Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Okay, der Titel war weder prägnant noch aussagekräftig ;-)

Maesi, Friday, 30.11.2001, 23:42 (vor 8394 Tagen) @ Katarin

Als Antwort auf: Re: Okay, der Titel war weder prägnant noch aussagekräftig ;-) von Katarin am 28. November 2001 10:04:47:

Hallo Katarin

Etwas irritierend, weil einseitig finde ich Deine Beispiel. Wenn ich es richtig verstehe, untermauerst Du damit die "Rosinenpickerei" der Gleichberechtigungs-Bewegung. Deshalb mal ein paar Ergänzungen:
- Wehrpflicht. Zum einen soll sie hier ohnehin abgeschafft werden, statt dessen steht ein soziales Pflichtjahr für Männer und Frauen im Raum. Zweitens haben Frauen dafür gekämpft, zum Wehrdienst zugelassen zu werden. Das passt, finde ich, nicht ganz zur Rosinenpickerei.

Die Wehrpflicht wurde im Forum schon mehrmals durchdiskutiert. Es gibt Diskussionen in der Oeffentlichkeit eine Berufsarmee einzufuehren (uebrigens auch in der Schweiz); konkrete Plaene bestehen IMHO aber noch nicht. Nimm bitte zur Kenntnis, dass Deutschland nicht voellig autonom entscheiden kann. Immerhin ist das Land Mitglied der NATO mit den daraus resultierenden Verpflichtungen. Ausserdem wurde gerade in den letzten paar Jahren bei den europaeischen Buendnispartnern wenig fuer die Verteidigung getan, man verliess sich immer auf den grossen Freund ennet dem grossen Teich; dies wurde von den USA jahrelang immer wieder kritisiert. Vor diesem Hintergrund ist das fachliche Know how in der Bundeswehr wohl eher gesunken als gestiegen, was den Wechsel zu einer Berufsarmee mit hoher Sachkompetenz weiter erschwert. Ein Uebergang von einer Milizarmee zu einer Berufsarmee ist sowohl organisatorisch als auch militaerisch eine sehr komplexe Angelegenheit und ausserdem mit erheblichen Kosten verbunden. Ob zurzeit der politische (auch finanzpolitische) Wille tatsaechlich da ist, eine glaubwuerdige Berufsarmee auf die Beine zu stellen, wage ich zu bezweifeln. Die nominelle Wehrpflicht wird IMHO noch ein paar Jahre bestehen bleiben, insbesondere da ja auch die Wirtschaft ein massives Interesse an den Zwangsverpflichteten (Zivildienst) hat.
Auch Du vergleichst wieder einmal das Recht der Frauen, Wehrdienst zu leisten mit der Wehrpflicht der Maenner. Gleiche Rechte aber weniger Pflichten; genau das nenne ich Rosinenpickerei. Der Hinweis, dass am St. Nimmerleinstag vielleicht die Berufsarmee kommt, ist fuer mich voellig wertlos, solange keine konkreten Plaene dafuer bestehen. Und sage mir bloss nicht, dass die Gleichstellungsaemter sich in dieser Beziehung besonders engagiert haetten, obwohl es eigentlich deren Job waere, Geschlechterdiskriminierungen zu beseitigen.

- Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
Da geht es um die Wahl Arbeiten oder Haushalt. Warum setzen sich denn Frauen dafür ein, sich beides partnerschaftlich zu teilen? Doch wegen ihrer Bereitschaft, an der Ernährerfunktion teilzunehmen. Die Tatsache, dass es meistens die Männer sind, die die ganze Familie ernähren, liegt nicht an ihrer Bereitschaft, dies zu tun. Sondern an ihrer mangelnden Bereitschaft, den Haushaltspart zu übernehmen.

Hier vermengst Du gleich mehrere Probleme miteinander. Die Forderung 'gleicher Lohn fuer gleiche Arbeit' hat vorerst gar nichts mit der Aufteilung der Hausarbeit zwischen den Lebensabschnittspartnern zu tun. Wie in den einzelnen Familien diese Arbeit verteilt wird, ist ganz allein deren Angelegenheit; ich finde in diesem Bereich staatliche Vorschriften, wie sie z.B. die Gruenen vor einigen Jahren gefordert hatten, schlichtweg ueberfluessig wenn nicht sogar schaedlich.
Desweiteren postulierst Du die Moeglichkeit des Mannes eine Wahl zu haben bezueglich beruflicher Karriere und Haushalt/Kindererziehung. Die immense Macht, die Muetter in dieser ihrer Domaene haben, ignorierst Du voellig. Schon ob ein Kind ueberhaupt das Licht der Welt erblickt, liegt in der Macht der Mutter (Abtreibung); der Vater kann zwar Druck auf die Mutter ausueben, die Entscheidung darueber liegt jedoch ausschliesslich bei ihr. Genauso wie viele Maenner Frauen im Beruf als Rivalinnen ansehen, empfinden offenbar auch Frauen in der Familie. Bei der Trennung/Scheidung werden dann regelmaessig die alten 'Kinder gehoeren zur Mutter'-Argumente aus der ideologischen Mottenkiste geklaubt, gewuerzt mit der Bemerkung, der Typ habe sich ja schon waehrend der Partnerschaft nicht um die Kinder gekuemmert; d.h. der Anteil des Vaters an der Kindererziehung wird konsequent negiert bzw. nur der eigene Anteil wahrgenommen. So wird der Durchschnittspapa dann auf die obligaten zwei Wochenenden im Monat und die Haelfte der Ferien gedrueckt, was dann wiederum zur logisch korrekten Behauptung fuehrt: der Vater kennt die Kinder ja nur vom Wochenende/Ferien, den Alltag bekommt er gar nicht mit. Wohlgemerkt: ich behaupte nicht, dass es keine verantwortungslosen Vaeter gibt, die sich einen Dreck um ihre Kinder kuemmern. Aber Deine Behauptung der mangelnden Bereitschaft der Maenner, den Hausmann zu spielen, sei der Grund fuer deren Haupternaehrer-Rolle geht einfach an der Realitaet vorbei; es handelt sich hier uebrigens um das typische feministische Standardargument: der Mann wolle gewissermassen nichts mit der Familie zu tun haben und fluechte sich deshalb in seine Karriere. Die Mitverantwortung der Frau faellt bei Deiner Behauptung voellig unter den Tisch.

