Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Leitantrag für ASF-Bundeskongress über Vaterschaftstests

Tura Warneg-Tolbied, Monday, 03.07.2006, 21:33 (vor 6929 Tagen) @ Christine

Hallo,

Es ist schön, dass sich die Menschen im Lande intensiv am politischen Diskurs auch über komplizierte Rechtsfragen wie z.B. die anonymen Vaterschaftstests beteiligen. Ist das doch ein Zeichen für lebendige und gelebte Demokratie. Demokratie hat nicht nur im Parlament, in Parteien und bei Wahlen statt zu finden. Auch die einfache Bürgerin und der Mann auf der Straße haben ein Grundrecht, ihre Meinung zu den brennenden Problemen unserer Gesellschaft zu äußern. Und das ist gut so. Gerade das unterscheidet uns ja vom Obrigkeitsstaat. So wächst der demokratische Willensbildungsprozess von unten, gemäß dem Prinzip unseres Grundgesetzes: ?Alle staatliche Gewalt geht vom Volke aus.?

Ein Erfolg für uns ist, dass die DNA-Experten (auf anderem Wege) zum selben Ergebnis wir wir kommen. Doch die Frage der anonymen Vaterschaftstests ist nicht nur eine Datenschutzfrage. Es steckt noch mehr, grundsätzliches dahinter.
Bei uns, das ist die ASF (Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen) läuft die Diskussion über die Problematik von Vaterschaftsfeststellungsverfahren schon länger, wie man sich vorstellen kann, denn es handelt sich eo ipso um ein essentielles Frauenthema. Wir diskutieren das Thema schon lange vor einem tieferen, ethischen Hintergrund.

In diesem Zusammenhang möchte ich ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern und bekannt geben, dass für unseren nächsten Kongress der Antragskommission des Bundesvorstandes ein Leitantrag zur juristischen Neugestaltung der Vaterschaft vorliegt, den ich hier einmal vorstellen will:

Leitantrag zur juristischen Neugestaltung der Vaterschaft

1. Vaterschaft muss immer wieder auf dem neuesten Stand sozialwissenschaftlicher Forschung definiert werden. Vaterschaft ist ein dynamischer, kein ein für allemal feststehender Begriff wie z.B. Mutterschaft.

2. Vaterschaft ist ein sozialer Topos, im Gegensatz zur Mutterschaft. Denn Mutterschaft ist biologisch gewiss - ?mater semper certa?, wie der Lateiner sagt. Vaterschaft jedoch ist biologisch ungewiß: ?pater semper incertus?. Vaterschaft wird einem Manne alleine über gesellschaftliche Konvention zugewiesen.

3. Zu Vaterschaft gehört als entscheidendes Kennzeichen die Sorge für das Kind.

4. Sorge für das Kind kann nicht jeder Mann leisten.

5. Die Frage, welcher Mann die Sorge für das jeweilige Kind am besten leisten kann, darf nicht der Staat entscheiden, sondern liegt im Verantwortungsbereich der einzelnen Mutter.

6. Die Mutter selbst soll entscheiden dürfen, welcher Mann der Vater ihres Kindes sein soll. Dies entspricht einem modernen Verständnis von der Bedeutung des Individuums in der pluralistischen Gesellschaft.

7. Die Mutter legt die Vaterschaft eines geeigneten Mannes selbständig fest, indem sie diese beim Standesamt eintragen lässt.

8. Gegen diese Vaterschaftszuweisung kann eine Verweigerung des betreffenden Mannes nicht erfolgen, die auf fehlende ?biologische? Vaterschaft verweist. Vaterschaft ist eine rein soziale Angelegenheit, so wie Mutterschaft eine rein biologische Angelegenheit ist. Eine Vaterschafts-Zuweisungs-Verweigerung von Seiten eines Mannes soll mit Geldstrafe oder mit einem Jahr Gefängnis geahndet werden.

9. Die entsprechenden Paragraphen, insbesondere über Abstammung und Elternschaft im BGB und STGB müssen entsprechend verändert werden.

Wir glauben ganz sicher, durch die neue Definition der Vaterschaft als sozialem Topos dem Rechtsfrieden, insbesondere dem Frieden im Verhältnis zwischen den Geschlechtern, einen Bärendienst erweisen zu können.

Mit freundlichen Grüßen

Tura Warneg-Tolbied
(Frauendienstbeauftragte in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen)


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