Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Deutsch

carlos, Saturday, 03.06.2006, 14:02 (vor 6691 Tagen) @ Ralf

Servus, Ralf!

Hm... Normalerweise lese ich Deine Beiträge mit großem Vergnügen und stimme Dir auch fast immer auch stillschweigend zu. Jetzt und hier aber liegst Du komplett daneben.

?> Wirken unkomplizierte Kunstwerke schöner auf Dich als ungeheuer > detailreiche und auf den ersten Blick undurchschaubare?
- Es geht hier genau nicht um "detailreich und auf den ersten Blick undurchschaubar", sondern um "sinnlos kompliziert".?

?Sinnlos kompliziert?? Was soll das hießen?

?> Deutsch ist eine komplizierte, stellenweise unlogische (aber z.B. nicht so schlimm wie englisch), dabei aber wunderschöne Sprache von ungeheurem Ausdrucksreichtum. Dies durch verschiedene Eigenheiten, beispielsweise die Neubildungsfreudigkeit durch Zusammensetzungen.
- Deutsch ist eine ungenießbare Mischpoke aus germanischen und romanischen Sprachkonzepten, die sich aber nicht etwa ergänzen, sondern einfach nebeneinander stehen (vielleicht am leichtesten sichtbar an dem Wirrwarr aus Stamm- und Endbeugung).?

Auch hier bringst Du unsachliche Polemik, vermischt mit Unklarheiten und Unrichtigem. Welche ?romanischen Sprachkonzepte? weist Deutsch denn auf? In der Syntax? In der Terminologie? ?Stammbeugung? im Deutschen? Wo? Bei Verb- oder Nomina-Klassen? Die starke Flexion von Verba und Nomina ist übrigens ein generelles Merkmal aller indogermanischen Sprachen!

(aber z.B. nicht so schlimm wie englisch),

- Hmm, plapperst Du jetzt einfach irgendwelche Sprüche vom "Verein für deutsche Sprache" nach, oder meinst Du das ernst? Englisch ist ja ebenfalls eine germanisch-romanische Mischsprache, nur dass die Mischung 1000 Jahre später stattgefunden hat. Dort hat aber eher eine Synthese stattgefunden, die Formen sind im Laufe der Zeit vereinheitlicht und vereinfacht worden, und die Sprache entwickelt sich immer mehr in Richtung einer isolierenden Sprache, bei der die Aneinanderreihung der richtigen Vokabeln auch einen richtigen Satz ergibt.?

Englisch ist syntaktisch immer noch eine eindeutig germanische Sprache; aus dem Französischen hat es terminologisch viel entlehnt, richtig, aber heute noch streiten Gelehrte, ob viele der betreffenden Termini nicht doch schon viel früher mit dem Latein auf die Insel geschwappt waren. Zudem weist Englisch noch viele keltische Wurzeln auf, die niemandem sonderlich auffallen, wie z.B. die Umschreibung mit ?to do?. Eine Sprache kann sich übrigens nicht zu einer ?isolierten? hin entwickeln, wenn sie sprachgeschichtlich eindeutige Wurzeln besitzt. In Europa trifft dies lediglich auf drei Sprachen zu: Baskisch, Ungarisch und Finneesti-Altaisch. Der Rest mit den ?richtigen? Vokabeln gehört schlicht in den Sektor der Fiktion.

(...)

?Dagegen bestehen die "verschiedenen Eigenheiten" der Deutschen Sprache vor allem aus einem gigantischen Ballast, den Deutsch mit sich rumschleppt. Am bekanntesten sicher die pseudo-willkürlichen Artikel für Sachen (tragen die in irgendeiner Form zum "Ausdrucksreichtum" bei?), andere Dinge Fallen gar nicht so auf, z.B. eine krude Satzstellung (statt einer klaren Subjekt-Prädikat-Objekt-Reihenfolge wird in Deutsch krampfhaft versucht, das Prädikat an die 2. Stelle eines Satzes zu ziehen, außer natürlich in den Fällen, wo das nicht gilt (sonst wär's ja kein Deutsch), also etwa Nebensätze (Prädikat am Ende) oder fragen (Prädikat vorne)), unklare Regeln für das Auseinanderbrechen zusammengesetzer Verben (vorgeben --> ich gebe vor, übergeben --> ich übergebe), von Rechtschreibregeln mal ganz zu schweigen.?

Falsch mit ?pseudo-willkürlich?; was soll denn ?willkürlich? sein? Sprache entwickelt sich so, wie sie es tut! Die Zuordnung des grammatischen Geschlechts hat eindeutig linguistisch-historische, sowie noch jeweils mythologische Gründe. Dies hat dazu geführt, daß im Deutschen der Mond männlich, die Sonne weiblich, in den romanischen Sprachen hingegen der Mond weiblich, die Sonne jedoch männlich ist. ?Zusammengesetzte? Verben: Der Terminus ist nicht ganz richtig; man spricht von ?trennbaren? Verben, und da gibt?s klare Regeln. Ein Beispiel: ?übersetzen?. Je nachdem, ob die Betonung auf der präpositionalen Vorsilbe liegt oder nicht, ist das Verb trennbar oder halt nicht. ?Ich übersetze den Text?, hingegen: ?Ich setze die Menschen ans andere Ufer über.?

