Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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@Scipio Africanus - Re: @ekki off topic

Ekki, Thursday, 31.03.2005, 20:09 (vor 7568 Tagen) @ scipio africanus

Als Antwort auf: Re: @ekki off topic von scipio africanus am 30. März 2005 12:43:

Hallo, Scipio Africanus!

Hallo Ekki, du erlaubst, dass ich mich kurz in diese Diskussion einschalte.

Ich erlaube! *schmunzel*

Ich kann absolut nicht verstehen, warum du bei Arbeitslosen, die sich deiner Ansicht nach zuwenig um Arbeit bemühen, ein kriminelles Verhalten vorliegen soll. Du sitzt der kapitalistischen Propaganda auf!

Habe kein Problem damit, mich zum Kapitalismus zu bekennen.

Tatsache ist, dass es zuwenig Arbeitsstellen gibt. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Lohnarbeiter lange Arbeitswege in Kauf nimmt, um seinen Job zu verrichten. Es ist sogar volkswirtschaftlicher Unsinn, dies zu fordern, solange es in näherer Umgebung der Arbeitsstelle genügend Menschen gibt, die diese Arbeit verrichten wollen und den Anforderungen genügen. Das ist in der Regel beim heutigen Arbeitgebermarkt der Fall.

Erst gestern kam wieder eine Sendung - ZDF Reporter - wo ein Arbeitsloser aus Leer sich vor die Kamera setzte und frank, frei, frisch und frech meinte: "Aus Leer wegziehen wegen Arbeit? Nee. Ich hab' hier meinen Freunde und hier bleib' ich."

Darüber, wieviele Leute so denken, läßt sich endlos streiten.

Eins bleibt aber festzuhalten:

Wer im Wissen darum, daß an einem mehr oder weniger weit von seinem derzeitigen Wohnort eine seiner Qualifikation entsprechende Arbeit auf ihn wartet, die Annahme derselben verweigert, der schädigt zumindest[/u]:

a) sich selbst;
b) die Region, in der er derzeit lebt: er trägt nichts zu deren Wohlstand bei;
c) die Region, wo er hinziehen könnte: er trägt nichts zu deren Wohlstand bei, obwohl er es könnte.

Und wenn er Familie hat, dann schädigt er auch die.

Der Arbeitnehmer, der überlange Arbeitswege ablehnt und die Arbeitsaufnahme verweigert, handelt volkswirtschaftlich sinnvoll. Der Arbeitgeber wird fast immer einen Arbeitnehmer in der näheren Umgebung finden, der den Ansprüchen vollauf genügt. Überlange Arbeitswege rechtfertigen sich nur bei hochqualifizierten Arbeitnehmern, wo die Arbeitsstelle nicht ohne weiteres angemessen besetzt werden kann.

Ach nee! Den Hochqualifizierten kann man sogar überlange (!) Arbeitswege zumuten - da würde selbst ich sagen: 'Lieber umziehen als exzessiv lange Anfahrtswege zu haben.' - während den weniger Qualifizierten (wer immer das ist!) nicht mal moderate Pendelstrecken zuzumuten sind?!

Mit der gängigen Argumentation, dass zu bequeme Arbeitnehmer ein wesentlicher Faktor für die Massenarbeitslosigkeit sind, wird eine AUSGRENZUNG bezweckt, nämlich die Ausgrenzung des Dissidenten. Der Dissident im kapitalistischen System ist der unangepasste arbeitslose Arbeitnehmer. Arbeitslosigkeit stellt das kapitalistische Gesellschaftssystem grundsätzlich in Frage. Der Arbeitslose Mensch ist das, was der Dissident im sozialistischen System war, die Mensch gewordene Antithese. Der Arbeitslose muss deshalb als morlisch verdorben dargestellt werden, etwas, dass in den sozialistischen Staaten Dissidenten immer unterstellt wurde.

Wenn man der Meinung ist, daß Arbeit ein Menschenrecht sei, dann ist die Arbeitsverweigerung ein im höchsten Maße unsoziales Verhalten.

Wenn jemand aus Prinzip "unangepaßt" sein will, dann ist das genauso "intelligent und sozial", wie eine um jeden Preis konformistische Haltung - und läuft im Endeffekt aufs Selbe hinaus.

Der psychische Druck durch die soziale Ausgrenzung führt bei immer mehr von Arbeitslosigkeit betroffenen zu psychischen Erkrankungen und oft in die psychiatrische Klinik. Dazu gibt es genügend überzeugende Statistiken. Parallelen zur Psychiatrisierung von Dissidenten in der ehemaligen Sowjetunuion sind unverkennbar und durchaus angebracht, auch wenn die Phänomene nicht gänzlich gleich zu bewerten sind.

Der Begriff "Dissident" wurde einst verwendet, um Gegner eines Systems zu bezeichnen, das den Menschen die elementarsten Menschenrechte verwehrte.

Ich gelte übrigens im realen Leben als unverbesserlicher Verharmloser der kommunistischen Herrschaft. Aber selbst mir geht es über die Hutschnur, wenn der Widerstand gegen den Kommunismus auch nur ansatzweise verglichen wird mit einer Oppositionshaltung im heutigen System - das nicht ideal ist, aber diesen Vergleich meiner Überzeugung nach eben doch nicht verdient.

Die einzige Hilfe gegen Arbeitslosigkeit - die in der Tat zu schweren psychischen Störungen führt![/i] - ist Arbeit[/u], nicht aber[/u] die Eröffnung der Möglichkeit, nicht zu arbeiten und trotzdem Geld zu kriegen.

Ich betone, dass ich nichts ironisch beschreibe.

Ich auch nicht.

scipio, mit einer etwas anderen Sicht der Dinge

Ekki, FDP-Wähler


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