Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Entweder-Oder?

Garfield, Wednesday, 06.07.2005, 16:30 (vor 7072 Tagen) @ Maesi

Als Antwort auf: Re: Entweder-Oder? von Maesi am 05. Juli 2005 23:44:33:

Hallo Maesi!

"Jede Gesellschaft ist eine Mangelgesellschaft, denn die Beduerfnisse des Menschen sind (ebenso wie seine Dummheit) unendlich."

Das ist natürlich richtig, aber im Kapitalismus ist es zusätzlich noch so, daß Mangel wirklich wichtig ist, um das Hauptziel, nämlich Profit, zu erreichen. Nur wenn es Mangel an einem Gut gibt, sind die Menschen bereit, dafür hohe Preise zu zahlen. Deshalb wird dieser Mangel zuweilen sogar künstlich erzeugt, z.B. durch Vernichtung von bereits produzierten Gütern.

"Und werden es auch nie sein. Der Witz ist ja gerade, dass wir uns immer weiter davon wegentwickeln, dass 'jeder ohne grossen Aufwand alles Lebensnotwendige selbst produzieren kann'; das wuerde naemlich auf Autarkie hinauslaufen und eine autarke (oder quasi-autarke) Gesellschaft ist ein typisches Merkmal einer unterentwickelten Wirtschaft."

Jain. Autarkie muß nicht zwangsläufig ein Merkmal für Unterentwicklung sein. Und ich sehe auf manchen Gebieten durchaus einen Trend zur Autarkie. Mittlerweile kann man schon über Solarzellen selbst Strom erzeugen, es gibt Regenrückgewinnungsanlagen, mit denen man zumindest Wasser für die Toilettenspülung gewinnen kann usw. Wenn diese Entwicklung konsequent weiter verfolgt wird, dann könnten wir durchaus schon in wenigen Jahrzehnten soweit sein, sehr viele lebensnotwendige Güter selbst herzustellen. Technologisch wäre heute schon sehr viel mehr möglich als bisher realisiert wird. Es gibt ja auch viele Unternehmen, die ganz und gar kein Interesse an dieser Entwicklung haben und deshalb eifrig dagegen arbeiten.

"Desweiteren entzuenden sich die Begehrlichkeiten nicht nur am Lebensnotwendigen sondern an allen Guetern, ja sogar an immateriellen Dingen."

Ja, ich glaube auch nicht, daß in absehbarer Zukunft jeder Mensch beispielsweise ein eigenes interstellares Raumschiff haben kann. Es wird immer Begehrlichkeiten geben, die zwangsläufig unerfüllt bleiben müssen. In der DDR umschrieb man den Kommunismus mit dem Spruch "jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen". Das wird so nie realisiert werden können, da stimme ich dir zu.

Aber es wäre schon ein wesentlicher Fortschritt, wenn jeder Mensch alles das, was er wirklich zum Leben braucht, selbst ohne großen Aufwand herstellen könnte. Dann müßte man nur noch für Luxusgüter Erwerbsarbeit leisten, und so würde es sich automatisch ergeben, daß viele Menschen nur auf Teilzeit arbeiten würden, was dann wiederum eine bessere Verteilung der Erwerbsmöglichkeiten auf alle bewirken würde. Auch Sozialleistungen könnte man sich dann weitgehend sparen.

"Ich bin sogar der Ueberzeugung, dass die Wuensche wesentlich staerker wachsen als die Wirtschaft mit der Befriedigung derselben nachkommt - kurzum: die Diskrepanz zwischen Beduerfnis und Beduerfnisbefriedigung nimmt zu."

Das mag sein, aber man kann auf Luxusgüter verzichten, und wenn man nicht mehr für wirklich lebensnotwendige Dinge arbeiten muß, dann kann man wirklich frei entscheiden, wieviel beruflichen Streß man sich für Luxusgüter anzutun bereit ist.

"Aus dieser Sicht liegt in bestimmten Religionen (z.B. Buddhismus, Christentum) eine bemerkenswerte Weisheit, die eine einfache Lebensfuehrung und die Abkehr von weltlichem Besitz, die bloss Ballast darstellen, fordern."

Ja, aber ich glaube nicht, daß sich so etwas jemals durchsetzen wird. In den Ostblockländern gab es ja auch solche Wunschträume vom "Menschen neuen Typs", dem eigener Besitz nichts mehr bedeuten sollte. Die Masse der Bevölkerung fand sich darin aber nicht wieder, und deshalb blieb das immer eine Illusion.

"Wuerde der Wohlstand fuer grosse Teile der Gesellschaft substantiell sinken, dann erschienen die Schicksalsgemeinschaften (Familie) den Menschen wieder attraktiver."

Ja, das denke ich auch. Und in den nächsten Jahrzehnten werden wir das auch erleben.

"Es ist immer wieder erstaunlich, dass an sich kluge und intelligente Menschen glauben, andere Menschen mit immer ausgekluegelteren Zwangsmassnahmen in einem bestimmten ideologischen Sinne umerziehen zu koennen; das hat bislang noch nie auf Dauer funktioniert, sofern diese Zwaenge der Natur des Menschen entgegenstehen."

Ich habe das Gefühl, daß es bei "Gender Mainstreaming" weniger darum geht, Menschen tatsächlich umzuerziehen. Das scheint mir eher eine Beschäftigungstherapie für diverse Berufsfeministinnen zu sein, die nun einmal die in sie investierten Steuergelder irgendwie öffentlich rechtfertigen müssen. Es geht ja auch immer wieder darum, irgendetwas als staatliches Ziel festzuschreiben, woraus sich dann finanzielle Zuwendungen an Gleichstellungsbeauftragte usw. logisch ableiten. Bisher waren diese finanziellen Zuwendungen eigentlich freiwillige Leistungen des Staates, die jederzeit auch wieder gekürzt oder ganz gestrichen werden konnten. Wenn aber "Gender Mainstreaming" (oder wie immer man es gerade nennt) als staatliches Ziel festgelegt ist, dann besteht quasi so etwas wie ein Rechtsanspruch auf finanzielle Zuwendungen.

Ein weiterer Aspekt ist die Tatsache, daß der Feminismus an sich ja von immer mehr Menschen als nicht mehr zeitgemäß angesehen wird. Er setzt sich ja explizit nur für eine Hälfte der Menschheit ein, die obendrein ganz offensichtlich hierzulande längst keine Förderung mehr braucht. Auch das machte es notwendig, der Sache einen neuen, moderner und gerechter klingenden Namen zu geben.

Freundliche Grüße
von Garfield



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