Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Die Bevölkerungspyramide ist nicht entscheidend

Garfield, Wednesday, 12.07.2006, 16:27 (vor 6920 Tagen) @ Paul

Hallo Paul!

Das ist richtig. Und das:

"Was passiert mit dem Produktivitätszuwachs?"

ist eine sehr berechtigte Frage.

Das Problem besteht nämlich nicht darin, daß wir immer mehr Rentner haben. Würde die Masse der Bevölkerung noch denselben Anteil an der Wertschöpfung haben wie noch in den 1960er Jahren, dann läge das Durchschnitts-Jahreseinkommen heute bei über 120.000 Euro. Dann wäre es durch die so weitaus höheren Rentenbeiträge wohl selbst bei den derzeit hohen Erwerbslosenzahlen gar kein Problem, die Renten zu finanzieren, jedenfalls wenn sie dann nicht ebenfalls sehr viel höher wären. Und wenn wir noch Vollbeschäftigung hätten, könnte man so die Renten wohl auch dann finanzieren, wenn sie zusammen mit den Durchschnittseinkommen ebenfalls auf ein höheres Niveau gestiegen wären.

Die Probleme bestehen also nicht in der Altersstruktur, sondern darin, daß erstens viele Menschen erwerbslos sind und somit effektiv keine Rentenbeiträge zahlen und daß allein schon deshalb diejenigen, die noch Jobs haben, immer weniger verdienen und somit effektiv auch immer weniger Rentenbeiträge zahlen.

Durch Erhöhung der Bevölkerungszahl lösen sich diese Probleme nicht. Zwar erhöht sich dann der Konsum, aber das schafft keinen proportionalen zusätzlichen Arbeitskräftebedarf, so daß bei Bevölkerungswachstum letztendlich immer mehr Erwerbslose entstehen als Erwerbstätige. Die müssen dann auch noch finanziert werden, was die Situation verschlimmert.

Um aus diesem Teufelskreis heraus zu kommen, muß man endlich der Tatsache Rechnung tragen, daß immer weniger Personal für Produktion und Dienstleistungen benötigt wird, und zwar keineswegs nur durch Verlagerung von Jobs ins Ausland, sondern viel mehr noch durch zunehmende Automatisierung.

Von dieser Automatisierung profitieren bislang aber nur eine wenige, die dadurch immer reicher werden. Die sind nicht ins Pflichtversicherungs-System eingebunden und zahlen somit auch keine Rentenbeiträge. Das ist das große Leck, das auch die Rentenkassen leert, und um davon abzulenken, reden unsere Spitzen-Politiker, die ja letztendlich nur diesen Superreichen zuarbeiten, ständig vom demografischen Problem.

Solange immmer mehr Menschen gar keine Chance mehr haben, ihren Lebensunterhalt selbst zu erarbeiten und solange man dies nutzt, um denjenigen, die noch Jobs haben, die Löhne immer weiter zu drücken, wird es auch immer weiter bergab gehen.

Die Wirtschaft kann diese Abwärts-Spirale nicht stoppen. Das ist so wie mit den Fischern, die mit immer besseren Fangmethoden die Meere leeren und dabei immer jüngere Fische fangen, die teilweise noch gar keine Chance hatten, sich zu vermehren. Damit nehmen sie sich langfristig gesehen die Existenzgrundlage, aber sie können nicht anders, denn wer da irgendwelche Rücksichten nimmt, gerät gegenüber der Konkurrenz sofort in Nachteil und wird letztendlich pleite gehen. Jeder muß zusehen, daß er den kurzfristigen Maximal-Reibach einfährt - und dabei den Ast, auf dem er sitzt, immer mehr ansägen, in der Hoffnung, daß er noch eine Weile halten möge.

Da ist die Politik gefragt, aber die rührt sich nicht, weil sie durch Einfluß von Lobbyisten und "Schwarzgeld" lahmgelegt wird.

"Und, ein weitere Aspekt: Müssen wir aufgrund einer sich stetig erhöhenden Lebenserwartung (die privaten Kassen rechnen damit, daß heute Geborene Kinder im Durchschnitt 100 Jahre alt werden) uns nicht vielleicht irgendwann von der gewohnten Definition von Renter > 65 Jahre verabschieden?"

Das müssen immer mehr Rentner heute schon, weil ihre Renten vorn und hinten nicht reichen. Es gibt zwar noch viele Rentner, die jahrzehntelang berufstätig waren, dabei gut verdient haben und somit heute hohe Renten kriegen. Aber ihre Zahl wird sinken. Die nächsten Rentner-Generationen werden immer mehr Lücken im beruflichen Lebenslauf und damit auch in den Rentenbeitragszahlungen haben. Dazu kommen direkte und indirekte Rentenkürzungen. So müssen heute schon Rentner beispielsweise Krankengeld mitfinanzieren, das sie aber niemals bekommen können. Diejenigen mit hohen Renten trifft das kaum, die mit niedrigen Renten aber schon. Und von letzteren wird es immer mehr geben. Die müssen dann also zusehen, wie sie sich noch etwas dazu verdienen, notfalls mit Schwarzarbeit.

Problematisch ist dabei, daß man manche Jobs schon mit 60 kaum noch ausüben kann, und daß viele Firmen grundsätzlich niemanden über 60 einstellen. Selbst mit 40 hat man oft schon Probleme, einen Job zu finden.

Aber wenn der bisherige Kurs so weiter gefahren wird, brauchen wir uns über 100jährige Rentner wohl bald keine Gedanken mehr machen. Allein schon die Einsparungen im Gesundheitswesen müssen dann zwangsläufig ein Sinken des Durchschnittsalters bewirken.

Freundliche Grüße
von Garfield


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