Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Ungleichbehandlung vor Gericht

Garfield, Friday, 18.03.2005, 11:41 (vor 7581 Tagen) @ Scipio Africanus

Als Antwort auf: Re: Ungleichbehandlung vor Gericht von Scipio Africanus am 18. März 2005 09:06:22:

Hallo Scipio!

Die Richter haben immer einen gewissen Spielraum. Sie können mildernde Umstände in Betracht ziehen oder auch nicht, sie können das Strafmaß niedriger ansetzen, wenn kleine Kinder mit bestraft werden würden (was dann auch wieder überwiegend Frauen nützt) usw.

Wenn eine Frau eine Straftat gemeinsam mit einem Mann verübt hat, wird oft grundsätzlich davon ausgegangen, daß sie nur Mitläuferin gewesen ist, wenn es keine eindeutigen Beweise für das Gegenteil gibt. Die männlichen Komplizen machen den Gerichten das häufig leicht, indem sie aus "Ritterlichkeit" die Hauptschuld auf sich nehmen.

In den USA gab es mal einen Mordprozeß, der in der Hinsicht besonders krass war. Da war auch eine Frau beteiligt, aber sie behauptete, nur anwesend gewesen zu sein und sich nicht direkt an der Tötung des Opfers beteiligt zu haben. Die männlichen Mitangeklagten bestätigten dies und nahmen alle Schuld auf sich. Die am Tatort gefundenen Spuren bewiesen jedoch etwas ganz anderes. Die zeigten deutlich, daß auch die Frau aktiv an der Tötung des Opfers beteiligt war. Trotzdem wurde sie am Ende vor allem aufgrund der Aussagen der männlichen Mitangeklagten zu einer deutlich niedrigeren Strafe verurteilt.

Ich habe mal von einer Studie gelesen, die ergeben hat, daß Frauen tatsächlich für gleiche Straftaten geringer bestraft werden als Männer. Wenn ich mich recht erinnere, hat Arne in seinem Buch "Sind Frauen bessere Menschen?" einiges dazu geschrieben.

Begründet wird das von den Richtern damit, daß Frauen angeblich weniger kriminelle Energie hätten. Weil weniger Frauen in Gefängnissen sitzen, unterstellt man ihnen geringere kriminelle Energie, und deshalb sperrt man sie dann seltener in Gefängnisse - so läuft das.

Einzige Ausnahme: Mordfälle. Da ist es aber auch keineswegs so, daß die Justiz da den Frauenbonus vergessen würde. Viele Mörderinnen machen es der Justiz nur sehr schwer, mildernde Umstände in Betracht zu ziehen. Wenn das Opfer beispielsweise über lange Zeit hinweg gezielt vergiftet oder im Schlaf getötet wurde, ist es äußerst schwierig, da Notwehr hinein zu interpretieren. Und Mord im Affekt ist dann ebenfalls ausgeschlossen.

Andererseits ist es aber auch so, daß Frauen für Kindsmord oft praktisch straffrei davon kommen. Da werden dann gern Wochenbett-Depressionen, "Überforderung" und ähnliches als mildernder Umstand gewertet.

Übrigens war es schon in früheren Zeiten so, daß Frauen vor Gericht wesentlich besser wegkamen. Zeitweise war es sogar üblich, Männer für Vergehen ihrer Ehefrauen zu bestrafen. Schwangere Frauen konnten vor Gericht jederzeit auf ihre Schwangerschaft verweisen, woraufhin das Verfahren dann für sie zumindest verschoben wurde. Die berühmtesten Beispiele dafür sind wohl die beiden Piratinnen Anne Bonny und Mary Read. Während ihre männlichen Mitangeklagten allesamt zum Tode verurteilt und gehängt wurden, konnten sie auf ihre Schwangerschaften verweisen und bekamen einen Verfahrensaufschub. Anne Bonny schaffte es in dieser Zeit, einflußreiche Verwandte einzuschalten, die ihre Begnadigung und Freilassung erwirkten. Mary Read wäre sicher genauso frei gekommen, starb aber noch im Gefängnis bei der Geburt ihres Kindes.

Freundliche Grüße
von Garfield



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