Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 1 - 20.06.2001 - 20.05.2006

67114 Postings in 8047 Threads

[Homepage] - [Archiv 1] - [Archiv 2] - [Forum]

Re: Entweder-Oder?

Maesi, Wednesday, 06.07.2005, 03:13 (vor 7073 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: Re: Entweder-Oder? von Garfield am 05. Juli 2005 11:23:46:

Hallo Garfield

"ok, dann stimmt wikipedia.de in dem fall nicht. hab da extra noch einen blick hinein geworfen."
Es hat nie wirkliche Beweise für das Ur-Matriarchat gegeben. Man hat u.a. immer wieder bei Ausgrabungen kleine Statuen von Frauen mit überaus ausgeprägten weiblichen Formen gefunden. Daraus folgerte man, daß das Abbildungen einer "Großen Göttin" wären und daß Frauen in der Urzeit wohl sehr angesehen gewesen wären.

Religion muss nicht notwendigerweise etwas mit den weltlichen Herrschaftsverhaeltnissen zu tun haben. Maria nimmt in der katholischen Konfession eine zentrale Stelle ein, trotzdem haben Frauen in der formellen katholischen Kirchenhierarchie nichts zu sagen. Auch Pallas Athene war bei den Griechen (insbesondere den Athenern) eine sehr hochangesehene Goettin. In der griechischen Politik, Gesellschaft und Kultur hatten nichtsdestotrotz die Maenner das Sagen.

Man muss allerdings auch festhalten, dass wir in der Geschichte sehr stark auf formelle Herrschaftssysteme fixiert sind. Das hat damit zu tun, dass diese noch am ehesten ueberliefert wurden. Der (maennliche) Koenig/Herrscher hatte die formelle Herrschaftsgewalt inne; er wurde verherrlicht, sein Name wurde ueberliefert. Ueber die informellen Herrschaftsverhaeltnisse ist demgegenueber nahezu nichts bekannt. Der maennliche Herrscher hatte ja auch keinerlei Interesse daran, sich als machtlosen Buettel von Frauen darzustellen - selbst dann nicht, wenn es der Wahrheit entsprach und er und womoeglich das ganze Volk das auch wussten. Die indirekte Herrschaft ueber informelle Strukturen ist eindeutig Domaene der Frauen; sie hatten meist auch wenige Alternativen.

Selbst heute liegt der Einfluss des Feminismus v.a. in informellen Herrschaftsverhaeltnissen; formell gesehen haben Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragte kaum irgendwelche Entscheidungskompetenzen, sie haben aber als Berater und als Beherrscher der Geschlechterdiskurse erheblichen Einfluss auf Legislative und Exekutive, ja die Gesellschaft insgesamt. Durch Schaffung weiterer buerokratischer Stabsstellen, fortschreitende Vernetzung derselben sowie Verabschiedung entsprechender Gesetzesgrundlagen werden diese informellen (und deshalb demokratisch nicht ausreichend legitimierten) Herrschaftsverhaeltnisse staendig weiter ausgebaut. Obwohl es fuer die ganze Geschichte der Menschheit bis heute deutliche Hinweise auf indirekte Herrschaftsverhaeltnisse ausgeuebt durch Frauen gibt, betrachtet der Feminismus lediglich die direkten/formellen Herrschaftsverhaeltnisse, denn nur sie stuetzen seine ideologischen Thesen von der unterdrueckten
Frau - selbst heute (angesichts der nahezu vollstaendig feministisch beherrschten Gleichstellungspolitik) stellen sich Feministen gerne als machtlose Kaempen dar, die die Interessen der Frauen gegen ein scheinbar uebermaechtiges Patriarchat durchsetzen muessen.

Als weiteres Indiz wurde die Existenz von Matriarchaten bei manchen urzeitlich lebenden Völkern genommen.

