Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Frauen, Männer und wie man darüber spricht

Arne Hoffmann Arne Hoffmann, Monday, 25.06.2001, 17:12 (vor 8335 Tagen) @ Donna

Als Antwort auf: Sollte das jetzt ne Antwort sein, oder ein neues Buch werden? :-) von Donna am 23. Juni 2001 20:15:20:

Hi Donna!

Wir sind in manchem ziemlich konträrer Ansicht, in manchem überhaupt nicht ... aber verdammt nochmal, es macht wirklich Spaß, sich mit dir zu unterhalten. :-) Du bist manchmal ziemlich anstrengend (wie ich dir schon gemailt habe), aber du hast wirklich Stil.

Kann man Einseitigkeit mit Einseitigkeit beheben?

Auf lange Sicht natürlich nicht, da stimme ich dir zu. Aber worauf ich hinauswill: Wir haben einen Buchmarkt, der extrem überwiegend den weiblichen Standpunkt beleuchtet (und dabei oft so weit übers Ziel hinausschießt, dass er den Frauen auch nichts Gutes mehr dabei tut.) Ich denke, es ist nicht zu viel verlangt, wenn wenigstens zwei oder drei Bücher existieren, die explizit auf die ANDERE Seite der Medaille und die Benachteiligung von Männern hinweisen. Das ist auch den Frauen zuzumuten. Aber selbst diese drei bis vier Bücher haben immense Probleme, veröffentlicht zu werden, weil offenbar sämtliche Verlagslektoren Angst haben: "Ui, wenn wir hier einen Report über weibliche Gewalttäter bringen, dann kommen bestimmte Interessensgruppen sofort mit dem Label Frauenfeindlichkeit." Eine der Autorinnen, mit denen ich in Kontakt stehe, hatte einen feminismuskritischen Leserbrief in der Zeit veröffentlicht, woraufhin der (männliche) Lektor eines großen deutschen Buchverlages ihr im letzten Moment den Abschluss eines Buchvertrags aufkündigte, da diese Autorin offenbar "zu wenig Fingerspitzengefühl gegenüber Frauen" zeige. Da frage ich mich doch, wo wir hier leben! Man hat wirklich den Eindruck, die politische/feministische Korrektheit gebe sich alle Mühe, um die katholische Kirche und den McCarthyismus gemeinsam in den Schatten zu stellen.

Wie bereits gesagt, war dies MEIN PERSÖNLICHER EINDRUCK durch die Bücher, die mir so dringend ans Herz gelegt wurden. Sollte mich irgendwie von meiner Radikalfeministischen Sichtweise heilen, von der ich gar nicht wußte, daß ich sie hatte/habe(?).

Ich würde dir nach allem, was ich bislang von dir gelesen habe, bestimmt keine radikalfeministische Sichtweise unterstellen.

Erstmal: Ich bin nicht dein politischer Gegner und beabsichtige nicht, dich zu diskreditieren.

Dann wäre ich dir dankbar, wenn du aufhören würdest, mir eine unfreundliche Haltung gegenüber Frauen zu unterstellen. Das werde ich bestimmt noch oft genug zu hören bekommen, und ich werde jedesmal Einspruch dagegen einlegen.

Ich dachte, wir hätten das Thema bereits vom Tisch und ich habe ehrlich gesagt, nicht allzuviel Lust die Thematik nochmals durchzukauen. Aber

wenn du es wissen willst *seufz*: "Häusliche gewalt ist weiblich".

Na, DAS kann ich verstehen, dass du mit dieser Überschrift nicht glücklich bist, als Kriminologin erst recht nicht. Zur Info: Die Titel von Zeitungs- und Zeitschriftbeiträgen werden in aller Regel nicht vom Autor, sondern von der Redaktion gemacht. (Das ist beispielsweise bei der taz nicht anders.) Als ich die NOVO damals in der Hand hielt und die Überschrift zu meinem Artikel las, dachte ich auch grummelnd: "Na, SO einfach ist es ja auch wieder nicht." (Die Überschrift suggeriert zum einen eine Eindeutigkeit der Statistiken, die lange noch nicht vorliegt, und tut zum anderen so, als wäre häusliche Gewalt mit männlichen Tätern eine zu vernachlässigende Kleinigkeit.) Andererseits ist wohl der Plan der Redaktion aufgegangen, mit diesem provokanten Titel ÜBERHAUPT einmal auf die hohe Zahl männlicher Opfer von häuslicher Gewalt aufmerksam zu machen. Schlimm, dass man immer erst schreien muss, aber vorher war das Thema den Medien völlig schnuppe ... ich meine: NOCH schnupper als heute noch.

