Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Ungleichbehandlung vor Gericht

Garfield, Friday, 18.03.2005, 18:44 (vor 7581 Tagen) @ Scipio Africanus

Als Antwort auf: Re: Ungleichbehandlung vor Gericht von Scipio Africanus am 18. März 2005 13:00:47:

Hallo Scipio!

Ja, Arnes Buch "Sind Frauen bessere Menschen?" ist in dem Zusammenhang absolut empfehlenswert, zum einen wegen seinem Inhalt, zum anderen aber auch wegen den viele Quellen im Anhang, über die man sich weiter informieren kann.

Interessant fand ich in dem Zusammenhang auch eine Untersuchung aus Israel, über die mal im Rote-Männer-Info berichtet wurde, wenn ich mich recht erinnere. Dabei kam heraus, daß sowohl männliche als auch weibliche Lehrer dazu neigen, Mädchen in der Schule besser zu bewerten als sie es eigentlich verdienen. Das ist in Israel aufgefallen, weil da wichtige Prüfungsarbeiten doppelt bewertet werden: Einmal von den Fachlehrern und dann noch einmal anonym von Lehrern, die die Namen der Schüler nicht erfahren und somit auch nicht wissen, ob eine Arbeit von einem Jungen oder von einem Mädchen stammt. Und dabei stellte sich eben heraus, daß die Mädchen bei dieser anonymen Bewertung im Durchschnitt schlechter abschnitten als bei der Bewertung durch die Fachlehrer, während es bei Jungen keinen nachweisbaren Unterschied gab.

Es scheint also so zu sein, daß die meisten Menschen unabhängig vom Geschlecht dazu tendieren, Frauen immer mehr Verständnis und Unterstützung zuteil werden zu lassen als Männern.

Ich denke, das ist ein Erbteil aus früheren Zeiten, als die Frauen dieses Verständnis und diese Unterstützung wirklich brauchten, um unter den damals weitaus schlechteren Bedingungen erfolgreich Kinder austragen und aufziehen zu können.

Heute haben sie dabei zwar deutlich weniger Probleme und brauchen dieses besondere Verständnis und die Unterstützung ihrer Mitmenschen entsprechend weniger, aber was sich in Millionen Jahren eingeschliffen hat, verschwindet nicht so einfach in ein paar Jahrzehnten oder Jahrhunderten wieder. So sind eben immer noch viele Menschen bereit, Frauen mehr Hilfe und eben auch mehr Verständnis zuteil werden zu lassen. Auch wenn sie beispielsweise Verbrechen begehen.

Da wird dann in den Medien gern lang und breit darüber spekuliert, was die arme Frau wohl zu diesem Verbrechen getrieben hätte, während sich bei einem männlichen Täter kaum jemand solche Gedanken macht.

Zwar müssen die Richter sich nach den Gesetzen richten und können eine weibliche Angeklagte nicht grundsätzlich frei sprechen. Aber sie setzen dann den Spielraum, der ihnen in der Auslegung der Gesetze bleibt, eben gern zugunsten der weiblichen Angeklagten ein, was männlichen Angeklagten so nicht zuteil wird. Sie können natürlich auch durch die berühmte schlechte Kindheit schon mal eine Strafmilderung erhalten, aber eben nicht allein durch ihr Geschlecht.

Ich weiß nicht, ob man das mit Umfragen so einfach belegen kann. Viele Menschen werden über die Fragen gut nachdenken und dann mehr rational als emotional antworten. Da wird dann vermutlich kein großer Unterschied zutage treten. Dieser Unterschied in der Bewertung von weiblichem und männlichem Verhalten macht sich bei vielen Menschen erst bemerkbar, wenn sie unbewußt reagieren.

Wenn du also brauchbare Ergebnisse bekommen möchtest, dürfen die Testpersonen überhaupt nicht wissen, worum es geht. Sie dürfen es auch nicht erraten können. Noch besser wäre, wenn sie glauben, daß es um irgendein völlig anderes Thema geht. Du darfst also keine zu direkten Fragen stellen oder mußt sie unter völlig anderen Ablenkungs-Fragen verstecken.

Am besten wäre sowieso, wenn man den Testpersonen Fotos zeigt, die sie dann bewerten können. Bilder sprechen die instinktive Ebene mehr an als Texte, denke ich.

Du kannst natürlich auch Zeitungen auswerten. Da müßten sich genügend Fälle finden lassen, in denen Männer und Frauen identische Straftaten begangen haben und von den Medien aber unterschiedlich bewertet wurden. Vor einigen Jahren ist mir das mal an zwei Beispielen sehr deutlich aufgefallen:

Da beging zunächst ein Vater Selbstmord, und vorher brachte er seine Kinder um. In den Medien wurde er als egoistisches Monster dargestellt, das noch die armen Kinder mit in den Tod gerissen hat. Die Mutter der Kinder wurde bemitleidet.

Nur wenige Wochen danach beging eine Mutter Selbstmord und brachte vorher ihre Kinder um. Die Berichterstattung der Medien sah nun ganz anders aus. Da wurde darüber spekuliert, was die arme Frau wohl zu diesem tragischen Schritt getrieben hätte. Schnell war auch ein natürlich männlicher Schuldiger ausgemacht: Der Vater der Kinder. Er hatte wohl damit gedroht, das Sorgerecht für die Kinder einzuklagen. Das warf man ihm nun vor und gab ihm die Schuld am Tod seiner Ex-Frau und seiner Kinder. Von Mitleid für den Vater war nichts zu spüren.

Ich vermute mal, daß der erste Fall sehr ähnlich war. Da war es bestimmt auch so gewesen, daß dieser Mann sein ganzes Leben zusammen brechen sah, weil sich seine Frau von ihm trennen wollte und vielleicht damit gedroht hatte, daß er die Kinder dann auch nicht mehr zu sehen kriegt. Irgendsoetwas muß da ja passiert sein, denn sonst dreht doch niemand so durch und bringt seine eigenen Kinder und sich selbst um. Das hat die Medien aber in keiner Weise interessiert. Weil der Täter eben ein Mann war.

Freundliche Grüße
von Garfield


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