Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Väterradio: Kindesentzug im Frauenhaus

Maesi, Tuesday, 22.03.2005, 00:38 (vor 7578 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: Väterradio: Kindesentzug im Frauenhaus von susu am 19. März 2005 18:03:27:

Hallo susu

Die Angebote für Frauen sind gewollt parteilich. Das ist Solidarität mit den Opfern von häuslicher Gewalt. Dadurch ist aber auch ein Missbrauch der Mütter durch Aufenthalte in den Frauenschutzhäusern möglich. Väter können unberechtigter Weise sofort den Kontakt zu ihren Kindern verlieren. Die Mütter können durch den Einzug in ein Frauenschutzhaus sogar in die Anonymität gegenüber den Vätern verschwinden, ohne dass geprüft wird, ob die Vorwürfe überhaupt zutreffen oder berechtigt sind. Damit können die Mütter die Frauenschutzhäuser dazu missbrauchen, dass ihre Kinder über viele Monate den Kontakt zu den Vätern verlieren.

Gleichzeitig hat die Parteilichkeit auch ihre Schattenseiten. An erster Stelle steht hier die Möglichkeit der mißbräuchlichen Nutzung eines Angebotes. Das ist durch den Vertrauensvorschuß, der durch Parteilichkeit gegeben ist immer möglich, egal ob die parteiliche Stelle jetzt ein Frauenhaus oder der Vafk ist. Für die betreffenden Stellen ist es Notwendig diese Möglichkeit zu verdrängen, weil sie ansonsten den Vertrauensvorschuß nicht leisten könnten und damit die Vorteile der Parteilichkeit einbüßten. Keine Gruppe definiert sich über ihren Mißbrauch, aber parteiliche Gruppen werden gerne über diesen Mißbrauch definiert. Wenn ich einige der Reaktionen hier auf Frauenhäuser lese und die Aussagen mit dem Text zur Arte-Dokumentation vergleiche, sehe ich die Parallelen: "Es gibt zwar ein berechtigtes Interesse, aber Organisation X öffnet dem Mißbrauch Tür und Tor." Das ist die Crux an der Parteilichkeit.

Ich bin nicht sicher, ob die Parteilichkeit im konkreten Einzelfall tatsaechlich von so grossem Nutzen ist. Wenn immer das Paar noch gespraechsbereit ist, sollte IMHO der systemische Ansatz gewaehlt werden. Ich sehe es aehnlich wie beim Alkoholismus, dort gibt es bei Paarbeziehungen auch den Alkoholiker und den Co-Alkoholiker; eine Therapie ist dann am ehesten erfolgversprechend, wenn beide (sowie das gesamte relevante Umfeld) miteinbezogen werden. Eine parteiliche Therapie (bzw. Hilfe) ist im Grunde genommen eine Bankrotterklaerung; es geht dann nicht mehr darum, eine Paarbeziehung zu retten, indem man die Verhaltensweisen der Beteiligten aendert sondern nur noch um eine mehr oder weniger reibungslose eine Trennung der Kontrahenden. Am schnellsten geht eine solche Trennung, wenn man einfach dem einen die ganze Schuldenlast aufbuerdet und dem anderen die Absolution erteilt - mit der Realitaet hat das aber in den meisten Faellen wenig zu tun.

Das zweite Problem betrifft die Verallgemeinerung. Eine parteiliche Organisation wird immer nur eine Partei hören. Es ist schwer das in der öffentlichen Sebstdarstellung zurückzunehmen, ohne dabei die parteilichkeit zu riskieren. Ein Satz wie "Die Angebote für Frauen sind gewollt parteilich. Das ist Solidarität mit den Opfern von häuslicher Gewalt." ist eine Gratwanderung. Zum einen ist klar, daß auch diese Parteilichkeit wichtig ist, zum anderen kommt es hier zum Konflikt mit der eigenen Parteilichkeit.
Und hier tritt das dritte Problem zu Tage: Zwar ist es sinnvoll und richtig wenn verschiedene parteiliche Organisationen komunizieren und kooperieren, aber dabei kommt es unweigerlich zu Konflikten zwischen den Organisationen. Die Frage wie diese Konflikte zu reduzieren oder gar ganz zu vermeiden sind wird meiner Meinung nach entscheidend sein für langfristige sinnvolle Zusammenarbeit.

IMHO gibt es noch ein weiteres Problem:

Frauenhausexperten beherrschen mit ihrer ganzen Parteilichkeit den Diskurs um Haeusliche Gewalt. Selbst wenn die Parteilichkeit notwendig ist, um im konkreten Fall den Opfern zu helfen, so ist sie andererseits schaedlich, wenn es um die politische Auseinandersetzung mit dem komplexen Thema geht. Gerade weil diese parteilichen Helfer oftmals als Experten in Sachen Haeuslicher Gewalt auftreten, werden gewisse (unliebsame) wissenschaftliche Fakten so konsequent ignoriert - praktisch jede politische Kampagne gegen Haeusliche Gewalt sowie die Schulungen von Polizeibeamten und Richtern atmen den Geist dieser Frauen-sind-Opfer-und-Maenner-sind-Taeter-Parteilichkeit.

Die Frauenhausbetreiberinnen haben ihre Kompetenzen schon lange ueberschritten. Sie sind laengst nicht mehr nur die selbstlosen Helfer von vor 25 oder 30 Jahren; sie sind vielmehr inzwischen zu Demagogen mutiert, die Politik, Verwaltung und Gesellschaft mit ihrem Halbwissen desinformieren - selbst wenn sie mit ihren Behauptungen in offensichtlichem Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen. In letzter Konsequenz werden dabei die eigentlich unparteiischen Organe des Rechtsstaates vereinnahmt und korrumpiert. Und das ist IMHO weit gefaehrlicher als die drei vorher von Dir aufgefuehrten Probleme, weil dann eben nicht mehr bloss isoliert Missbrauchsfaelle auftreten (die gibt es naemlich immer), sondern nach und nach im Rechtsstaat die Parteilichkeit integraler Bestandteil des Systems selbst wird und damit zum Missbrauch geradezu einlaedt.

Die Unparteilichkeit des Rechtsstaates ist aber sein wichtigstes Kapital; nur durch seine Unparteilichkeit ist der Staat glaubwuerdig und kann damit seine Autoritaet in Rechtsangelegenheiten aufrechterhalten. Wer hingegen von einem parteilichen (Un-)Rechtsstaat keine Chance auf ein gewisses Mindestmass an Gerechtigkeit erhaelt, wird diesen Staat auf Dauer nicht akzeptieren.

Gruss

Maesi


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