Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Entweder-Oder?

Maesi, Wednesday, 06.07.2005, 02:44 (vor 7073 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: Re: Entweder-Oder? von Garfield am 04. Juli 2005 16:32:20:

Hallo Garfield

"das matriarchat hat in der urgesellschaft funktioniert und an dieser urgesellschaft bedient sich auch der komunismus."
Das Matriarchat hat auch in der Urgesellschaft nicht allgemein funktioniert. Noch vor 50 Jahren glaubten manche Historiker an ein Urmatriarchat, aber mittlerweile gehen seriöse Historiker davon aus, daß es so etwas nicht gegeben hat. Matriarchate konnten sich immer nur unter ganz bestimmten Bedingungen herausbilden, nämlich überall da, wo die althergebrachten Tätigkeiten der Männer weniger wichtig waren.

Das Problem faengt schon mit den Begriffen an: Was sind Matriarchat, Patriarchat, Urmatriarchat? Wirklich befriedigende Definitionen gibt es bis heute nicht...

Ein weiteres Problem ist, dass ueber die sozialen und politischen Verhaeltnisse in der Vor- und Fruehgeschichte nahezu nichts konkretes bekannt ist; kein Wunder wird das 'Urmatriarchat' in diese mythische Zeit zurueckverlegt. Selbst in vergleichsweise gut erforschten Kulturen (z.B. Aegypten) weiss man sehr wenig ueber das 'Gemeine Volk' - also den zahlenmaessig weitaus groessten Teil der Menschen. Unser Wissen (soweit ueberhaupt vorhanden) beschraenkt sich auf vornehme Kreise, die mit Sicherheit ganz anders gelebt haben als die einfachen Menschen. Die meisten Matriarchatserzaehlungen kann man deshalb getrost der Fantasy-Literatur zuordnen, wobei die Faustregel gilt: je praeziser die Schilderungen ueber das Matriarchat desto geringer ist ihr Wahrheitsgehalt.

"da gibt es noch das problem arbeit. es ist einfach nicht genügen arbeit vorhanden, um das system einfach so weiter laufen zu lassen wie im moment. das sollte man auch mal berücksichtigen."
Das ist richtig. Aber das wird in naher Zukunft weder zu einem Matriarchat noch zum Kommunismus führen. Ganz im Gegenteil: Wenn die Menschen weniger Besitz haben, werden sie nur umso mehr bestrebt sein, sich irgendwie Besitz zu verschaffen. Mit allen Mitteln. Der Kapitalismus ist eine Mangelgesellschaft. Mangel ist allein schon deshalb notwendig, um die Preise in profitablen Höhen zu halten. Mangel weckt aber immer auch Begehrlichkeiten, und unter solchen Bedingungen kann es keinen Kommunismus geben.

Jede Gesellschaft ist eine Mangelgesellschaft, denn die Beduerfnisse des Menschen sind (ebenso wie seine Dummheit) unendlich.

Das hat sich ja auch in den Ostblockstaaten gezeigt. Deshalb kann es so etwas ähnliches wie Kommunismus erst geben, wenn wir technologisch in der Lage sind, zumindest an lebenswichtigen Gütern mehr als genug für alle zu produzieren, ohne daß dafür ein Mensch arbeiten muß. Oder aber daß jeder ohne großen Aufwand alles Lebensnotwendige selbst produzieren kann. Wir entwickeln uns in diese Richtung, sind aber noch lange nicht soweit.

Und werden es auch nie sein. Der Witz ist ja gerade, dass wir uns immer weiter davon wegentwickeln, dass 'jeder ohne grossen Aufwand alles Lebensnotwendige selbst produzieren kann'; das wuerde naemlich auf Autarkie hinauslaufen und eine autarke (oder quasi-autarke) Gesellschaft ist ein typisches Merkmal einer unterentwickelten Wirtschaft. Desweiteren entzuenden sich die Begehrlichkeiten nicht nur am Lebensnotwendigen sondern an allen Guetern, ja sogar an immateriellen Dingen. M.a.W muesste eine Gesellschaft alle materiellen und immateriellen Wuensche saemtlicher Individuen innerhalb nuetzlicher Frist erfuellen koennen, damit keinerlei Begehrlichkeiten mehr entstehen koennten; diesen Zustand wird die Menschheit aber nie erreichen. Demzufolge halte ich den 'reinen' Kommunismus fuer nichts als eine Utopie. Ich bin sogar der Ueberzeugung, dass die Wuensche wesentlich staerker wachsen als die Wirtschaft mit der Befriedigung derselben nachkommt - kurzum: die Diskrepanz zwischen Beduerfnis und Beduerfnisbefriedigung nimmt zu. Aus dieser Sicht liegt in bestimmten Religionen (z.B. Buddhismus, Christentum) eine bemerkenswerte Weisheit, die eine einfache Lebensfuehrung und die Abkehr von weltlichem Besitz, die bloss Ballast darstellen, fordern.

"das ist ja das übel. die frau hat die wahl und nach der muß mann sich richten. der mann als marionette des feminismus."
Im Prinzip war das auch früher schon so. Nur mit dem Unterschied, daß eine Frau da oft genausowenig Wahlmöglichkeiten hatte wie ein Mann. Aber nicht, weil sie vom Mann unterdrückt und in ihre Rolle gezwängt wurde, sondern weil die Verhältnisse es häufig weder Männern noch Frauen gestatteten, aus ihrem jeweiligen Rollenbild auszubrechen. Frauen wurden nun einmal immer wieder schwanger, wenn sie Geschlechtsverkehr hatten, und wenn sie sich dann nicht selbst ernähren konnten, dann mußte notwendigerweise jemand zumindest zeitweise für ihren Unterhalt sorgen. Manchmal übernahmen kirchliche Heime oder Verwandte diese Aufgabe, aber oft übernahm sie der Vater des Kindes. Und schon waren die Aufgaben klar verteilt.