Andere Frage: Prüf mal die Plausibilität der Hypothese, daß eine millionenstarke Gruppe als homogen betrachtet werden kann, nur aufgrund eines einzigen Merkmals, des Geschlechts. Es gibt keine "die Frauen", genauso wenig wie "die Männer".

Ich bezweifle, dass ich der richtige Ansprechpartner für dieses Argument bin. Ich mache ja schon im Vorwort meines Buches sehr deutlich, dass nicht mal "die Feministinnen" eine geschlossene Gruppe darstellen. Ausführlich erklärt und als eine der wenigen Stellen des Buches fettgedruckt. Solche und ähnliche Passagen sollten es sehr schwer machen, mir ernsthaft (und nicht nur rhetorisch) mangelnde Differenziertheit zu unterstellen. An den wenigen Stellen, wo ich tatsächlich Frauen in toto kritisiere, arbeite ich in der Regel mit Statistiken. Dagegen kann man auch anargumentieren, wenn man mit meinen Schlussfolgerungen nicht einverstanden ist. Wohingegen man bei Thesen wie "Alle Frauen sind/tun ..." nicht mehr argumentieren, sondern das Buch nur noch in die Ecke feuern könnte.

Dieser Gedanke ist mir selbst auch nicht fremd. Ich habe ja mehrere Jahre Geisteswissenschaft studiert und bin dabei auch durch die übliche feministische Indoktrination gegangen.

Mein Beileid.#

Es war die Hölle, sag ich dir! Das GRAUEN ... ;-)

Stell doch bitte nicht so undifferenziert Behauptungen in den Raum. Seit Matusseks kleinem Ausrutscher, bei dem er peinlicherweise Mißhandlung mit sex. Mißbrauch verwechselte ...

Was passieren kann. Wenn ich mich recht erinnere, stützte er sich auf eine deutsche Übersetzung von Naomi Wolfs "Fire with fire". Schon Ms. Wolf verwendet in ihrem Konvolut von Statistiken "abuse" mal für sexuellen Missbrauch, mal für Kindesmisshandlung. Der Übersetzer kam da offenbar nicht mehr mit. Dazu muss man aber auch sagen, dass jahrelanges Geprügeltwerden von der eigenen Mutter genauso schlimme seelische Zerstörung hinterlassen kann wie sexueller Missbrauch durch die eigene Mutter. Und dass Matussek hier gerade in seiner Übernahme eines scheinbaren Fehlers möglicherweise Recht hatte, ohne es zu wissen.

und diesen Faux pas nur in einem klitzekleinen Nebensatz im Nachwort seines 2. Buches "korrigierte", ist es wohl in, auf dieser Thematik rumzureiten und im Rahmen des oben beschriebenen Mechanimus zu monströsen Ausmaßen hochzustilisieren...wem DAS wohl hilft?

"Monströse Ausmaße" helfen natürlich niemandem. Aber wenn zahlreiche internationale Untersuchungen vorliegen, die (in aller Vorsicht ausgedrückt) auf ein annähernd vergleichbares Ausmaß von sexuellem Missbrauch durch weibliche wie durch männliche Täter hinweisen, dann bin ich nicht der Ansicht, dass dies weiter tabuisiert werden sollte. Erstens um den konkreten Opfern zu helfen und zweitens um zu verstehen, wie sexueller Missbrauch zustande kommt. Wenn ich fälschlich davon ausgehe, dass das ein rein männliches Phänomen ist, stehe ich mir bei der Missbrauchsbekämpfung selbst im Weg.

Bedauerlicherweise stellen nämlich die Männer 99% der Sexualstraftäter.

Wenn es um die angezeigten oder zur Anklage gebrachten Sexualstraftaten geht, glaube ich dir gerne. Ansonsten liegen mir hierzu komplett andere Informationen vor, aber darauf kann ich in diesem Posting nicht angemessen ausführlich eingehen. Ich widerlege diesen Mythos aber sehr ausführlich in meinem Buch.:-)

Ich weiß ja nicht, wie alt du bist. Ich zähle mich auf jeden Fall zur jungen Generation. Ich denke, die ganzen Probs existieren doch eh nur in den Köpfen der Alt-´68...euer Ding, meine Meinung.

Wir sind exakt derselbe Jahrgang, und natürlich gehören wir damit noch zur jungen Generation. Das merkt man ja auch an deinen Argumenten. Aber gerade was Sexualstraftäter angeht, sitzt auch du noch einem Irrtum auf, wie die meisten. Ich denke, dass es genau diese Kapitel waren, die meinen doch sehr an der jungen Generation ausgerichteten Verlag überzeugt haben, mein Buch ins Programm zu nehmen. Sonst hätten die vermutlich auch gesagt: Der wettert da nur gegen Ansichten, an die nicht mal Alice Schwarzer noch richtig glaubt.

