quasi als Wohltäter der Menschheit präsentieren, der seinen Mitarbeitern gnädigerweise diese Möglichkeit zur Selbstverwirklichung gibt. Dafür auch noch viel Geld zu verlangen, sollte als unangemessen erscheinen.

Manche Feministinnen übernahmen auch das und stellten es von nun an als erstrebenswertes Ziel für jede Frau dar, auf Vollzeit berufstätig zu sein. Und sie warfen umgekehrt den Männern vor, ihren Frauen diese Möglichkeit zur Selbstverwirklichung aus purem Egoismus heraus vorzuenthalten. Die Meinung der Durchschnittsfrau dazu interessierte dabei nicht - Hauptsache, die Feministinnen hatten ein Betätigungsfeld.

Aber viele Frauen übernahmen diese Ansichten. Nicht etwa, weil sie so scharf darauf waren, voll berufstätig zu sein. Nein, die meisten Frauen wollte das nach wie vor nicht unbedingt. Aber wenn Berufstätigkeit nun nicht mehr als Last, sondern als Lust galt, dann mußte sich ja nun keine Hausfrau mehr schlecht fühlen, wenn sie durch die modernen Haushaltsgeräte immer weniger Zeit für die Hausarbeit brauchte, während der Ehemann immer noch mindestens 8 Stunden am Tag knüppeln mußte. Und nicht nur das: Wenn der Ehemann damit so bevorzugt war, dann konnte frau obendrein noch mehr Forderungen an ihn stellen! Ohne irgendetwas dafür zu tun - idealer ging es doch gar nicht mehr.

Und so geistert heute eben die Vorstellung von Erwerbsarbeit als reinste Wonne durch manche Köpfe. Vor allem durch die Köpfe derer, die selbst noch nie schwer gearbeitet haben.

Zu Kindergärten:

Ich finde nicht, daß sie für Kinder schädlich sind. Ich kann mich noch gut an meinen ersten Tag im Kindergarten erinnern. Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen, in dem es außer mir kein einziges Kind in meinem Alter gab. Ich war total begeistert, als ich im Kindergarten endlich mal mit Gleichaltrigen spielen konnte. Abends, als meine Mutter mich abholte, wollte ich gar nicht wieder weg.

Der Kindergarten kann Eltern nicht ersetzen. Aber es ist auch nicht gut für Kinder, zuviel Zeit mit den Eltern zu verbringen. Viel hilft eben nicht immer viel. Ich denke, daß Kinder im Kindergarten viel lernen - vor allem im Umgang mit anderen Kindern - und daß es besser ist, wenn Kinder tagsüber im Kindergarten sind als wenn sie den ganzen Tag über am Rockzipfel der Mutter hängen.

Ich glaube auch nicht, daß damit die Neigung mancher Leute, einfach Sozialhilfe zu kassieren, zu erklären ist. Wenn die Menschen sich mehr auf den Familienverband als auf den Staat verlassen würden, dann würden sie eben nicht beim Sozialamt, sondern bei ihren Angehörigen die Hände aufhalten. Und viele tun das ja tatsächlich auch.

Zum einen ist es so, daß Menschen eben grundsätzlich zur Faulheit neigen. Trotzdem würde sich so mancher Sozialhilfeempfänger noch zur Arbeit aufraffen. Aber: Erstens wird es immer schwieriger, einen Job zu finden und zweitens steigt die Steuerlast auch immer höher, so daß immer mehr Menschen mit Vollzeitarbeit auch nicht viel mehr haben als mit Sozialhilfe. Wenn man sagt, daß die abhängig Beschäftigten alles bezahlen, wird das häufig als Klischee betrachtet, dabei ist es tatsächlich so. Unternehmen geben ihre Steuerlast über die Preise an die Kunden weiter, und der Unternehmer selbst finanziert seine privaten Steuern natürlich auch aus dem Teil des Unternehmensgewinns, den er als eigenes Gehalt einbehält. Somit gibt er seine Steuerlast auch an die Kunden weiter. Wenn diese Kunden ebenfalls Unternehmen sind, geben die diese Kosten + ihre Steuern natürlich wiederum an ihre Kunden weiter. Irgendwann kommt die Steuerlast dann unweigerlich bei den abhängig Beschäftigten an, die keine Unternehmen haben und diese Last deshalb nicht mehr so einfach weiter geben können. In früheren Zeiten, als es noch Arbeitskräftemangel gab, konnte man dann zum Chef gehen und sich durch eine Gehaltserhöhung noch wieder ein bißchen zurück holen. Das ist jetzt kaum noch drin.

Da sich zum einen an der Arbeitslosigkeit, zum anderen aber auch an der korruptionsbedingten Mißwirtschaft in nächster Zukunft nichts ändern wird, wird das immer schlimmer werden. Das alles wird immer mehr Geld kosten, das immer weniger Menschen aufbringen müssen. Das kann so nicht mehr lange funktionieren.

Durch Kürzungen in der Sozialhilfe kriegt man dieses Problem nicht in den Griff. Das senkt zwar die Kosten zunächst, aber wenn dann kurzzeitig mehr Geld da ist, wird auch prompt noch mehr Geld volkswirtschaftlich sinnlos verpraßt werden. Die Steuerlast wird sich also kaum verringern, sondern immer weiter erhöhen. Dazu wird dann noch ein enormer Anstieg der Kriminalität kommen.

In so einer Atmosphäre der Abzockerei werden sich folgerichtig immer mehr Menschen dafür entscheiden, auch auf Kosten anderer zu leben, wie ihnen das die Herrschenden im Lande ja obendrein auch noch vorleben. Von dieser Abzocker-Mentalität bleiben natürlich auch die Kinder nicht verschont. Mit Kindergärten hat das nichts zu tun.

Freundliche Grüße
von Garfield



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