Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Oh Rom, wüßtest Du es nur besser!

Chato, Tuesday, 01.12.2009, 15:03 (vor 5478 Tagen) @ Roslin

Guten Tag Roslin!

Wir haben nicht denselben Glauben, Roslin.


Das müssen wir auch nicht, Nick.
Wir müssen uns nur tolerieren, einander aushalten.
Nicht einmal direkt um unseretwillen, sondern um des lieben Friedens in
der Gesellschaft willen, in der wir leben.
Dazu müssen wir uns nicht einmal respektieren.
Wenn wir das darüber hinaus auch noch schafften, um so besser.

Mit Dir gelingt mir das, obwohl ich Deine Ansichten nicht teile und gegen
sie argumentieren werde überall dort, wo ich ihnen begegne und um
Mehrheiten für diese Ansichten gerungen wird.
Ich hoffe, es gelingt auch Dir mich zu respektieren, auch wenn Du mich
vielleicht von der Hölle bedroht siehst und die Stimme des Unheils aus mir
sprechen hörst.
Dann bete für mich, aber halte mich aus, so wie ich Dich aushalte.

Toleranz ist ein pragmatisch überlebnsnotwendiger, aber kein absoluter Wert. Wenn Toleranz die Wahrheitsfrage ausblendet und sie nicht mehr stellt "um des lieben Friedens Willen", wird die Toleranz zu einer falschen. Warum? Weil sie damit auslöscht, was zu schützen sie vorgibt. Die Wahrheitsfrage ist keine Frage des Krieges, aber eine Frage der Wahrhaftigkeit und der Selbsttreue ist sie sehr wohl. Jesus Christus hat um ihretwillen den freiwilligen Martertod auf sich genommen, auf daß die Wahrheit nicht preisgegeben werde. Das ist seither das christliche Maß in der Wahrheitsfrage - beinhart und unerbittlich, aber vollkommen friedlich. Das vorweg.

Ich frage mich jetzt allerdings, wie du eigentlich auf die wunderliche Idee kommst, ich respektierte oder tolerierte dich nicht. Wenn ich unsere hiesigen Dispute in der Vergangenheit summarisch zusammenfassend rekapituliere, dann scheint mir das genaue Gegenteil geradezu ins Auge zu springen. Es wäre deshalb wirklich sehr nett von dir, wenn du nun geschwind mal einen Link für mich setztest, wo du Derartiges bei mir gefunden zu haben glaubst.

Ich respektiere dich durchaus, und das ohne jede Mühe, denn du machst dir manch kluge Gedanken, denen ich keineswegs derart selten, wie du es offenbar unterstellst, entweder zustimmen oder ihnen doch viel Wahres abgewinnen kann. Mir scheint, du unterstellst hier womöglich dein eigenes Vorurteil, ein traditioneller Katholik sei, da er ja ein solcher ist, ein primitiv strukturierter Vollidiot und stecke deshalb a priori voller Vorurteile, nach denen er unreflektiert alles von ihm Abweichende intolerant niedermacht, es begründungslos ablehnt und ihm den Respekt verweigert. Mir scheint indes weiters, du tätest damit vielleicht das, was du mir damit unterstellst? Könnte das womöglich so der Fall sein? Wenn ja: warum machst du so etwas?

Ein aktuelles Beispiel für meine weitgehende Zustimmung (oft nicht eigens hier von mir zum Ausdruck gebracht, da nun einmal alles sehr vielschichtig, differenziert und deshalb nicht plakativ aussagbar ist) sind deine heutigen Gedanken zur Abstimmung in der Schweiz über das Minarettverbot. Minarette und überhaupt die islamische Einwanderung in Europa sind primär selbstverständlich kein Fehler der Muslime, sondern die Konsequenz der dekadenten Selbstaufgabe der "wertefreien" (= gottlosen und damit wertlosen) Europäer. Wer seine Religion preisgibt und deswegen keine Identität mehr besitzt und auch ausdrücklich keine besitzen will, einfach weil der privatisierende Hedonistenhorizont bei den privaten Lüstchen und Perversiönchen endet, der kann per se nicht diskriminieren (= unterscheiden). Für den ist "alles gleich". Und damit das auch in Zukunft für ihn garantiert so bleibt, verbietet er jedem anderen ebenfalls jegliche Unterscheidung. Wer sowieso nicht in die Kirche geht, für den sind Moscheen, Kirchen und Scheißhäuser im Grunde genommen dasselbe. Das muß man folglich "alles gleichbehandeln". Wenn man neben ein Pissoir theoretisch ein Minarett bauen darf, dann muß man es folglich auch neben eine Moschee bauen dürfen. Was für eine lächerlich unterscheidungsunfähige ("antidiskriminierende") Denke! Auf der anderen Seite dann der reaktive Versuch, mit rechtem Haudraufkollektivismus einen Ersatz für die längst preisgegebene Identität zu erzwingen. Beide Irrwege hängen natürlich tiefinnerlich miteinander zusammen.

