Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Manpower contra Frauenpower

Garfield, Thursday, 17.11.2005, 19:25 (vor 6937 Tagen) @ Ekki

Als Antwort auf: Re: Manpower contra Frauenpower von Ekki am 16. November 2005 14:48:

Hallo Ekki!

"Wieso ist es unsereinem so unglaublich einfach gemacht worden, ledig und kinderlos zu bleiben?"
"Es geht hier darum, daß hier in Polen das Kinderkriegen als Selbstzweck und höchster Lebenszweck angesehen wird. Karriere ist eher Nebensache."

Erst einmal ist in Polen der katholische Glaube ja weit verbreitet. Das legt vielen Menschen eine konservativere Haltung nahe.

Aber ich denke, das ist nicht der wesentliche Grund. Der besteht eher darin, daß der Lebensstandard in Deutschland durch die jahrzehntelang besseren Umstände eben auch viel höher gestiegen ist.

Wie war das denn in früheren Zeiten, also noch vor 80 Jahren? Da waren viele Menschen froh, wenn sie genügend Geld hatten, um sich eine Mietswohnung und ein paar schöne Möbel dafür leisten zu können. Von einem eigenen Haus oder einem eigenen Auto konnte die Masse der Bevölkerung nur träumen. Man war froh, wenn man ein Fahrrad hatte, manch einer kaufte sich ein Motorrad, aber mehr war nicht drin. Man hatte also auch nicht viel zu verlieren, hormonelle und damit leicht anzuwendende Verhütungsmittel gab es nicht, und wenn es sie gegeben hätte, dann hätten viele Menschen sie sich nicht leisten können. Also setzte man ein Kind nach dem anderen in die Welt.

Und das konnte man sich sogar locker leisten, denn die Kinder hatten damals keine so langen Schulzeiten wie heute. So gingen sie sehr viel früher in die Lehre, verdienten also sehr viel früher als heute eigenes Geld und unterstützten damit oft noch Eltern und Geschwister. Jüngere Kinder, die noch nicht berufstätig waren, halfen im Haushalt und bei der Betreuung der kleinsten Kinder.

Mit steigendem Wohlstand änderte sich das radikal. Nun rückte plötzlich ein eigenes Auto und ein eigenes Haus auch für Normalverdiener in den Bereich des Möglichen. Also sparte man darauf und hatte damit schon einmal weniger Geld für Kinder übrig.

Gleichzeitig stiegen die Schulzeiten aber auch an. Dies war auch nötig, weil seit Ende der 1960er Jahre wieder mehr Stellen wegfielen als neu entstanden, und zuerst traf es vor allem Stellen für Niedrigqualifizierte. Eltern mußten ihre Kinder nun immer länger zur Schule schicken, damit sie später noch eine Chance auf ein gutes Einkommen hatten.

Dann kam noch die Pille dazu, so daß auf einmal ein bequem anzuwendendes Verhütungsmittel vorhanden war, das sich viele Paare mit den mittlerweile gestiegenen Einkommen auch problemlos leisten konnten. Das brachte dann schon mal einen deutlichen Einbruch der Geburtenzahlen.

Und die Wirtschaft entdeckte die Kinder als leicht beeinflussbare Konsumenten. Um ihnen (und damit der Wirtschaft) Geld zu verschaffen, verpflichtete man die Eltern gesetzlich zu Taschengeldzahlungen. Seitdem türmt sich in Kinderzimmern das Spielzeug. Musikanlagen, Fernseher, Computer, Spielekonsole, teure Spiele dafür, Handies und andere teuren Produkte hielten Einzug in die Kinderzimmer, was noch mehr Kosten für die Eltern verursachte und die Kinderzahl de facto weiter limitierte.

Heute haben wir nun die Situation, daß die Einkommen sinken, bei gleichzeitig weiter steigenden Lebenshaltungskosten. Immer mehr Menschen müssen um ihre Jobs fürchten, und mit einer ausreichenden Rente kann trotz steigener Rentenbeiträge kaum noch jemand rechnen. Für private Vorsorge ist oft auch kaum Spielraum vorhanden.