Wir duerfen nicht vergessen, dass frueher wesentlich rigidere Sachzwaenge herrschten. Wirtschaftliche Not und fehlende Sicherheit liessen Menschen sich in Schicksalsgemeinschaften zusammenschliessen; diese Schicksalsgemeinschaften konnten einer potentiell feindlichen Umwelt besser entgegentreten, forderten aber von jedem einzelnen der darin Eingebetteten ein gewisses Zurueckstecken der eigenen Ambitionen zugunsten der Allgemeinheit. Die heutige Situation ist Ausdruck eines gesteigerten Wohlstandes, der es den Menschen haeufiger und eher erlaubt, aus den Schicksalsgemeinschaften auszubrechen. Wuerde der Wohlstand fuer grosse Teile der Gesellschaft substantiell sinken, dann erschienen die Schicksalsgemeinschaften (Familie) den Menschen wieder attraktiver.

Heute sehen diese Aufgaben für Männer immer noch genauso aus, nur die Frauen haben jetzt die freie Wahl und sind praktisch auch nicht mehr verpflichtet, den Leistungen ihrer Männer etwas entgegen zu setzen. Das schafft natürlich eine zunehmende Schräglage zuungunsten der Männer.

Langfristig gesehen, sehe ich dieser Schraeglage gelassen entgegen. Der Mensch ist ein opportunistisches Lebewesen. Maenner werden zunehmend durch die Lebensbedingungen dahingehend konditioniert, dass sie die momentan bestehende rechtliche und soziale Schraeglage durch opportunistisches Verhalten umgehen oder abmildern. Eine vielversprechende Taktik, die heutige Maennerausbeutung durch Unterhaltspflicht zu umgehen, ist Ekkis Modell des Verzichts auf Kinder; ich bin ueberzeugt davon, dass diese Taktik von immer mehr Maennern praktiziert wird - als Ausdruck eines allmaehlichen Bewusstseinswandels sehe die innerhalb von 10 Jahren zahlenmaessig stark gestiegene Gruppe der ueberzeugt Kinderlosen unter den Maennern. Staatliche Bestrebungen, Maenner durch immer neue Vorschriften (z.B. die unterhaltsrechtliche Angleichung der nichtehelichen an die ehelichen Partnerschaften) auszubeuten, werden kurzfristig moeglicherweise den gewuenschten Erfolg bringen, mittel- bis langfristig aber den Bewusstseinswandel nur noch beschleunigen.

Weit gefaehrlicher sind dauerhafte politisch motivierte Zwangsmassnahmen wie z.B. Gender Mainstreaming. Die gezielte und immer weitergehende Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts wird langfristig zwar (wiederum am opportunistischen Verhalten der Menschen) scheitern; sie wird jedoch erheblichen sozialen Sprengstoff erzeugen, der sich vermutlich irgendwann einmal entlaedt. Es ist immer wieder erstaunlich, dass an sich kluge und intelligente Menschen glauben, andere Menschen mit immer ausgekluegelteren Zwangsmassnahmen in einem bestimmten ideologischen Sinne umerziehen zu koennen; das hat bislang noch nie auf Dauer funktioniert, sofern diese Zwaenge der Natur des Menschen entgegenstehen. Und Ungleichbehandlung steht dem Gerechtigkeitsgefuehl so vieler Menschen derart diametral entgegen, dass sie mit immer kreativeren Methoden unterlaufen wird; das wiederum 'zwingt' das herrschende System die 'Abweichler' mit immer weitergehenden Kontrollmassnahmen aufzuspueren, um sie den Zwaengen doch noch zu unterwerfen. Ein Wettlauf, an dessen Ende das System noch immer den Kuerzeren gezogen hat - aber auch ein Wettlauf, der direkt in die Katastrophe einer Diktatur fuehren kann, sofern das System nicht fruehzeitig kapituliert...

Letztendlich ist das aber nicht das Verdienst des Feminismus, sondern wir haben das den Männern zu verdanken, die das Gejammere der Feministinnen immer wieder ernst genommen haben.

Ich unterscheide in Bezug auf Feministenfreunde zwei Gruppen unter den Maennern:

1. Ueberzeugungstaeter, die das Gejammere der Feministen wirklich ernstnehmen und sogar mitjammern; sie sind vergleichsweise selten und wirken oftmals wie die billige Karikatur eines Feministen - typischer Vertreter dieser Gruppe ist Christian Pfeiffer.

2. Mitlaeufer, die aus opportunistischen oder machtpolitischen Gruenden dem Feminismus Vorteile zuschanzen, ihn aber bei naechster Gelegenheit aus denselben Gruenden auch wieder fallenlassen wuerden, wenn er ihnen keinen Nutzen mehr bringt; sie sind ziemlich haeufig anzutreffen (v.a. auch an den Schalthebeln der Macht) - typische Verteter dieser Gruppe sind Kohl, Schroeder, Merkel, Fischer etc.

Natuerlich gibt es zwischen den beiden Gruppen stehend auch Mischexemplare: da waere insbesondere Geissler zu nennen, der in dieser Beziehung reichlich januskoepfig erscheint.

Gruss

Maesi


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