Aus der kläglichen, kollektiven Selbstaufgabe, deren Grund der gottlose Materialismus mit seinem narzißtischen Hedonismus ist, folgt freilich leider auch, daß es keinerlei reales Potential, keine "Manpower" mehr für die von dir angeregte, weise geübte Toleranz gibt. Die ist in solcher Lage nicht weniger närrisch und undurchführbar, wie zum Beispiel ein schriller "PI-Radikalismus". Letzterer nimmt die eigene Verantwortung für die eigene Lage genau so wenig ins Blickfeld, wie es die völlig verblödeten "Ausländer-sind-liiieb"-Trottel tun. Wer nichts taugt, weil er (sich) nichts wert ist, der besitzt auch keinerlei Basis, von der aus er irgend etwas in Ordnung bringen oder tolerieren könnte. Tolerant ist grundsätzlich nur der Starke, der in sich Gefestigte, der weiß, wer er selbst ist und was ihm das wert ist. Wem das eh bedeutungslos ist, der kann gar nicht tolerant sein, sondern der kann bloß winseln, kriechen und draufgehen. Dem ein "Hauruck" entgegenzusetzen hätte allenfalls dann einen Sinn, wenn dasselbe die eigenen Destrukteure schachmatt setzte und bei den übrigen eine vollständige Umkehr aus allerdings inzwischen fatal gewordener Lage bewirken könnte.

Meine Feststellung, wir beide hätten nicht denselben Glauben, war eine schlichte Feststellung. Punkt. Und du stimmst ihr natürlich zu. Was denn auch anderes sonst? Die grundsätzliche Frage, die sich damit auftut, gehört in ihrer ganzen Tiefe und Tragweite indes nicht in dieses Forum. Falls ich die Zeit dafür finden sollte, werde ich vielleicht später einmal in der Blauen Burg dazu Stellung nehmen. Hier nur kurz das Wichtigste dazu:

Evident ist wahr, daß die nachkonziliare Lehre und Liturgie der römisch-katholischen Kirche eine vollkommen andere ist, als die in den 2000 Jahren zuvor. Das müssen nun nicht ausgerechnet diejenigen rechtfertigen und verantworten, die aus vielerlei wohl erwogenen Gründen an der katholischen Glaubenslehre und an der überlieferten Heiligen Messe festgehalten haben, sondern selbstverständlich diejenigen, die das um ihrer neuen Lehre willen aufgegeben, abgeschafft und zerstört haben. Aber sie tun es halt nicht, sondern die Tradition wird von ihnen nachgerade verfolgt und geschmäht und mit ziemlich üblen Manövern diskussionslos aus der Kirche heraus-, und wo das nicht geht, an ihren Rand gedrängt und verleumdet. Wer so handelt, der muß aus inneren Gründen so handeln und gibt damit Auskunft über sein Gewissen. Für die Wahrheit legt er damit natürlich kein Zeugnis ab.

