Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Verminderte Zurechnungsfähigkeit durch Alkohol ?

Garfield, Wednesday, 03.08.2005, 17:01 (vor 7044 Tagen) @ Beobachter

Als Antwort auf: Verminderte Zurechnungsfähigkeit durch Alkohol ? von Beobachter am 03. August 2005 12:25:

Hallo Beobachter!

"Die Entscheidungsfrage, ob hier Mord oder Totschlag vorliegt, ist für uns eigentlich nur sinnvoll in Zusammenhang mit der Frage, ob gleiche Kriterien dann auch angewandt würden im Falle einer vergleichbaren männlichen Täterschaft."

Das sehe ich prinzipiell genauso. Wenn es um "normale" Tötungsdelikte geht, also um Mord oder Totschlag an Erwachsenen oder nicht sehr jungen Kindern, dann werden Frauen laut Statistik sogar im Durchschnitt strenger bestraft als Männer.

Aber nicht etwa, weil die Gerichte Männer hier bevorzugen würden. Es ist eben so - wie du hier ja auch geschrieben hast - daß mildernde Umstände bei Männern häufiger berücksichtigt werden können. Es kommt eben häufiger vor, daß Männer im Affekt töten oder daß man ihnen einen Vorsatz zumindest nicht so einfach nachweisen kann.

Bei Frauen ist das anders. Sie verlassen sich grundsätzlich weniger auf ihre Körperkraft und neigen deshalb auch weniger zu spontanen Gewaltaktionen. Sie planen eine Tötung häufiger genau voraus, legen sich Waffen zurecht oder benutzen Gift. Da kann ein Richter dann auch mit Frauenbonus und größter Nachsicht nicht mehr so einfach mildernde Umstände finden. Da ist auch der Vorsatz häufig so offensichtlich, daß die Anklage einfach auf Mord lauten muß.

Morde an Kleinstkindern aber sind da eine Ausnahme. Hier werden Müttern mildernde Umstände angerechnet, die Männer so niemals angerechnet bekommen würden. Da wird dann davon ausgegangen, daß die Mutter mit dem Kind überfordert war, man kalkuliert Wochenbettdepressionen ein usw.

Überhaupt hat es eine lange Tradition, Kindstötungen zu verharmlosen. Manchmal wurden sie systematisch betrieben, beispielsweise bei den Eskimos. Dort tötete man viele weibliche Neugeborene, um die Zahl der Frauen an die durch Jagdunfälle stark dezimierte Zahl der Männer anzupassen. Aus dem alten Ägypten sind Fälle überliefert, in denen Menschen während Dürreperioden neugeborene Kinder töteten. Im antiken Rom und Griechenland war es ebenfalls üblich, Neugeborene zu töten, wenn man sie nicht ernähren konnte. Verhütungsmittel gab es ja praktisch noch nicht, und ein neugeborenes Kind wurde noch nicht als vollwertiger Mensch betrachtet. Als sich in Europa das Christentum ausbreitete, wurden auch Morde an Kleinstkindern strafbar. So manche Mutter löste dieses Problem, indem sie ihr Kind einfach vernachlässigte und es so sterben ließ - das trug mit zur hohen Kindersterblichkeit in früheren Zeiten bei.

Noch bis 1997 bestimmte in Deutschland der Paragraph 217 im Strafgesetzbuch, daß für Mütter bei Kindstötungen nach der Geburt grundsätzlich mildernde Umstände berücksichtigt werden sollten. Solch eine Kindstötung galt damit auch nicht als Mord, und die Täterinnen wurde entsprechend milde bestraft.

Das mag nun zwar gesetzlich anders sein, aber wenn ich mir die hier schon mehrfach genannten Gerichtsurteile in aktuellen Fällen ansehe, habe ich nicht das Gefühl, daß sich an der realen Rechtssprechung seit 1997 viel geändert hat.

Da sehe ich schon noch einen Unterschied zwischen Frauen und Männern.

Freundliche Grüße
von Garfield


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