Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Neoliberal

Garfield, Wednesday, 13.04.2005, 13:39 (vor 7555 Tagen) @ Peter

Als Antwort auf: Re: Neoliberal von Peter am 12. April 2005 18:37:

Hallo Peter!

"Auch unter Neoliberalen gibt es Sektierer, z.B. die von Ayn Rand inspirierten, das sollte aber nicht mit der Gesamtheit verwechselt werden."

Ich will ja nicht behaupten, daß alle Menschen mit neoliberalen Ansichten geldgeile Profitgeier sind. Das Problem besteht eben auch wieder darin, daß man Menschen mit idealistischen Zielen gern zur Verwirklichung weit weniger idealistischer Vorstellungen benutzt.

Das läuft wie in den Bauern-Verbänden: Sobald mal eine Senkung der horrenden Agrar-Subventionen im Gespräch ist, werden sofort Demos organisiert, an denen sich dann immer auch viele kleine Bauern beteiligen. Die sind oft tatsächlich der Ansicht, daß sie ohne diese Subventionen wirtschaftlich nicht überleben könnten.

Direkt scheint das auf den ersten Blick auch so zu sein. Tatsächlich sieht das aber anders aus: Diese Agrarsubventionen werden üblicherweise nach Masse gezahlt, also beispielsweise für die Landfläche. Ein Großbauer hat mehr Masse als ein Kleinbauer, also profitiert er auch mehr von diesen Subventionen als ein Kleinbauer. Ein französischer Großbauer sagte dazu in einer Reportage mal folgendes: "Was tue ich nun mit diesem Geld? Stelle ich dafür neue Mitarbeiter ein? Nein, ich habe doch genug. Kaufe ich dafür neue Maschinen? Nein, auch Maschinen habe ich genug. Also kaufe ich dafür neues Land. Denn dafür kriege ich dann ja noch mehr Subventionen." Woher kommt nun dieses Land? Es kommt von Kleinbauern, die aufgeben mußten. Die Subventionen erleichtern es also den Großbauern, die Kleinbauern vom Markt zu verdrängen. Vielen Kleinbauern wird dies nicht bewußt. Deshalb lassen sie sich willig von den Großbauern, die natürlich auch in den Bauern-Verbänden das Sagen haben, einspannen. Sie arbeiten also gegen ihre eigenen Interessen, ohne das zu bemerken.

Genauso läuft das auch mit Großkonzernen und kleinen und mittleren Unternehmen. Und letztendlich auch im sogenannten liberalen Lager.

"Sind Kartellgesetze gut oder schlecht an sich? sondern: Sind sie gut oder schlecht zur Steigerung der Produktivitaet?"

Kartellgesetze können für die Produktivität nur gut sein. Denn sie verhindern, daß ein Unternehmen eine Monopolstellung erreicht. Wenn ein Unternehmen ein Monopol hat, kann es mangels Konkurrenz die Preise frei diktieren, muß also nicht mehr effektiv arbeiten und auch nicht mehr innovativ sein.

"Wenn der Staat die Bedingungen kuenstlich verzerrt, sollte man sich ueber Subventionsausnutzung nicht wundern: Im Englischen heisst sowas auch "corporate welfare"."

Ja, aber wieso verzerrt der Staat die Bedingungen denn dermaßen? Sieh dir doch mal die Fakten an: Von Subventionen profitieren vor allem große Unternehmen. Große Unternehmen haben mehr Kapital als kleine. Bei Politikern und Parteien gibt es immer wieder Skandale um Korruption und Schwarzgeldkonten, bei Rot/Grün genauso wie bei Schwarz/Gelb. Und nun zähle mal eins und eins zusammen. Kann es nicht sein, daß der ganze Subventions- und Steuervergünstigungs-Dschungel, den mittlerweile schon nicht mal mehr Fachleute voll durchschauen, nur auf Initiative großer Unternehmen etabliert wurde?