Was kann man da nun tun? Auf Haus und Auto verzichten und wieder wie früher leben? Theoretisch schon. Praktisch geht das aber nicht so einfach.

Ein Auto braucht man heute häufig, um zur Arbeit zu kommen. Nicht jeder hat das Glück, mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren zu können oder eine bezahlbare und auch sonst günstige Verbindung über öffentliche Verkehrsmittel zu haben. Bei Einstellungen wird ein Auto heutzutage auch oft schon erwartet, denn das bedeutet, daß der Mitarbeiter zeitlich flexibel ist und problemlos jederzeit Überstunden schieben kann. Das bedeutet für viele Menschen: Ohne Auto kein Job.

Und nicht nur das: Heute gibt es nicht mehr an jeder Ecke einen kleinen Laden. Vor allem auf dem Land muß man heute oft weite Strecken fahren, um einzukaufen. Damit sich das lohnt, kauft man natürlich viel auf einmal - und das kriegt man mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht weg. Dafür braucht man heute also auch ein Auto.

Am Auto können viele Menschen also schon mal nicht sparen.

Wie sieht's nun mit dem Haus aus? Man kann natürlich zur Miete wohnen. In manchen Gegenden sinken die Mieten mittlerweile sogar. Das sind dann aber auch Gegenden, in denen man jederzeit damit rechnen muß, im Dunkeln von hinten niedergeschlagen und ausgeraubt zu werden. Oder wo man sein Auto fast jeden Morgen aufgebrochen vorfindet. Oder wo man sich mit besoffenen Nachbarn herumärgern darf. Also versucht man natürlich, in eine bessere Gegend zu kommen - nur da sind die Mieten immer noch hoch. So hoch, daß man damit auch ein Haus abzahlen kann. Bevor man jeden Monat Miete zahlt, von der man langfristig nichts hat, investiert man das Geld doch lieber in ein eigenes Haus. Zumal das ja auch eine Art der Altersvorsorge ist, denn im Alter hat man dann wenigstens den hohen Kostenfaktor Miete nicht, was die zu erwartenden Rentenverluste ausgleicht. Nur durch die nicht mehr zu zahlende Miete können sich viele diese Form der Altersvorsorge überhaupt noch leisten.

Dann ist man finanziell durch die steigenden Kosten für das Auto und die Kreditraten stark belastet, und so scheut man natürlich vor Kindern zurück. Gar nicht so sehr wegen der so zu erwartenden Kosten, sondern viel mehr aufgrund des zu erwartenden Verdienstausfalls, der die weitere Zahlung der Kreditraten häufig unmöglich machen würde.

Und dann kommt noch etwas dazu: Wenn man seinen Kindern eine berufliche Perspektive sichern möchte, muß man ihnen eine gute Ausbildung verschaffen. In öffentlichen Schulen wird das heute teilweise immer schwieriger. Vor allem in Gebieten mit hohem Ausländeranteil können viele Schüler kaum Deutsch, was den Unterricht enorm behindert. Aber auch anderswo ist es heute üblich, daß die Kinder während des Unterrichts über Tische und Bänke laufen und entsprechend wenig lernen. Wenn man seinen Kindern das ersparen möchte, gibt es nur eine Lösung: Privatschule. Das kostet aber auch wieder Geld, das viele Menschen nicht mehr haben.

Wenn sie dann trotzdem Kinder bekommen, müssen sie damit rechnen, daß sie diese Kinder noch im Alter mit durchfüttern müssen. Das muß nicht so kommen, und es hängt natürlich auch sehr vom Kind ab, aber es kann so kommen.

Es bleibt abzuwarten, wie sich das in Polen entwickeln wird. Ich befürchte, daß es dort ähnlich kommen wird. Vielleicht nicht ganz so extrem, aber die Entwicklung wird wohl auch in etwa so sein, oder wie siehst du das?

Freundliche Grüße
von Garfield



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