Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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OT: Schmach für die liberale Schweiz

Mirko, Tuesday, 01.12.2009, 21:44 (vor 5631 Tagen)

Arne gibt HIER einen kleinen Überblick über Reaktionen zur Volksabstimmung in der Schweiz, und führt weiter aus:

Nicht nur viele kirchliche Gruppen, auch atheistische und humanistische Organisationen wie der Freidenkerbund zeigen sich ob des Schweizer Votums befremdet: "Rechtspopulisten haben gezielt mit Halbwahrheiten und Lügen rassistische Ressentiments und Ängste geschürt". Menschenrechte dürften niemals Gegenstand von Mehrheitsentscheidungen sein.

Entsprechende Reaktionen sind nicht nur auf den deutschsprachigen Raum beschränkt. Die britische "Times" etwa sieht in diesem "perversen Votum" eine "populistische Gefahr für die Demokratie" und die Religionsfreiheit: "Im Glauben, die Gesellschaft gegen religiöse Intoleranz zu verteidigen, haben die Wähler selber für Intoleranz gestimmt." Und die New York Times spricht von einer "großen Peinlichkeit" für die neutrale Schweiz.

Auch über die Anschläge, die es in den letzten Tagen auf Schweizer Moscheen gab, berichten mehrere Artikel.

Etwas süffisant merken einige Journalisten darüber hinaus an, dass in der Schweiz erst 1990 flächendeckend das Frauenstimmrecht eingeführt wurde - "auf gerichtliche Weisung, gegen den erbitterten Widerstand der Stimmbürger". Manche Kommentatoren sehen in dem gestrigen Debakel ein Argument gegen die direkte Demokratie.

Einige Eidgenossen demonstrieren inzwischen mit Plakaten wie "Peinlich, ein Schweizer zu sein". Großen Jubel hingegen gibt es unter Europas Rechtspopulisten über das Abstimmungsergebnis: von "Politically Incorrect" über Altermedia bis zur "Blauen Narzisse", von der Dänischen Volkspartei über die Front National und die Lega Nord bis zur FPÖ, von Geert Wilders bis zu Henryk Broder und die halbe "Achse des Guten" sind sie alle ganz aus dem Häuschen vor Ekstase. Wie unter anderem die "Zeit" berichtet, wird das Minarett-Verbot wohl nur der erste Schritt beim Kampf gegen eine liberale, tolerante Gesellschaft sein. Als nächstes soll durchgesetzt werden, wie sich einzelne Bürger kleiden dürfen und wie nicht: Rechtspopulisten wollen Verschleierung von Frauen verbieten.

Last but not Least verweist Arne auf das libertäre "ef" und seinem Chefredakteur André Lichtschlag:

Nein, es ist nicht richtig, anderen auf deren Grundstücken vorzuschreiben, wie und was sie auf eigene Kosten zu bauen haben oder nicht bauen dürfen. Kommunale Bauordnungen sind eine Zumutung, landesweite Verbote bestimmter Bauarten eine entsprechend größere. Um erst gar nicht die religiöse Freiheit zu bemühen, die heute eine schlimme Niederlage im Kern Europas erlitten hat. Man frage nur einmal einen x-beliebigen konservativen US-Amerikaner, was der vom Schweizer Verbot hält. Wohlgemerkt, er ist kein "linker Gutmensch", er wird als amerikanischer Verfassungspatriot von den Schweizer Freunden enttäuscht sein.

Und zurück in Europa; hier gilt: Es bleibt dabei, dass eine Minderheit von vollständig auf eigene Kosten lebenden Moslems in einer gesunden Gesellschaft niemals ein Problem darstellen könnte. Die Angst vor den Muslimen bleibt nur ein Symptom der Angst vor dem eigenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenbruch. In Wirklichkeit haben auch in der Schweiz die Einwanderungspolitik und der Sozialstaat die offenkundigen Probleme verursacht, nicht eine fremde Religion.

Dennoch ist die Auflehnung der Schweizer gegen das Establishment ein gutes Signal, wenn auch auf Kosten eines fragwürdigen Sündenbocks. Richtiger wäre es, wenn sich die Wut gegen die europäischen Eliten in Politik, Verbänden, Medien und Kirchen selbst wendet, gegen jene also, die für den eigenen demographischen, demokratischen, kulturellen, moralischen und ökonomischen Zusammenbruch verantwortlich sind. --> "Feindbild Muslim jetzt auch amtlich: Überwältigende Mehrheit der Schweizer für Minarettverbot"

Ein persönlicher Nachtrag noch von mir: Dass 57,5 Prozent der Wählenden gegen Minarette gestimmt haben, bedeutet nicht, dass die Schweiz herself gegen Minarette ist. Vielen ist das Thema egal, oder wurden jetzt erst aufgerüttelt; das Ergebnis ist also grob verfälscht.

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Wer gegen Monster kämpft, muss achtgeben, nicht selbst zum Monster zu werden - Nietzsche


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