Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Ein guter Ansatz !

Roslin, Monday, 29.12.2008, 14:21 (vor 5856 Tagen) @ Student(t)
bearbeitet von Roslin, Monday, 29.12.2008, 14:29

@ Student(t)

Habe ich deine Aussagen so richtig zusammengefaßt ?<

Ja, gute Zusammenfassung.
Allerdings weist der Feminismus, heterogen wie er ist, nicht nur Parallelen zum klassistischen Denken des Marxismus auf (Frauen=Proletariat, Männer=herrschende Klasse, durch Soziokultur "verdorben", aber immerhin korrigierbar durch Umerziehung, wenn auch im Stalinismus reale Ausrottung der "herrschenden" Klasse betrieben wurde), sondern auch zum Rassismus(Männer aus biologischen Gründen gefährlich minderwertig, auch durch Umerziehung unkorrigierbar, daher die Notwendigkeit, ihren Bevölkerungsanteil auf ein genetisch notwendiges Mindestmaß zu reduzieren, vergleichbar der Ausrottung als gefährlich minderwertig vorgestellter Rassen im Nationalsozialismus).

Daß es ohne den Atheismus keine Ideologen gegeben hätte, darüber sind wir

uns einig, oder nicht ? <

Ja, ohne den sich verbreitet habenden Atheismus (in der Intelligentsia) ist mir die Massenwirksamkeit von Ideologien in der 2.Hälfte des 19. und dann vor allem im 20.Jhdt. nicht erklärbar.

Also, der Atheismus (für mich eine

Ideologie !) stand jedenfalls am Anfang.<

So gesehen wäre dann natürlich auch der Theismus in allen seinen Spielarten als Ideologie zu verstehen, also auch das Christentum, der Islam, der Hinduismus etc.
Die Nutzbarkeit der Religion als transzendente Ideologie beweisen ja auch die jeweiligen, fundamentalistischen Strömungen in den Religionen, nicht erst seit dem Islamismus gut zu beobachten.
Auch der Katholizismus z.B. hat bereits im Spanien der Isabella der Katholischen und im Zeitalter der Reformation ideologische Qualitäten bewiesen, genau wie übrigens die Reformierten Kirchen (Calvin!) auch.
Bin übrigens selbst heute (wieder) mäßig katholisch.

>Weitere Frage: Glaubst du, daß der Sexismus in einer Katastrophe
vergleichbaren - oder sogar größeren - Ausmaßes enden könnte wie Klassismus
und Rassismus ? (Ich befürchte es, und dies nicht zuletzt aufgrund gewisser
frei käuflicher Androzid-Programme mit Parallelen zu Hitlers "Mein
Kampf".)<

Üble Auswirkungen hat er bereits jetzt. Man sehe sich nur die Situation von Jungen in der Schule an oder die um sich greifende Ignoranz und Gleichgültigkeit männlichen Opfern gegenüber.

Vergleichbar Desaströses fürchte ich aber nicht, weil es nicht möglich sein wird, den Mann als das ganz Andere, das bösartig Fremde zu konstruieren, eine Grundvoraussetzung, um jene massenwirksame, Aggressionen aufpeitschende Angst zu erzeugen, die Massenverbrechen kommunistischer, rassistischer oder nationalistischer (die erfolgreichste Ideologie überhaupt, neben dem kapitalistischen Liberalismus und dem Feminismus) Art erst verursacht.
Dazu leben viel zu viele Frauen mit viel zu vielen Männern viel zu eng zusammen, lieben viel zu viele Frauen ihre Väter, Söhne, Brüder, Geliebten, als dass das vorstellbar wäre.

Juden als das fremde, böse Andere glaubwürdig für Massen zu konstruieren war möglich, weil die meisten Menschen eben keine Juden waren, weil Juden und Nichtjuden in voneinander noch weithin getrennten Umwelten lebten.
Kapitalisten als das fremde, böse Andere zu konstruieren war ebenso möglich, weil die Mehrheit der Gesellschaft eben nicht aus Kapitalisten bestand, jede Klasse in ihrer eigenen Sphäre lebte.

Man braucht also immer eine als fremd identifizierbare Feindgruppe, die der Feminismus aber nicht schaffen kann, weil es keine Geschlechterapartheid gibt.
Die zu schaffen wird zwar versucht (exklusive Frauenschutzzonen, Wohnprojekte, Frauencafes etc.), stößt aber an natürliche Grenzen, denn Frauen wird es immer zu Männern treiben, so wie es Männer immer zu Frauen treiben wird.
Frauen werden immer auch Söhne gebären und diese mehrheitlich lieben usw.

