Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Quo vadis NRW

Stadtmensch, Tuesday, 09.08.2005, 02:52 (vor 7039 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: Quo vadis NRW von susu am 08. August 2005 22:32:48:

Die Skrupel die auch die anderen Parteien mit Gruppen zeigen, denen sie Programmatisch nicht nahestehen. Allerdings habe ich von den Grünen bislang noch nichts in der Art von "Heuschreckenplage" (Müntefering, SPD, über Unternhemer) oder "Tätervolk des letzten blutigen Jahrhunderts" (Hohmann, CDU, über Atheisten und Agnostiker) gehört.

-- Was soll das jetzt beweisen, hm? Weil die anderen so böse Buben sind, darf man Grün nicht mehr kritisieren? Schwach.

Bitte in diesem Zusammenhang näher erläutern: "kollektivistisch" und "eindimensionales Geschichtsverständnis".

-- Das kennst du sehr wohl selber aus unzähligen Diskussionen hier und anderswo. Gab es nicht diese merkwürdige "Parität" von Männern und Frauen bei Redeschlachten auf Parteitagen sowie in den Parteifunktionen? Sicher gibt es die. Dahinter steckt die Idee, Gleichberechtigung könne man - hier tatsächlich in kollektivistischer Reinform - per Order installieren, unabhängig von der persönlichen Eignung, den persönlichen Vorlieben und der Marketingeignung nach außen. Man mag das ein interessantes, möglicherweise modernes Gesellschaftskonzept finden. Aber: Nicht alle Menschen teilen diese Einschätzung. Es ist ein Fehler, seine Gegner (wie auch seine Befürworter) zu unterschätzen. Überzeugt wird im übrigen mit dem Herzen, nicht mit Fremdwörtern.

Ich habe fast ein Jahrzehnt an der linken Basis gelebt und gearbeitet. Glaub es oder nicht: Die Frage des "richtigen Bewusstseins" - der Erfüllung eines Überzeugungsmix' aus teilweise (aus heutiger Sicht) aberwitzigen Theoriebüchern war Credo und Fluch zugleich. Das "richtige Bewusstsein" war und ist ein zentraler Begriff bei den Linken und bei den Grünen; und er dominiert heute noch immer die Diskussion. Meine Erfahrung. Öffentliches Beispiel hierzu: Das mehrere tausend Euro teure NRW-Gutachten, ob Frauen und Männer einen Waldspaziergang unterschiedlich erleben. Auftraggeberin: B. Höhn, lange Jahre Umweltministerin in NRW. Daran schließen sich mittlerweile ganze Dienstleistungszweige an, die von nichts anderes beflügelt sind, als von "fortschrittlichen" Ideen. Susu, es gibt soviel "Kohl, der den Dingsbums nicht fett macht". Das war nur ein kleiner. Einer von tausenden. Pro Jahr. Pro Legislaturperiode.

Nebenschauplatz "Schwule": Der Eindruck meiner Vorredner ist richtig. Die Medien werden nicht müde zu betonen, dass Schwule keine bösen Menschen sind. Soweit richtig. Aber wie sage ich immer: Die Anzahl der Arschlöcher ist über alle gesellschaftlichen Gruppen gerecht verteilt, egal ob schwul, lesbisch, Autofahrer, Warmduscher, sonstwie. Okay, sexuelle Extremisten (oder überhaupt Extremisten) schließen wir mal aus.
Wenn Schwule/Lesben/Transen/whatever finden, dass sie im Rang einer bourgoisen Kleinfamilie stehen müssen, gibt es nur eins: Eine Grundgesetzänderung. Das zu sagen, ist man sich aber zu feige. Ob es langfristig richtig wäre, will ich hier nicht diskutieren. Erb-, Unterhalts- und ähnliche Angelegenheiten waren auch schon lange vorher notariell regelbar. Erbstreitigkeiten mit Angehörigen erwischen aber nicht nur die unterdrückte und dennoch medial hofierte Menge der Gleichgeschlechtlichen. Bevor du mir evtl. Unsensiblität gegenüber Schwulen andichtest: Ich bin selber bisexuell.

Moment, jetzt bist du gegen "letzte Fragen"? Ich war der Ansicht du seist für die Bildungsdefinition auf die du dich bezogen hast... Ich würde gern um Beispiele für den menschenverachtenden Totalitarismus der Grünen sehen. Grün ist eine der Parteien die aus meiner Sicht am ehesten für Individualrechte stehen. Und dafür bekomme ich dann anderswo zu hören, die Grünen seien neoliberal. Und verdammt nochmal Artenschutz ist ein Kernthema der Grünen. Wenn Grün sich da nicht gegen die Autobahn einsetzen würde, wäre das wie wenn die CDU für die Abschaffung des Konfessionellen Religionsunterichts und gegen den Service des Kirchensteuereinzugs plädieren würde, oder die FDP gegen Demokratie wäre.

-- Mit "hätte" und "wäre" lässt sich keine ernsthafte Diskussion führen. Der Rest: Snip. Es ist irrelevant, ob die Grünen für Artenschutz sind. Aus dieser moralischen Superposition - sicherlich ehrbar im Grunde - haben sie sich genauso widersprüchlich benommen wie alle anderen. Ich kann nicht begreifen, wie diese machtkorrumpierte Klasse (damit meine ich alle "da oben") überhaupt moralische Integrität repräsentieren soll? Nein, ich habe nicht behauptet, dass ich es besser machen würde. Aber die politische Klasse sollte mal begreifen, dass es ihr selbstverursachtes Privileg ist, kritisiert zu werden. Das war doch der Sinn von "Demokratie", oder?

Bereitschaft zur Selbstverantwortung: Das soll eine grüne Eigenschaft sein?
Ja.

-- Nein, Überregulierung ist eine zentrale, grüne Eigenschaft. Es ist das Benzin in ihrem Überzeugungs-Zweitakter.

Nö. Das jetzt philosophisch zu verhackstücken ist müßig, aber da ziehst du falsche Konsequenzen.

-- Nicht belegbar.

Sorry, ich muss nun aus schierem Zeitmangel aufhören ("Sperrstunde"). Das Wesentliche habe ich aber schon gesagt. Es ist ermüdend, gegen soviel Ignoranz anzuschreiben. Es macht mich nur traurig, dass sich an manchen linken Leuten anscheinend in den letzten Jahrzehnten nichts geändert hat; im übrigen die größte Beleidigung, die man ausdrücken kann: "Du hast dich ja überhaupt nicht verändert!" Lies nicht soviel.

Gruß
Stadtmensch


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