Mir ist die hochkomplexe und wahrlich extrem schwierig gewordene Situation meiner Kirche in dieser säkularen Welt sehr bewußt und ich kann deshalb nicht Weniges von den konziliaren Neuerungen rational nachvollziehen und es v.a. auch menschlich durchaus begreifen. Zustimmen kann ich gleichwohl nicht. Warum? Das ergibt sich für mich aus der Antwort auf die entscheidende Frage, wozu es diese uralte Kirche eigentlich überhaupt gibt. Ist deren Sinn und Zweck, "die Welt zu retten", wie man neuerdings ganz offen und freimütig behauptet und es die Gläubigen lehrt ("agitiert" wäre wohl oftmals treffender)? Oder ist nicht vielmehr der einzige Sinn und Zweck der Kirche immer der gewesen, menschliche Seelen aus dieser Welt zu retten? Ich sehe es so und widersage dem ersteren. Von der Antwort auf diese Frage hängt es natürlich ab, an was man glaubt. An beides zusammen und zugleich kann man nicht glauben, weil diese beiden Finalitäten vollkommen konträr zueinander sind und sich gegenseitig ausschließen. Entweder man tut das eine oder das andere. Beides zugleich ist nicht möglich.

Auf diesem Hintergrund ist mein obiger Satz zu verstehen, daß ich keinen Frieden mit der Aufklärung machen könne, sofern nämlich darunter zu verstehen wäre, daß letztere der heutige Inhalt des Katholischen zu sein habe. Das ist definitiv nicht wahr und wird auch niemals wahr werden. Soweit damit lediglich gemeint gewesen wäre, irrationalem Obskurantismus eine Absage zu erteilen, bräuchte ich dafür nicht eigens und ausgerechnet die europäische Aufklärung, denn das versteht sich im christlichen Glauben mit seiner Vernunftorientierung ohnehin von selbst (was natürlich - wie immer - nicht bedeutet, daß es niemandem möglich wäre, dagegen zu verstoßen). Anstatt der weisen und abgründigen Glaubenslehre huldigt man in der Kirche nun also "der Aufklärung" - und reiht sich damit in die weltweite Ideologisierung der Religionen ein. Am Horizont erscheint das Wahnbild einer synkretistischen "Einheitsreligion", die jeden Wahrheitsanspruch aufgegeben hat und sich nur noch rein utilitarisch legitimiert. Das wäre dann das Ende.

Die europäische Aufklärung war die erklärte, prinzipielle Absage an Gott und seine Ersetzung durch den Menschen, der sich angeblich "das Paradies" hier auf Erden mittels seiner Vernunft selbst zu schaffen fähig sei. Unterstellt war damit die häretische Annahme, der Mensch sei unbefleckt empfangen und deshalb aus sich heraus gut, so man ihn denn nur sich frei entwickeln lasse. Herausgekommen ist dabei die Hölle auf Erden. Warum? Weil der Mensch nun einmal nicht gut, sondern ein von der Erbsünde tödlich verwundetes, extrem dummes und arrogantes Ungeheuer ist. Aus der Leugnung dessen folgt zwanglos die Leugnung Gottes und die Selbstvergötzung des Menschen mit allen Konsequenzen. Diese Selbstvergötzung ist das Wesen der Aufklärung, und nicht etwa die "Vernunft". Nie zuvor hat es derart notorischen, bizarren Obskurantismus gegeben, wie gerade in den letzten "aufgeklärten" Jahrhunderten. Eine entsetzliche Freakshow löst die andere mit immer höheren Leichenbergen ab. DAS bedeutet "Aufklärung"! Diese Wahrheit nicht mehr klarzumachen, sich selbst nicht und der Menschheit nicht, sondern mit dieser finalen Häresie auch noch zu kungeln, ist in meinen Augen der entscheidende Verrat der nachkonziliaren Kirche und ihres "Aggiornamento".

Auch das, über was wir hier diskutieren: Feminismus, Genderideologie und der damit heraufziehende neue Supertotalitarismus, ist eine direkte Konsequenz und Verfallsstufe der europäischen Aufklärung. Dasselbe gilt nicht weniger für die totalitären Ideologien des vergangenen Jahrhunderts. Das ist nun keine "blinde, emotionale Antipathie" meinerseits (wie kann man nur so ticken oder einem anderen ungeprüft unterstellen, er täte es? was sind denn die inneren Motive dessen, der es unterstellt?), sondern das ist die schlichte historische Wahrheit. Auf diesem Hintergrund bedeutet "Frieden schließen mit der Aufklärung" für die Kirche nichts weniger, als sie radikal zu säkularisieren und nun ebenfalls den Menschen an Gottes Stelle zu setzen.

