Re: Recht gegen Recht
Als Antwort auf: Recht gegen Recht von Bernhard am 24. November 2005 21:22:
Hallo
Bei folgendem handelt es sich um ein theoretisches Konstrukt. Die Handlung ist keinesfalls beabsichtigt. Mir gehr es nur um die Verantwortung.
Karl E. wurde unter Zwang zur Bundeswehr eingezogen und musste dort den Umgang mit Sprengstoff erlernen. Als Jahre später seine Ehe in die Brüche geht, plaziert er einen Sprengsatz und jagt seine Ex in die Luft.
Der Staat hat eine Vorleistung für die Tat erbracht. Wenn ich einem Einbrecher die nötigen Werkzeuge zur verfügung stelle mache ich mich strafbar.
Wie steht eigentlich der Staat in seiner Verantwortung gegenüber der Zwangssoldaten?
Naja, strafbar macht sich der Staat natürlich nicht, auch nicht juristisch, schließlich lernt man bei der Bundeswehr nicht nur den Umgang mit Waffen und Sprengstoff, sondern auch wie und wann diese Waffen ausschließlich verwendet werden dürfen.
Allerdings ist das juristisch betrachtet und nicht moralisch. Wenn der Staat nun irgendwelche "Computerspiele" für ein Massaker an der Schule verantwortlich machen will, so muss er sich selbst erstmal darüber im klaren sein, dass er von jedem 18-jährigen Deutschen Mann den Dienst an der Waffe abverlangt. Robert Steinhäuser in Erfurt war 19 Jahre alt. Diese peinlichen Diskussionen im damaligen Fernsehen über das Geschehnis und "Computerspiele" und deren "Mitschuld" waren völlig am Thema vorbei. Die Ursachen für solche Taten liegen ganz woanders und die Verantwortung für das Geschehene in Erfurt tragen ebenso die Pädagogen, die Schulleiterin usw., die einem Menschen völlig die Zukunftsperspektive mit unangemessenen Mitteln geraubt haben.
Bei meiner Zwangsrekrutierung hat mich kein Mensch darüber aufgeklärt welche Folgen meine Gewaltausbildung für mich und meine Mitmenschen haben kann.
[quote]Ich lernte wie man einen Menschen mit dem Spaten erschlägt, wie man einen Gegner mit Schusswaffen möglichst schwer verletzt, aber nicht tötet. Ich lernte Wie man Menschen ohne Hilfsmittel foltert. Das war das Schlimmste weil die Ausbilder das als völlig normal ansahen.[/quote]
Also Folterung haben wir nicht gelernt - das wäre ja pervers - aber ich kann eines sagen: der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist erheblich. Eine Zielscheibe ist immer noch etwas anderes als ein Mensch, wobei, das muss ich zugeben, mir sehr sehr mulmig wurde, als ich mir mal genau darüber Gedanken machte und den "Soldaten hinter dem Holzstoß auf der Zielscheibe" unter dem Gesichtspunkt des Mordens betrachtete.
Ich habe übrigens bei mir persönlich festgestellt, dass zwischen Realität und Fiktion ein sehr großer Unterschied liegt. Ich kann jeden Horror-Film anschauen, selbt wenn da Köpfe rollen - aber abgestumpft hat mich das überhaupt nicht - höchstens auf fiktionaler Ebene. Aber als ich mal versuchte bei einer besagten Internetseite mir den Film von der Köpfung einer amerikanischen Geisel im Irak anzuschauen, und zwar den, in dem der Kopf mit dem Messer abgeschnitten wurde, so konnte ich diesesn Film nicht anschauen und habe ihn abgestellt, als die Prozedur begann und das Messer angesetzt wurde. Auch hier ist also ein großer Unterschied zwischen "Theorie" und "Praxis" ersichtlich - zumindest von meiner Erfahrung her.
Ich war selbst mal in der Situation einen Menschen erschlagen zu wollen. Ohne die Vorbildung Bundeswehr wäre ich vermutlich nicht darauf gekommen. Mit dem Wissen "Bundeswehr" wird Töten Alternative.
Zwischen wollen und wünschen im Vergleich zu versuchen und tun liegen große Unterschiede. Wenn ich denke, was ich mir schon alles wünschte oder wollte, aber letzten Endes aufgrund von Vernunft nicht getan oder versucht habe, dann kann ich auch viel erzählen.
Allerdings glaube ich eher, dass nicht die Bundeswehr daran eine Schuld trägt, dass du das wolltest. Es ist eher so, dass es dann in der menslichen Natur liegt, diesen Gedanken gehegt zu haben. Wenn du nicht bei der Bundeswehr gewesen wärst, dann wäre es vielleicht nicht der Klappspaten gewesen sondern was anderes.
Meine Bundeswehrzeit ist jetzt 35 Jahre her. Ich betrachte dies als größte Schande in meinem Leben weil mir durch Zwang die Tötungshemmung gegenüber anderen Menschen aberzogen wurde.
Ich bin der Meinung, dass die Bundeswehr keine Tötungshemmung abbauen konnte. Tötungshemmung wird höchstens durch Krieg abgebaut, d.h. durch Praktische Erfahrung und nicht Theorie. Ansonsten wäre ja jedes Computerspiel, jeder Horror- oder Actionfilm eine Anleitung zum Töten. Inwiefern nun das tatsächlich eine Hemmschwelle im realen Leben abbauen kann, müsste vielleicht mal untersucht werden. Ich denke aber, dass es z.B. keine Unterschiede in Gewaltanwendungen gibt was Computerspieler und Nicht-Computerspieler angeht - oder Bundeswehrler und Nicht-Bundeswehrler.
Mein Beitrag mag etwas wirr klingen. Mich verfolgt diese Zwangsrekrutierung seit Jahrzehnten. Ich betrachte es als Vergewaltigung meiner Person.
Wenn du wirklich ein Problem damit hast, solltest du psychologischen Rat suchen, wofür du dich auch nicht schämen brauchst. Bundeswehr betrachte ich zwar als enorme Zeitverschwendung und Raub meiner persönlichen Lebenszeit - das ist schon schlimm genug - bleibende Schäden hat sie bei mir Gott sei Dank nicht hinterlassen. Aber das kann ja von Person zu Person verschieden sein.
Magnus
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