Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Girlsday - mal wieder eine Mail an das Familienministerium

Markus, Monday, 30.12.2002, 16:12 (vor 7803 Tagen)

Sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst möchte ich Sie für Ihre Unterstützung des Projektes "Girls-Day" (www.girlsday.de) loben. Es ist sicher eine sehr gute Sache Schülern frühzeitig Einblicke in die Arbeitswelt zu ermöglichen und so eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema Berufswahl zu fördern.
Was ich jedoch nicht verstehe ist, dass dieser Tag nur für Mädchen geschaffen wurde. Sicher können Sie mir hier mit Ihrer Kompetenz und Ihrem Fachwissen eine Erklärung liefern. Ich persönlich bin ich in einer Familie aufgewachsen, in der Gleichberechtigung gelebt wurde. Meine Mutter hatte das selbe Mitsprecherecht wie mein Vater und ich lebe auch in meiner jetzigen Beziehung diese Gleichberechtigung. Vor einigen Wochen hörte ich in der Nachrichtensendung RTL-Aktuell, dass 49,4 % der Studierenden zwischenzeitlich weiblich sind. Das empfinde ich persönlich als wichtiges und gutes Indiz dafür, dass sich in unserer Gesellschaft ein richtiger Wandel vollzogen hat. Was ich jedoch nicht verstehe ist der Umstand, dass diverse Projekte zur Frauen/Mädchenförderung mit dem Umstand begründet werden, dass es zu wenig weibliche Führungskräfte in Politik und Wirtschaft gibt. Diese Argumentation ist für mich etwas befremdlich, da Führungskräfte so global betrachtet doch meistens im Alter von über 50 Jahren sind. Die beruflichen Grundsteine dafür wurden also, aus meiner Sicht, vor 30-35 Jahren gelegt. Ich erinnere mich noch genau, wie meine Mutter erzählte, dass mein Opa meinte, sie müsse nicht studieren, sie würde ja eh heiraten. Und genau die Generation meiner Mutter ist es doch, die gerade die Führungspositionen inne hat.
Der Umstand aber, dass heute 49,4 % der Studenten weiblich sind, zeigt doch, dass unsere heutige Gesellschaft jedem Menschen die freie Berufswahl offen lässt. Ich verstehe in diesem Zusammenhang also nicht, warum dieser wirklich sehr gute Grundgedanke des "girls-days" nur auf ein Geschlecht konzentriert ist. Ich habe den Eindruck, dass Gleichberechtigung hier nicht mehr im Vordergrund steht, sondern eine einseitige Förderung. Ich empfinde es auch sehr problematisch, wenn unsere Kinder im Bewusstsein aufwachsen, dass unsere Gesellschaft Frauen und Mädchen privilegiert. Ich meine die Trennung zwischen Jungen und Mädchen im Sportunterricht ist aufgrund der anatomischen Unterschiede für mich den Kindern noch erklärbar. Wie aber erkläre ich Jungen, dass sie am "gils-day" keine derart Förderung erhalten? Das Argument "wenig weibliche Führungskräfte" scheidet ja aufgrund meiner oben gelieferten Erklärung aus. Ein anderes Argument, das immer wieder verwendet wird ist, dass Frauen weniger verdienen als Männer. Ich habe auch mit dieser Argumentation meine Probleme. Ich weiß zum Beispiel, dass gerade Tarifverträge (berechtigterweise) keine Differenzierung zwischen Mann und Frau machen. Ich weiß, dass ein Kindergärtner und eine Kindergärtnerin das selbe verdienen, genauso wie der Betriebselektriker das selbe verdient wie die Betriebselektrikerin. Ich persönlich, der ich selbständig bin, würde einem Mann nun auch nicht den Vorzug gegenüber einer Frau geben, oder umgekehrt. Für mich persönlich ist einzig uns allein die Leistung, die diese Person für mein Unternehmen erbringt ausschlaggebend.
Wie Sie sehen, habe ich ziemliche Probleme, Argumente, die für eine einseitige Förderung unserer Kinder sprechen, zu finden.
Da Sie als Ministeriumsmitarbeiter/In jedoch sicher über ein besseres Fachwissen als ich zu diesen Punkten verfügen, würde ich mich über eine Erklärung freuen, die meine aktuelle Sichtweise ändert und mir Argumente an die Hand liefert, mit denen ich diesen Umstand vor Kindern erklären kann.

Hochachtungsvoll und mit freundlichen Grüßen


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