Ein Beispiel dafür ist die Erziehungszeit. Weil so wenig Männer sie in Anspruch nehmen, gibt es Frauenorganisationen, die sich dafür einsetzen, dass die Erziehungszeit hälftig gewährt wird. Wenn ein Elternteil ihn nicht in Anspruch nimmt, verfällt er ersatzlos. Würden sie das tun, wenn sie nicht bereit wären, ihren Teil zur finanziellen Situation beizutragen?

Was Frauenorganisationen tun und was Frauen tun sind zwei verschiedene Dinge. Jahrzehntelang hat der traditionelle Feminismus gepredigt, die Frauen muessten weg von den drei 'K' (Kueche, Kinder und Kirche). Der Erfolg unter der weiblichen Anhaengerschaft war ziemlich gering; zwar sind heutzutage die meisten Frauen erwerbstaetig, aber eben nur Teilzeit. Und von den beiden ersten 'K' scheinen viele gar nicht wegkommen zu wollen. Deshalb hat der moderne Feminismus aus dieser Not eine Tugend gemacht und beklagt sich zwar dauernd ueber die mangelnde Vaeterbeteiligung an Erziehung/Haushalt und engagiert sich auch in solchen Projekten wie eben der Erziehungszeit. Gleichzeitig postulieren Feministinnen, dass der Mann eine geringere Sozialkompetenz aufweisen, dass nur die Mutter wisse, was das beste ist fuer die Kinder, dass der beste Weg, die Kinder zu unterstuetzen ueber die Mutter fuehre, dass der Mann ja sowieso kein Interesse an Kindern habe, usw., usf. Beweisen laesst sich keine einzige dieser Behauptungen, aber die Inkonsistenz zwischen der Aufforderung an den Vater, sich staerker in der Familie zu engagieren und dem gleichzeitigen Absprechen von der dazu notwendigen Kompetenz/Interesse verursacht natuerlich bei Maennern Verunsicherung und Verwirrung. In der Realitaet will frau die Kontrolle ueber die Familie nur selten aus der Hand geben, was sich beispielsweise auch an der weit verbreiteten Praxis niederschlaegt, bei der Trennung die Kinder zu behalten. Diese doppelboedige Argumentation ist einzig und allein zur Aufrechterhaltung des Status quo nuetzlich, womit diese Organisationen dann wiederum begruenden, dass sie auch weiterhin notwendig seien, um ebendiese Missstaende zu beseitigen; die Gleichberechtigung sei natuerlich noch laengst nicht erreicht.

- Sexualmacht der Frauen.
Ein interessanter Aspekt, über den ich noch nachdenken muss. Was wäre Dein Vorschlag, wie man damit umgeht?
Spontan würde ich dazu sagen, dass dieses Ungleichgewicht im Alter bis 30 gültig sein mag. In einer späteren Altersphase jedoch ist es inzwischen bekannt, dass in den Beziehungen Frauen durchaus mehr Appetit haben können als Männer. Was machen wir dann? Ich denke mal, es ist eher eine anders geprägte Sexualtität, die die Geschlechter unterscheidet.

Im obigen Abschnitt vermischst Du willkuerlich Appetit auf Sex mit Sexualmacht. Die Sexualmacht kann auch eingesetzt werden ohne notwendigerweise Appetit auf Sex zu haben. Ausserdem ist die Sexualmacht laengst nicht nur auf Aussehen und Alter zu reduzieren, ebenso wichtig sind die erotische Ausstrahlung, der Charme, usw. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass Du Joergs Hinweis auf den Einfluss der Sexualmacht in der Machtkonstellation zwischen den Geschlechtern nicht verstanden hast.

In der Hoffnung, nicht genervt zu haben,

So schnell lass' ich mich nicht nerven.

Gruss

Maesi


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