Sprache beeinflußt das Denken, das ist ein alter Hut. Schonmal drüber nachgedacht, daß das Land der Dichter und Denker zu einem solchen wurde, weil Selbigen eben eine so komplexe und reiche Sprache zu Gebote stand?

- Das mit den "Dichtern und Denkern" war auch nur eine kurze Zeitspanne in der Deutschen Geschichte. Aber ich will mal mit einer nicht allzu weit entfernten Analogie antworten:

Nun ja... kurz oder lang... das liegt meinetwegen im Auge des Betrachters; Tatsache jedoch bleibt, daß deutsche Sprache und deutsche Kultur äußerst langlebig sind; die in Europa meistgesprochene Sprache ist und bleibt nun einmal auch deutsch. Sogar die amerikanische Verfassung ist meines Wissens nach in deutsch geschrieben.

?Ohne da jetzt größeres Fachwissen vorgaukeln zu wollen, behaupte ich mal, dass die Chinesen und Japaner mit ihren Schriften einen Griff ins Klo getan haben. Da kann man sofort einwenden, dass diese Schriften sehr kunstvoll sind, Kalligraphie förden, auch die Aussage, dass die japanische Schrift z.B. die Fähigkeit zum blitzschnelle Auseinandernehmen und Neuzusammensetzen komplizierter Strukturen fördert (eine Fähigkeit, die in den 60ern und 70ern bei der Kopie und Neukonzeption westlicher Technologien sicher sehr hilfreich war), habe ich schon gehört, und die Begründung klang recht überzeugend.?

Davon habe ich noch nie etwas gehört. Das mit der japanischen Schrift, samt der hilfreichen Geschichte mit den ganzen ?Technologien?, müßtest Du jetzt schon ein bisserl verklaren. Es existiert nämlich keine originär japanische Schrift; Japaner schreiben nämlich lediglich mit chinesischen Schriftzeichen, sowie mit zwei, aus den selbigen adaptierten, Silbenalphabeten; Ähnliches gilt für das Koreanische. Chinesisch und Japanisch weisen jedoch keinerlei Gemeinsamkeiten auf. Japanisch und Koreanisch, jeweils für sich genommen, gelten hingegen als isolierte Sprachen, wenngleich gerade diese beiden einige wenige Gemeinsamkeiten aufweisen.

?Trotzdem ist das alles nicht die Aufgabe einer Schrift. Die eigentliche Funktion - Sprache auf einem Blatt Papier aufzuzeichnen - ist offensichtlich wesentlich einfacher zu haben, und mir ist zumindest nicht bekannt, dass die chniesische oder japanische Schrift diese Aufgabe generell besser erfüllen würden als Buchstabenschriften, sie sind einfach nur um Größenordnungen komplizierter; und damit halte ich sie letzlich für eine Fehlentwicklung.?

Was Aufgabe einer Schrift ist, definiert jedes Volk für sich; Außenstehende dürfen gerne kommentieren, aber nicht werten; wie willst Du denn eigentlich eine graphologische ?Fehlentwicklung? definieren, woran festmachen? Auch eine graphische Fixierung mit Hilfe von Buchstaben, sowie tonalen und diakritischen Zeichen, wie sie Chinesisch-Studenten benutzen, wäre angesichts der Unmengen an Homophonen im Chinesischen nicht unbedingt hilfreich. Objektiv betrachtet ist richtig, daß eine reine Lautschrift, wie sie z.B. das Vietnamesische über die französischen Kolonisatoren bekommen hat, sich für eine reibungslose, rasche Kommunikation als wesentlich hilfreicher erweist, als eine Symbolschrift, wie das Chinesische mit seinen, simplifizierend gesagt, Piktogrammen. Der Unterschied zwischen ?Symbolschrift? und ?Lautschrift? mit anderen Worten: Chinesen und Japaner sind in erster Linie ?Augenmenschen?, wir Westler hingegen ?Ohrenmenschen?. Ein chinesisches Schriftzeichen trägt neben seiner jeweiligen Phonetik ? in Abhängigkeit davon, welcher Chinese oder Japaner mit welchem Dialekthintergrund, es ausspricht- zusätzlich inhärent-immanent seine unabänderliche Bedeutung in sich; ein Buchstabe ?i? hingegen besitzt nichts weiter als seinen reinen phonetischen Wert. Du hast einmal geschrieben, du wärest mit einer Thailänderin verheiratet; Thailändisch benutzt für die Verschriftlichung seiner Sprache eine Ableitung aus dem indischen Devanagari, einer Lautschrift, obgleich die Sprache selber zur tibeto-chinesischen Sprachfamilie zählt.

Freundliche Grüße,
carlos


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