Das setzt natürlich einen tiefgründenden Atheismus voraus, aber der ist in diesem Falle ganz besonders pervers, denn anders als beim weltanschaulich aufrichtigen Atheisten ist dieser hier zutiefst unaufrichtig und zynisch. Das geht dann in etwa so: "Ich glaube zwar nicht an Gott. Aber ich bin Bischof und kann das nicht laut sagen. Außerdem ist Gott ganz fraglos die beste Idee gewesen, die der Mensch je hatte, und ich bin ja nun einmal sozusagen sein offizieller Ersatz. Daraus ergibt sich für mich als moralische Pflicht, daß ich der Menschheit diese beste Idee aller Zeiten weiterhin bewahre und auf diese Weise einen ganz entscheidenden Beitrag zum Frieden und zum Glück der Menschen leiste."

Für derart rückständige, reaktionäre Idioten wie mich, die tatsächlich an Gott glauben und denen er das Zentrum der menschlichen Existenz ist, bedeutet solch abgründige Hybris natürlich den Gipfel der Blasphemie. Mir ist bewußt, daß solche Denke kaum je einmal gänzlich ungebrochen und offen zynisch zutage treten wird, schon gar nicht bei einfachen "Weltbessermachern" und Idealisten, aber ich unterstelle gleichwohl, daß genau solche gedanklichen Strukturen den Kern dessen bilden, was an "Neuem" in die Kirche eingedrungen ist und ihr nun immer ideologischer die offizielle Richtung vorzugeben sich anmaßt: die Richtung auf eine synkretistische, globale Weltverbesserungsorganisation mit über einer Milliarde Mitgliedern weltweit, die fest davon überzeugt ist, sie habe der Welt mit ihrer Ideologie mehr anzubieten (wohlgemerkt nicht etwas anderes, sondern mehr davon!), als die offenen Atheisten mit ihren gescheiterten Ideologien. Hatten die doch "die beste Idee, die der Mensch je hatte" schnöde außen vor zu lassen versucht, weswegen sie leider, leider nur scheitern konnten.

Dem gegenüber halte ich daran fest, daß es die einzige und immerwährende Aufgabe der Kirche ist und bleibt, den Ausgang aus dieser vergänglichen Welt voller Irrsinn und Bosheit offen zu halten. Herkunft, Zweck und Ziel der Kirche sind transzendenter Natur. Es geht um Erlösung aus diesem hoffnungslosen Tal der Tränen und des hybriden Wahnsinns, also ums ewige, übernatürliche Leben, nicht ums diesseitige. Das bedeutet nicht, sich dem Leiden dieser Welt gegenüber gleichgültig zu verhalten, aber es bedeutet zu wissen und die Menschen zu lehren, daß hier nun einmal nichts grundsätzlich lösbar ist.

Wird das "ausgelassen" und tritt an die Stelle des Heiligen Meßopfers ein ideologisch vernünftelnder "Gemeinschaftskult", dann kommt es unweigerlich zur totalen Entartung der Kirche zu einer subjektiv zwar gutgemeinten, aber furchtbar tödlichen "katholiforme Heilsideologie" und zur völligen Gottlosigkeit. Aus uns heraus vermögen wir nichts. Das ist die zentrale Einsicht der Christen. Nächstenliebe zum Beispiel ist ein rein personales Handeln und kommt aus einem Herzen, in dem Gott auf natürliche Weise lebendig ist. Von "der Caritas", dem katholischen Wohlfahrtsmolch, kommt sie hingegen in aller Regel nicht.

Das alles ist ein sehr weites Feld mit großer Vielfalt und erheblicher Bedeutung. Ich habe hier nur Weniges angedeutet, denn sonst wäre der thematische Rahmen des Forums gesprengt worden. Rainer müßte dann vielleicht wieder einen Tag lang in die Teppichfransen beißen und Christine müßte ihn hernach mit Zwieback und Kamillentee aufpäppeln, damit er wenigstens den nächsten Tag überstehen kann... *ggg* ;-)

Ein freundlicher Gruß
vom Nick

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Wenn wir Toren wüßten, daß wir welche sind, wären wir keine.


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