Du kanns dir aufgrund meines "speziellen" Hintergrundes sicherlich denken, daß A. Schwarzer und Co. NICHT zu meinem Freundeskreis gehören.

Donna, du bist eine junge, aufgeklärte Frau, und ich habe dich nie für eine Betonköpfin gehalten. :-)

Ich bin während der Beantwortung dieses Postings mittlerweile zu der Auffassung gelangt, daß es sich eher um einen Konflikt aus einer anderen Generation handelt. DAS ist auch schon mal eine Antwort.

Ja, aber der Konflikt zeigt seine Auswirkungen ja in der Jetzt-Zeit. An den Schaltstellen der Medien und der Politik sitzen nun mal diese Alt-68er. Das wirkt sich auf die Gesetzgebung ebenso aus wie auf die öffentliche Wahrnehmung bestimmter Themen.

Man braucht sie doch einfach nicht zu lesen, wenn man da keinen Bock drauf hat.

Oh, cool. Dann können wir ja auch die Schriften von Neonazis endlich freigeben. Die Ausländer brauchen sie ja nicht zu lesen, wenn sie sich dadurch angegriffen fühlen.
Wir beanstanden diese Bücher nicht (nur), weil wir sie als beleidigend, sondern vor allem, weil wir sie als hetzerisch empfinden. In ihrer Masse erzeugen sie nun mal ein Bild vom minderwertigen Wesen Mann – ein Bild, das offenbar von der weiblichen Leserschaft in weiten Teilen aufgenommen wird, wenn man sich die Auflagen solcher Bücher und die Lawine immer neuer Titel vor Augen führt.

Eine Gegenfrage: Was verstehst du unter Gewalt?

Also willst du jetzt oder willst du nicht?
Nein, mir ist natürlich schon klar, worauf du hinaus möchtest: die Entgrenzung des Gewaltbegriffs, wie es ja auch Sabine Beppler in der NOVO beklagt hat. Es ist diese Entgrenzung, die zu so absurden „Schätzungen“ geführt hat wie dass in jeder dritten Partnerschaft Gewalt vorkomme. Was der Öffentlichkeit nicht so häufig unterbreitet wird wie diese Zahl, ist, was hier als Gewalt definiert wird. Die Autorin Constanze Elsner beispielsweise nennt in ihrem Ratgeber zur häuslichen Gewalt den Leserinnen folgende Erkennungsmerkmale: "Er kritisierte Sie"; "Er warf Ihnen böse, wütende Blicke zu"; "Er beendete eine Diskussion mit Ihnen, indem er einfach eine Entscheidung fällte." Auch mit einer Bemerkung wie "Deine Frisur sitzt aber heute nicht sonderlich gut" könnten Männer Frauen zielsicher am Boden zerstören. Und diese Ausweitung des Gewaltbegriffes ist ist in weiten Teilen offizielle Politik unserer Bundesregierung. "Gewalt gegen Frauen ist das, was Frauen als Gewalt empfinden", verkündet Ministerin Bergmanns Broschüre "Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter". Schon die abfällige Bemerkung eines Ehemanns auf einer Party wird dort als Gewalt interpretiert. Die staatlich mit immensen Summen geförderte Frauengruppe BIG bezeichnet selbst "nicht im Haushalt helfen" sowie "Konten nicht offen legen" unbekümmert unter dem Begriff häusliche Gewalt.

Wenn ich mich nicht ganz irre, vertrittst du allerdings die These, dass der hohe Anteil männlicher Opfer in den Statistiken über häusliche Gewalt dadurch zustandekommt, dass auch der harmloseste Konflikt noch als "Gewalt" definiert wird. Insbesondere wenn es aber um handgreifliche, schwere Formen der Gewalt gehe, sei die hohe Überzahl der weiblichen Opfer kaum mehr zu bestreiten. Diese Argumentation kann man verfolgen. In den USA wird das ja von manchen Fraktionen auch getan. (Nachdem dort die Existenz von häuslicher Gewalt gegen Männer durch zig Untersuchungen belegt war, musste man offenbar eine andere Methode finden, um das klassische Täter-Opfer-Muster wiederherzustellen.) Das deckt sich aber nicht mit den Studien, die mir vorliegen. Demnach sind Männer ebenso häufig, wenn nicht noch häufiger Opfer von mittelschwerer bis schwerer häuslicher Gewalt wie Frauen. Wir sprechen hier nicht von "sie hat mir schon wieder mein Lieblingsessen nicht gekocht", sondern von zertrümmerten Nasen und solchen Dingen.

Okay, ich schick´s mal ab, bevor das ein drittes Buch wird.

Lieber Gruß

Arne


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