Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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excellentes Posting! owT

Lupus, Tuesday, 02.05.2006, 23:39 (vor 6779 Tagen) @ Maesi

Als Antwort auf: Re: Eva Hermann: EMMA ruft zum Mobbing auf... von Maesi am 02. Mai 2006 20:29:51:

Hallo susu

Das kann aber ein juristisches Problem werden, wenn Herman gegen eine solche Beurlaubung klagen würde.
Halte ich für unwahrscheinlich. Zwar könnte sie wohl gegen eine allgemeine Suspendierung klagen, allerdings besteht meines Wissens nach kein Rechtsanspruch auf Sendezeit für Moderatoren.

Art. 5 des GG garantiert u.a. auch die Meinungsfreiheit:
'Artikel 5
[Meinungs-, Informations-, Pressefreiheit; Kunst und Wissenschaft]
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu aeussern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugaenglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewaehrleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persoenlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.'
Ob bei einer allfaelligen Suspendierung eine Verfassungsklage moeglich/aussichtsreich waere, kann ich nicht beurteilen. Trotzdem sollte man diesen Artikel den Emma-Machern wieder mal in Erinnerung rufen; immerhin schuetzt er ja auch ihre Taetigkeit. Sollte es zu einer Suspendierung oder gar Entlassung Hermans kommen, waere der juristische Teil IMHO von eher untergeordneter Bedeutung; weit bedeutender waere die politische Komponente. Frau Herman hat lediglich ihr verfassungsmaessig garantiertes Recht auf freie Meinungsaeusserung wahrgenommen, sie keine in Absatz 2 aufgezaehlten Schranken verletzt. Sie hat desweiteren als Privatperson gehandelt und ihre Meinung nicht als jene der Tagesschau-Redaktion oder gar des Senders, wo sie arbeitet, ausgegeben; auch in dieser Hinsicht haben ihre Arbeitgeber also keinerlei Anlass irgendwelche Massnahmen in Erwaegung zu ziehen. Allenfalls kann der betroffene Sender sich von den Aeusserungen Frau Hermans distanzieren, damit auch der verbohrteste Holzkopf schnallt, dass sie als Privatperson gehandelt hat.

...und somit ist es eben kein Gleichstellungsgebot, sondern ein Gleichbehandlungsgebot, welches sich zwangsläufig aus dem Gleichberechtigungsgebot ergibt.
Nein. Der Überbegriff ist die Gleichbehandlung. Gleichberechtigung bedeutet Gleichbehandlung durch die Justiz. Gleichbehandlung durch andere Organe des Staates, Körperscahften und Privateleute heißt Gleichstellung und folgt nicht zwangsläufig aus der Gleichberechtigung.

Ich zitiere hier nochmals das Grundgesetz:
'Artikel 3
[Gleichheit vor dem Gesetz; Gleichberechtigung von Maennern und Frauen; Diskriminierungsverbote]
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Maenner und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat foerdert die tatsaechliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Maennern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religioesen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.'
Von Gleichstellung steht hier gar nichts, nur von Gleichberechtigung. Der Rahmen der Gleichberechtigung ist durch das GG vorgegeben und umfasst auch das Diskriminierungsverbot. Was Du unter Gleichstellung verstehst, weiss ich ich nicht; aber Deine Behauptung 'Gleichbehandlung durch andere Organe des Staates, Koerperschaften und Privatleute heisst Gleichstellung und folgt nicht zwangslaeufig aus der Gleichberechtigung' ist widerlegt, sofern man den Artikel 3 GG der Gleichberechtigungsdefinition zugrundelegt. Denn an die Gesetze haben sich alle zu halten - egal, ob staatliche Organe, Koerperschaften oder Privatleute.

Gleichstellung dagegen beinhaltet dirigistische Maßnahmen, mit denen z.B. durch einseitige Förderung, Subventionen, gezielte Benachteiligung von Männern, Unterschiede nivelliert werden sollen, z.B. bei der Besetzung von Vorstandspositionen in der Wirtschaft. Das ist mit dem Gleichberechtigungsgrundsatz überhaupt nicht zu rechtfertigen. Schließlich haben auch Frauen das Recht, solche Positionen einzunehmen.
1) Gleichstellung beinhaltet nicht zwangsläufig Dirigistische Maßnahmen.

