Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Na, dem wollen wir doch jetzt mal etwas genauer auf den Zahn fühlen!

Chato, Sunday, 23.09.2007, 21:08 (vor 6270 Tagen) @ Nikos
bearbeitet von Chato, Sunday, 23.09.2007, 21:13

Ich sehe, Nick und Nikos sind sich sehr einig! :-)

Eben das ist das Problem. Man kommt "bis ganz nah heran", aber nie darüber hinaus. Buddhisten
sprechen von der Zeit ohne Anfang und Ende und die Kausalität existiert dann weiterhin. Doch
weder das eine noch das andere kann bewiesen werden. Was beweist uns denn, dass "dort" nicht
genau so ist, wie "hier", nur wir sind anders? Oder dass "dort" eben alles ganz anders ist?
Deshalb ist es eine Glaubensfrage. Hast Du eine Erfahrung damit, oder es scheint Dir so,
Du hättest eine, dann glaubst Du daran. Hast Du keine, oder Du meinst, Du hättest keine,
dann glaubst Du eben nicht.

Eben. Höchst interessant ist hier übrigens der Unterschied zwischen dem buddhistischen und dem jüdisch-christlichen "Bild des Bildlosen". Ersteres geht davon aus, daß "dort" dieselben Gesetze gelten wie hier, weil alles Sein ein Sein ist, substanzlos und in wechselseitiger Bedingtheit der Phänomene, da das Sein ja nur ein Werden ist, während wir Christen "dort" das "ganz andere" erfahren, Gott, die letzte Ursache, der aber wie "hier" wird und sich in Jesus Christus einsmacht mit dem Menschen. Das ist natürlich, obwohl es sehr gegensätzlich erscheint, gleichwohl die Erfahrung der einen Wirklichkeit und sehr, sehr subtil, erklärt aber wesentlich den kulturellen Unterschied zwischen West und Ost.

Gewiß ist, daß "unsere" Kausalität dort nicht gültig ist, ebensowenig wie "unsere" Zeit. Darin sind West und Ost sich einig, unbeschadet unterschiedlicher Begriffe (die Buddhisten nennen das z.B. Maya). Wir Christen nennen "dort" Ewigkeit und meinen damit eine radikal andere Weise des Seins, die kein Werden mehr ist und in mystischer Versenkung als evidente Wirklichkeit erfahrbar wird. Buddhisten nennen "dort" Nirvana oder Leerheit (Shunyata), ebenfalls erfahrbar durch Versenkung und ebenfalls unwandelbar, denn das Wort meint ja keineswegs ein nihilistisches Nichts (nicht einfach "Nichtsein"), sondern eine begrifflich leere Weise des absoluten Seins.

Wenn das einem Menschen einmal vollkommen klargeworden ist, kann es hernach niemals wieder völlig unklar werden. Die Buddhisten nennen das "erwacht" oder Buddhanatur, die Christen "Glaube" oder "unio mystica". In beiden Fällen erweist sich das Ego dabei als täuschende Begrenzung der Wirklichkeit, also als nicht in der Weise "seiend", wie das Ego selbst meint, daß es sei. Das Ego ist aber auch nicht einfach "nicht". Im Herz-Sutra (kennst du es?) ist diese Nicht-Verschiedenheit von Sein und Nichtsein, von Ich und Nicht-Ich - letztlich: von "hier" und "dort" - als Erfahrung des "Über-alles-hinausgehens" sehr tiefgründig und eindringlich ausgesagt.

Meistens sind Gläubige solche Menschen, die so leben, wie in der Mathematik: "Wir gehen zunächst
mal davon aus, dass "X" bekannt wäre..." Im Prinzip nicht dagegen einzuwenden. Denn der Weg ist
gleich schwer und schön, egal ob man 2X2 kennt oder nicht, oder ob man meint, man kennt oder nicht.

Hier irrst du dich, denn der Weg eines Menschen kann durchaus unendlich quälend sein und schier endlos durch die schwarze Nacht führen. Wenn ich z.B. in diesem Thread "wie Mathematik" spreche, dann nicht deshalb, weil ich selbst solche "Mathematik" benötigte, um zu glauben. Der Glaube besteht aus sich selbst und ist reine Erfahrung, ohne abstrakte Begründung und ohne partikularen Zweck. Ich rede manchmal "wie Mathematik", wenn und weil hier zum Beispiel die Frage nach einer "plausiblen Begründung" aufgetaucht ist, die dann natürlich so zu beantworten ist, daß ein Fremdling möglichst etwas damit anzufangen weiß. Man kann die Wirklichkeit selbst nicht beschreiben, aber man kann ein Hinweisschild aufstellen. Da steht dann z.B. drauf: "Drüben - nur noch 4512 km zu Fuß".

Ich halte das für wichtig, denn ohne ein solches Schild und vor allem ohne Gewähr, daß dieses Schild keine Verarschung ist, machen sich leider sehr viele Menschen nicht mehr auf den Weg nach "drüben", obwohl sie dort sowieso einmal hinmüssen, sondern hängen völlig verzweifelt in Unwirklichkeiten fest, in denen sie sinnlos leiden und mit der Zeit ihren Verstand verlieren. Es ist also reine Selbstsucht von mir, wenn ich "wie Mathematik" rede: ich ertrage es bloß nicht, immerzu das Elend anzuschauen... :-)

Aber du hast völlig recht: eigentlich muß man solche "Mathematik" nicht kennen und jedenfalls haben es Menschen, die sie nicht kennen und sie v.a. nicht brauchen, leichter als Menschen, die erst erklärt haben möchten, was sich sowieso nicht erklären läßt. Es gibt aber etwas, was jeder Mensch tatsächlich unbedingt wissen muß: daß es nämlich ein objektives Sittengesetz gibt, an das man sich halten muß, weil sonst das Leiden, was seine Tiefe und seine Dauer betrifft, grenzenlos wird. Ihr Buddhisten sprecht vom 8-fachen Pfad. Wir Christen haben die Zehn Gebote des Mose vom Sinai und natürlich das Gebot der universellen Liebe von Jesus Christus.

Wer daran glaubt, in seinem Leben einfach querfeldein laufen zu können, bleibt an den Dornen der Macchia hängen und verdurstet kläglich. Heute schreien die Berufslügner der Welt laut um ihr "Recht", überall falsche Schilder aufstellen zu dürfen, die in die Macchia weisen und daß es streng verboten sei, richtige Schilder hinzustellen, die auf gangbare Wege deuten. Aber weil das eine boshafte Lüge von Menschenfressern ist, darf man natürlich nicht gehorchen und nicht schweigen, sondern muß richtige Schilder hinstellen, wie man nur kann, auch wenn alle Lügner darüber schimpfen, bis ihre Stimme heiser geworden ist. Dann erkennt man sie wenigstens hoffentlich an dieser Heiserkeit... :-)

Gruß nach Athina
vom Nick in Berlin

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Wenn wir Toren wüßten, daß wir welche sind, wären wir keine.


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