Man kann natuerlich die damaligen Herrschaftsverhaeltnisse vereinfacht mit dem Sammeletikett 'Matriarchat' versehen, das ist lediglich eine Frage der Namensgebung. Da die damaligen sozialen Verhaeltnisse weitgehend unbekannt sind, bezeichnet man damit etwas, was man nicht kennt und wohl auch nie naeher erforschen koennen wird. Ebensogut haette man der damaligen Herrschaftsform auch 'Vor-' bzw. 'Fruehackerbaugesellschaft' oder meinetwegen irgendeinen nichtssagenden Namen wie 'Hugo' verpassen koennen. 'Matriarchat' weckt im heutigen Menschen unweigerlich Assoziationen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den damaligen Menschen voellig unbekannt waren; es ist also ein irrefuehrender Begriff, der obendrein den Eindruck erweckt, als haette es damals eine flaechendeckend einheitliche Kultur gegeben. Selbst weitherum verbreitete Artefakte desselben Typs (z.B. Schnurkeramik) muessen aber nicht notwendigerweise auf eine einheitliche Kultur und Gesellschaft hinweisen. Zwar gibt es eindeutig belegte, weitreichende Handelsbeziehungen; trotzdem muss man davon ausgehen, dass die einzelnen Gesellschaftseinheiten relativ kleinraeumig waren und dachten, wenngleich sie mit ihren jeweiligen Nachbarn durchaus intensiven kulturellen Austausch pflegten. Serioese Historiker und Archaeologen sind deshalb sehr vorsichtig, wenn es darum geht, die damaligen Klein- und Kleinstgesellschaften und die darin herrschenden Verhaeltnisse zu charakterisieren.

Diese Frauen-Statuen stellen aber mit hoher Wahrscheinlichkeit einfach Fruchtbarkeitsgöttinnen dar. Deshalb auch die extremen weiblichen Formen (sehr breites Becken und riesige Brüste).

Der Mensch konnte zwar im Rahmen des Ueberganges zum Ackerbau die Natur bis zu einem gewissen Grad beeinflussen (etwa mit der ueber Jahrtausende hinweg zielgerichteten Zuechtung von immer ertragreicheren Pflanzen und Tieren, mit augekluegelten Bewaesserungssystemen, durch Umgraben der fruchtbaren Scholle etc.), trotzdem war er immer noch stark den Tuecken der Natur sowie dem Jahreszeitenwechsel ausgeliefert. Durch seine Sesshaftigkeit konnte er nicht mehr wie der Nomade einfach in Gebiete mit guenstigeren Bedingungen ausweichen, er musste vielmehr auf die von ihm angelegten Vorraete zurueckgreifen. Die Fruchtbarkeit der Landwirtschaft, die ueberhaupt erst das Anlegen von Vorraeten ermoeglichte, wurde dadurch zum entscheidenden Faktor, der das Ueberleben in den jahreszeitlichen Zyklen und in den klimatischen Schwankungen sicherstellte. Kein Wunder, dass Fruchtbarkeitskulte, Sonnen-, Wetter und andere Naturgoetter schnell eine wichtige Rolle spielten - sie mussten guenstig gestimmt werden, damit sie fuer Bedingungen sorgten, die ausserhalb der damaligen menschlichen Einflussmoeglichkeiten standen. Relativ rasch wird man dabei die Parallelen zwischen der Fruchtbarkeit der Menschen (resultierend aus der Vereinigung von Mann und Frau) und der Fruchtbarkeit der Pflanzen und Tiere erkannt haben.

Übrigens gab es häufig auch männliche Fruchtbarkeitsgötter. Im Karnak-Tempel in Luxor kann man beispielsweise heute noch eine Abbildung so eines Fruchtbarkeitsgottes sehen. Er ist deutlich an der Erektion zu erkennen.

Damit meinst Du wahrscheinlich den Gott 'Min', der ist tatsaechlich ein Fruchtbarkeitsgott und wird normalerweise mit erigiertem Penis dargestellt. Demgegenueber gibt es auch noch 'Hapi' als Gottheit des Nils, die oft als zweigeschlechtliches Wesen mit Penis und Bruesten dargestellt wird.

Und ich denke, daß die Völker, in denen es tatsächlich Matriarchate gegeben hat oder immer noch gibt, auch kein Beweis für ein Ur-Matriarchat sind. Denn warum lebten diese Völker unter so urzeitlichen Bedingungen? Das wird oft auf das Matriarchat zurück geführt. Ich sehe das anders: Ich denke, daß diese Matriarchate und auch die technologische Rückständigkeit dieser Völker eine gemeinsame Ursache haben: Sie mußten sich über lange Zeit hinweg nicht oder nur äußerst selten gegen menschliche Feinde behaupten, und es gab in ihrem Lebensraum auch keine gefährlichen tierischen Feinde. So waren zum einen die althergebrachten Tätigkeiten der Männer weniger wichtig und zum anderen gab es wenig Notwendigkeit für technologische Innovation. Unter diesen Ausnahmebedingungen konnten dann diese Matriarchate entstehen, und so kam auch die Rückständigkeit dieser Völker zustande. Meist lebten sie sehr abgelegen, und so konnte diese Rückständigkeit auch bis in die Neuzeit erhalten bleiben. Dadurch konnte dann leicht der Eindruck entstehen, daß alle urzeitlichen Völker im Matriarchat gelebt hätten.