Große Unternehmen dominieren aber allein durch ihre finanzielle Macht auch das "liberale" Lager. Wie soll so dieser Subventions- und Steuervergünstigungs-Dschungel durch die Liberalen abgeschafft werden?

"Profit kann sowohl kurzfristig als auch langfristig sein. Und ich bleibe dabei: Profit ist gut."

Gegen Profit an sich ist ja auch nichts einzuwenden. Das Streben nach Profit ist ganz natürlich und eine wichtige Triebkraft für die wirtschaftliche Entwicklung. Wenn man es richtig kanalisiert.

"Das Geld fliesst immer im Kreise, aber durch welche Taschen? In der Wirtschaftstheorie ist eher unerheblich, wer wieviel ausgeben kann."

Für die Wirtschafts-Praxis ist das aber keineswegs unerheblich. Wenn im einfachen Volk die Kaufkraft sinkt, dann wirkt sich das auf viele Unternehmen, die Waren des täglichen Bedarfs erzeugen, negativ aus. Wenn dafür die Kaufkraft einiger weniger steigt, dann ist das kein echter Ausgleich. Davon profitieren dann zwar einige wenige Unternehmen, die sich mit der Produktion von Luxusgütern befassen, aber die beschäftigen oftmals nur wenige Mitarbeiter, so daß nur wenig Geld wieder "nach unten" fließt. Noch fataler ist, daß heute von den Reichen im Lande auch noch viel Geld im Ausland investiert wird. Gerade weil die Kaufkraft in Deutschland sinkt.

Wenn man die Kaufkraft der kleinen Leute stärkt, dann kommt das also zum überwiegenden Teil der Wirtschaft in Deutschland zugute. Stärkt man die Kaufkraft der oberen Zehntausend, dann ist nicht sicher, wem das Geld direkt zugute kommt. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß ein großer Teil des Geldes auf anderen Märkten investiert wird, die im Gegensatz zum deutschen Markt ein hohes Wachstumspotenzial haben und damit stark steigende Gewinne versprechen.

"Auf Linderung akuter Not von Armen will auch nicht verzichten, aber dass der Verteilungskreislauf staatlicher Sozialsysteme den Buergern grosse Teile ihres erarbeiteten Geldes wegnimmt, stoert mich schon."

Das stört mich ebenfalls. Aber das ist ja vor allem deshalb nötig, weil es immer mehr Erwerbslose gibt. Würde man die Kauftkraft der Masse endlich wieder effektiv erhöhen, dann würde das neue Erwerbsmöglichkeiten generieren, die Arbeitslosenzahlen würden also sinken und damit auch die Sozialausgaben. Aber dafür müßten die Reichen eben auf einen Teil ihrer Einkommen verzichten. Das wollen sie natürlich nicht, da sie aber über ihre finanziellen Zuwendungen an Politiker und Parteien die Macht im Lande haben, wird das auch nicht getan. So fließt eben weiterhin das Geld vor allem nach oben, die allgemeine Kaufkraft sinkt weiter, die Arbeitslosigkeit steigt und die Sozialkosten damit auch, was dann wiederum die Kaufkraft durch steigende Sozialabgaben und Steuern noch weiter schwächt...

"Auch als Maskulist lege ich Wert auf eine Zurueckdraengung des Staates aus dem privaten Bereich, in dem er sich haeufig als Staatsfeminismus bemerkbar gemacht hat. Das Private ist privat (und nicht politisch)."

Das sehe ich genauso. Aber die sogenannten Liberalen werden uns da nicht wirklich weiter bringen, weil das nichts mit ihrer hauptsächlichen Zielsetzung zu tun hat. Sie behaupten nur, sich dafür einsetzen zu wollen, um so neue Anhänger zu gewinnen, denen sie ansonsten rein gar nichts positives zu bieten haben.

Freundliche Grüße
von Garfield


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