Außerdem ist der Feminismus eine wesentlich von Frauen getragene Ideologie.
Frauen aber sind, auch wieder aus biologischen Gründen, tatsächlich im Schnitt das weniger dynamische, weniger aktive, weniger "aggressive" Geschlecht. Sie sind das Standbein der Evolution, der Mann ist das Spielbein.
Der "entartete" (gefährliches Wort, ich weiß)Mann daher politisch gefährlicher als die "entartete" Frau.

Es gibt zwar zahlreiche, feministische Männer, sowie es ja auch "antisemitische" Juden, kommunistische Kapitalisten gab usw., aber eine männliche Massenbasis wie diese Ideologien wird der Feminismus nie gewinnen.
Dazu ist das Ausmaß unserer Selbstverachtung, trotz feministischer Umerziehungsversuche, einfach nicht groß genug.
Der Feminismus hat ja nicht einmal eine Massenbasis unter Frauen.
Der Feminismus ist ein Elitenprojekt, liebt daher Top-Down-Prozesse, die Hintertreppe, das verdeckte Operieren, vermeidet es, sich offen Abstimmungen zu stellen.
Wo er es doch tut (Frauenparteien) erlebt er meist krachende Niederlagen.
Der Erfolg von Frauenwohnprojekten, Frauencafes, Frauenbuchhandlungen, der EMMA usw. ist ja auch alles andere als berauschend.

>Weitere Frage: Nimmst du an, daß in der Abfolge Atheismus -
Klassismus/Rassismus - Sexismus eine innere Konsequenz liegt ? Es hätte ja
auch anders kommen können: Daß erst der Sexismus sich voll entfaltet hätte
bis zum Zusammenbruch; und danach erst z.B. die an wirtschaftlicher
Ungleichheit entzündete Ideologie. (Darauf habe ich eine vorläufige
Antwort, deren Begründung ich allerdings noch ausreifen muß.)<

Es hätte meiner Ansicht nach nicht anders kommen können.
Erst musste die religiöse Welterklärung durch Wissenschaft schwer in ihrer Glaubwürdigkeit erschüttert werden, um Platz zu schaffen für biologistische-sozialistische, wissenschaftsbasierte Ideologien.
Dass zuerst der totalitäre Sozialismus (Sowjetunion) und nicht der totalitäre Biologismus (III.Reich) die Macht eroberte, ist in meinen Augen Zufall.
Es hätte auch umgekehrt sein können.
Auch in Russland wäre z.B. eine Machtübernahme radikal-slawophiler, großrussischer Kreise denkbar gewesen mit antisemitischen und gegen nationale Minderheiten sich richtenden Pogromen.
Schließlich gab es ja genügend rassistisch-nationalistische Elemente auch im Stalinismus.
Die Jungtürken und ihr rassistisch-nationalistisches Mordprogramm (Armenier) zur Schaffung eines bis nach Zentralasien reichenden großtürkischen Reiches lassen wir jetzt mal außen vor.

Der Feminismus konnte erst auf den Plan treten, nachdem das Leben der Frau in Industriegesellschaften weniger von biologischen Zwängen bestimmt wurde als all die Jahrtausende zuvor(drastisches Absinken der Geburtenrate wurde ja erst möglich durch Sozialstaat, höhere Produktivität des Einzelnen, geringere Kindersterblichkeit)und dem parallel laufenden Prozeß der Mechanisierung der Hausarbeit auf der einen Seite (band viel weniger Kraft als früher) und dem Ende der Muskelökonomie auf der anderen Seite ( der Einkauf weiblicher Arbeitskraft wurde interessant, ihre Arbeitskraft wurde marktgängig durch das Entstehen vieler Arbeitsplätze, deren Produktivität nicht mehr hauptsächlich von Körperkraft abhing).

Frauen gewannen also durch die technisch-ökonomische Entwicklung (längere Lebenserwartung nicht vergessen!) viel freie Lebenszeit, die sinnvoll gefüllt werden wollte.
Erst so wurde es überhaupt denkmöglich, die Existenz von Frauen ohne versorgende Männer sich vorzustellen, erst so konnte die Vorstellung von patriarchaler Ordnung als einer im Wesentlichen der Frauenunterdrückung dienenden Einrichtung entstehen.
Eine in ihrem Leben mit 5, 10, 15 Schwangerschaften samt Stillzeiten belastete Frau dürfte die patriarchale Ordnung, die ihre Versorgung sicher stellte, kaum als Unterdrückung erlebt haben, zumal angesichts einer Lebenserwartung, die im Schnitt kaum mehr als 35-40 Jahre betrug.


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