Nochmals: Matriarchat ist eine voellig irrefuehrende und obendrein unpraezise Bezeichnung. Die sich ueber Jahrhunderte hinziehende und in verschiedenen Weltgegenden zu unterschiedlicher Zeit einsetzende Hochkulturbildung ist untrennbar mit den Vorteilen der Ackerbau- und Viehzuchtkultur verknuepft. Systematisch betriebener Ackerbau und die (u.U. weiterhin nomadisch oder halbnomadisch betriebene) Viehzucht zeigten dem Menschen voellig neue Perspektiven auf, forderten von ihm aber auch voellig neue soziale Strukturen. Aus den vorher fast voellig autark lebenden Kleinstgesellschaften (meist durch biologische Verwandtschaft miteinander verbunden) entwickelten sich immer staerker differenzierte Zweckgemeinschaften, die nicht mehr notwendigerweise durch Blutsbande zusammengehalten wurden.

Entgegen der feministischen Thesen fand diese Umstellung an den aeltesten Kulturorten schon lange vor der Erfindung der Schrift vor knapp 5000 Jahren statt. Erste Siedlungsspuren, die auf schon recht gut entwickelte Ackerbaukulturen hinweisen sind 10000 bis 12000 Jahre alt. Im Laufe von Jahrtausenden entwickelten sich die Ackerbaukulturen zu immer komplexeren Gesellschaften, bis irgendwann ein Komplexitaetsgrad erreicht wurde, der die Schrift notwendig machte, um den administrativen Ueberblick noch behalten zu koennen. Die Schrift wurde an mehreren Orten (interessanterweise nahezu gleichzeitig) entwickelt und weist in ihren Anfaengen eindeutig mnemonischen Charakter auf, die v.a. geeignet war Landwirtschaftserzeugnisse und andere anschauliche Gegenstaende buchhalterisch zu erfassen; die Quipu der Inka kamen beispielsweise nie ueber dieses Stadium hinaus, waren aber fuer die Verwaltung des Reiches voellig ausreichend. Erst im Laufe der ersten Haelfte des 3. Jahrtausends v.Ch. entwickelte die Schrift einen Abstraktionsgrad, der sie auch zum Niederschreiben von komplexen Gedanken geeignet machte.

Langeweile war ja auch der Hauptgrund für die Entstehung der Frauenbewegung. Es waren kaum einfache Frauen aus dem Volk, die die ersten Frauenorganisationen gründeten. Es waren häufig Frauen aus dem Bürgertum, die sich in der Frauenbewegung engagierten. Obwohl gerade diese Frauen zu den privilegiertesten Personen ihrer Zeit gehörten. Die hatten einfach Langeweile.

Langeweile und eine weitgehend abgesicherte materielle Versorgung; wobei ersteres nicht selten auf letzteres folgt. Wie schon mehrmals im Forum gepostet, ist der Feminismus IMHO Ausdruck eines bestimmten Minimalwohlstandes, der ueberhaupt erst solche Ueberlegungen erlaubt - boese Zungen behaupten sogar, es sei ein Zeichen von Dekadenz.

"in der urgesellschaft wird die sippe diese aufgabe übernommen haben."
Egal, wer genau Frauen während Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit unterstützte: Diese Aufgabe landete üblicherweise bei den Männern. Einfach deshalb, weil sie nie durch Geburt, Schwangerschaft und Stillzeit in ihrer Beweglichkeit und Leistungsfähigkeit eingeschränkt waren. Frauen dagegen waren dadurch sehr häufig eingeschränkt, weil sie üblicherweise ein Kind nach dem anderen bekamen und nicht wie heute oft nur ein oder zwei Kinder. So ergab sich automatisch die Rollenverteilung zwischen Frau und Mann.