Grau ist alle Theorie! In der politischen Praxis basiert Gleichstellung praktisch nur auf dirigistischen Massnahmen (z.B. Gender Mainstreaming). Soweit es sich um Gesetze handelt, koennen umgesetzte Massnahmen sogar nur dirigistischer Natur sein. Nennen wir das Kind beim Namen: Gleichstellung wird in der Praxis normalerweise im Sinne einer Gleichschaltung verstanden; irgendwo wird eine Differenz zwischen den Geschlechtern festgestellt, und das wird dann sofort und ohne weitere Nachforschungen als ungerecht hingestellt. Diese antiliberale Gleichstellungsideologie erhebt dabei alles zur oeffentlichen Angelegenheit: das Geschlecht der Aussteller an einem Christkindlmarkt ebenso wie die geschlechterspezifische Aufteilung der Hausarbeit in den Familien oder das (maennliche) biologische Geschlecht von Aufsichtsraeten/operativen Geschaeftsleitungen multinationaler Konzerne. Folgerichtig masst sich diese Ideologie auch an, ueberall dirigistische Massnahmen zu erlassen und zu vollziehen.
Die liberale Form der Gleichberechtigung jedoch anerkennt die Grenzen zwischen der oeffentlichen Sache (res publica) und den Privatangelegenheiten. Was Privatangelegenheiten anbelangt hat die Republik keinerlei direkte Einmischungsbefugnis. Deshalb koennen Ehepaare nach ihrem Gusto die Haus- und Erwerbsarbeit unter sich aufteilen, ohne dass den Staat das etwas angeht; deshalb kannst Du als Privatperson wen immer du willst in Deine Wohnung lassen oder eben nicht reinlassen, ohne dass ein von Dir Abgewiesener sich auf die Gleichberechtigung berufen kann und von Dir als Wohnungsinhaber eine Gleichbehandlung rechtlich erzwingen kann.

2) Du legst den Finger auf den wunden Punkt. Richtig, sie haben das Recht sich für diese Positionen zu bewerben. Und sie haben das Recht diese Positionen einzunehmen, wenn sie eingestellt werden. Allerdings gibt es in solchen Fällen Entscheidungsträger, die eventuell Frauen und Männer nicht gleich behandeln. Und in solchen Fällen können weder Frauen noch Männer sich auf die Gleichberechtigung berufen. Allerdings auf das allgemeine Gleichbehandlungsgebot in Absatz 3 (auch wenn es kaum eine Möglichkeit gibt, es durchzusetzen).

Juristisch koennen sie sich zweifellos darauf berufen. Das aendert natuerlich nichts daran, dass dieser Absatz im Widerspruch zum propagierten Ideal steht. Geschlechtliche Gleichbehandlung durchzus

etzen, indem man die Menschen aufgrund des Geschlechts ungleich behandelt, ist ein Widerspruch in sich. Diese Denke impliziert auch, dass die staatlichen Organe ueber dem von ihnen propagierten Gleichbehandlungsgebot, welches fuer den Normalbuerger gilt, stehen; ansonsten duerften sie die Normalbuerger (=Untertanen) ja gar nicht ungleich behandeln. Eine aeusserst gefaehrliche Denke!

Mit der Einfuehrung des Antidiskriminierungsgesetzes (eine geradezu klassische dirigistische Massnahme) soll beispielsweise die Beweislast dem Arbeitgeber aufgebuerdet werden. Wenn dieses Gesetz kommt (und ganz so sieht es derzeit aus), waere also die weibliche Bewerberin fuer einen Vorstandsposten am erheblich laengeren Hebel, denn ihr Arbeitgeber in spe muesste nachweisen, dass er sie NICHT diskriminiert hat. Und sowas ist in der Praxis nahezu unmoeglich, es sei denn die abgelehnte Bewerberin wiese eine erhebliche Minderqualifikation auf - wobei in Einzelfaellen selbst die 'erhebliche' Minderqualifikation einer weiblichen Bewerberin gem. EuGH (vgl. Rechtssache C-407/98 Abrahamsson und Anderson gegen Elisabeth Fogelqvist) kein Grund zur Verweigerung einer Anstellung darstellt, sofern die Bewerberin 'ausreichend' qualifiziert ist.
Fazit: Im Rahmen der real existierenden Gleichstellungspolitik haben wir zwei Stossrichtungen:
1. die immer staerkere Ausweitung der gleichstellungspolitischen Definitions- und Regelungsmacht in privaten Bereichen und
2. die zunehmende Tendenz zur Beweislastumkehr, die nicht mehr vom Diskriminierten die Beweisfuehrung fuer eine stattgefundene Diskriminierung verlangt sondern vom mutmasslichen Diskriminierer die Beweisfuehrung, dass er NICHT diskriminert hat.
Gruss
Maesi


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