Mit solchen (scheinbar plausiblen) Erklaerungen sollte man vorsichtig sein. Die Kindersterblichkeit war hoch, und deshalb war laengst nicht jede Frau andauernd mit reproduktiver Arbeit beschaeftigt. Das bedeutet aber auch, dass Frauen sehr wohl selbst in erheblichem Ausmass Produktionsarbeit haetten leisten und sich durch ihre Taetigkeit entsprechende Machtpositionen haetten erarbeiten koennen - ersteres haben sie wohl auch getan. Trotzdem existiert unleugbar die Tatsache, dass mit dem Erscheinen der ersten schriftlichen Primaerquellen (die die zeitgenoessischen sozialen Strukturen erstmals erhellen koennen) in allen Gesellschaften (einzelne) Maenner diese dominierten. Maenner erscheinen als erste namentlich bekannte Herrscher, Maenner scheinen die Schrift erfunden oder doch zumindest deren Weiterentwicklung durch ihre praktische Arbeit als Schreiber entscheidend vorangetrieben zu haben, maennliche Muskelkraft war die Grundlage zur Errichtung von Zweckbauten (Bewaesserungsanlagen, Reservoirs), Haeusern, Wehranlagen und Kultbauten. Es scheint so, als ob alle fruehen Hochkulturen in erster Linie eine Errungenschaft von Maennern waren, von Maennern mit Blut und viel Schweiss errichtet und verteidigt - und zwar von Maennern sowohl in der Rolle als Anfuehrer als auch in der Rolle des Arbeiters, Soldaten oder Sklaven. Vielleicht handelt es sich aber auch um eine eher zufaellig entstandene maennliche Dominanz, die ausgehend von wenigen Kernkulturen an andere Kulturen weitergegeben oder gar anderen (sich noch im Fruehstadium befindenden anders entwickelten) Gesellschaften mit Gewalt aufgezwungen wurde.

Hier koennten vielleicht Computersimulationen von Bevoelkerungs- und Kulturentwicklungen die Wissenschaftler voranbringen. Moeglicherweise entdeckt man durch Variieren von bestimmten Parametern tatsaechlich Gesetzmaessigkeiten, die sich auf bestimmte biologische Unterschiede zwischen Maennern und Frauen zurueckfuehren lassen. Allerdings handelt es sich hier um unglaublich komplexe Modelle, fuer deren Entwicklung wohl noch eine ganze Menge soziologischer Grundlagenarbeit geleistet werden muss, bis man sie in mathematische Algorithmen kleiden kann.

"muß man nur das machen, was die frauen auch gut können: ohren zuhalten."
Aber dazu müssen Männer erst einmal ihre uralten Instinkte, die ihnen sagen, daß sie es ihren Frauen (oder Frauen allgemein) unbedingt recht machen müssen, erkennen und unterdrücken. Dabei müssen sie aber auch differenzieren. Eine Partnerschaft kann nicht funktionieren, wenn jeder stur sein eigenes Ding durchzieht und keinerlei Rücksicht auf den anderen nimmt. Man muß dem Partner also auch mal entgegen kommen. Aber das muß dann eben auf Gegenseitigkeit beruhen.

Ich stelle mich auf den Standpunkt, dass Partnerschaft in erster Linie ein zweckorientiertes Konstrukt ist. Der Zweck der Familie (dessen Kern die Partnerschaft zwischen Mann und Frau bildet) ist seit jeher ein wirtschaftlicher; die Familie ist eine hervorragende Ueberlebensstrategie, die knapp bemessene Ressourcen oekonomisch. In einer Gesellschaft, in der jedoch die oekonomischen Vorteile der Familie immer obsoleter werden, stirbt die traditionelle Familie sukzessive ab: die moderne Mutti aus der Mutter-Kind-Teilfamilie ist sozusagen mit dem 'Ersatzvater' Staat 'verheiratet'; der Staat erarbeitet (anders als der traditionelle Vater) die materielle Versorgung der Mutter nicht selbst, er laesst vielmehr arbeiten - entweder den gesetzlich zum Unterhalt verpflichteten und mittels staatlicher Sanktionsdrohungen gefuegig gemachten Vater oder den Steuerzahler, mit dessen Kohle er allfaellige Sozialhilfe finanziert. Ansprechpartner fuer muetterliche (und allgemeiner auch feministische) Ansprueche ist der Staat, Alleinerziehendenverbaende sind das Sprachrohr der muetterlichen Anspruchgsruppe; entscheidend fuer die muetterliche Loyalitaet gegenueber dem Staat als Ersatzvater ist dabei lediglich, dass dieser Staat den Geldmittelfluss an die Muetter kontrolliert. Logische Konsequenz ist auch eine stetig abnehmende Bereitschaft der zunehmend ausgegrenzten Maenner, ueberhaupt noch Kinder zu zeugen; denn sie haben ausser viel Muehe und Arbeit nichts von der Familie, waehrend Frauen 'ihre' Kinder nicht mehr mit Maennern zu teilen brauchen aber trotzdem durch den Sozialstaat ausreichend versorgt sind. Natuerlich muss sich das im konkreten Einzelfall nicht notwendigerweise so verhalten, die gesellschaftliche Tendenz zu dieser Art der nicht-vaeterlichen Versorgung ist trotzdem unverkennbar.

Gruss

Maesi


gesamter Thread:

 

powered by my little forum