Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Differenzierte Betrachtung

Markus, Tuesday, 26.11.2002, 22:12 (vor 8031 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Differenzierte Betrachtung von Arne Hoffmann am 26. November 2002 18:05:12:

Hi Arne,

also ich weiß ja nicht ob ich Gefahr laufe dich wieder falsch verstanden zu haben, aber willst du mit deiner Aussage den Standpunkt vermitteln, dass Folter in der Türkei zu ächten ist. Auch die Gewalt der chinesischen Regierung, mit der sie am Platz des himmlischen Friedens "für Ruhe" sorgte, es aber durchaus legitim ist Frauen einzusperren, zu schlagen, zu verheiraten, nicht auf Schulen gehen zu lassen und die ärztliche Versorgung nur bei Zustimmung des Mannes zu gewährleisten? Auf mich machte das gerade den Eindruck als würdest du das alles sehr differenziert betrachten.

Eher geht es mir um Kurzschlüsse wie "Die Moslems lassen ihre Frauen alle nur verschleiert gehen, was beweist, dass das alles üble Sexisten sind."

Das habe ich nie behauptet. Ich empfinde es jedoch als sehr fragwürdig, wenn Frauen die nicht verschleiert sind von Wildfremden geschlagen werden dürfen.

Es gibt ja erfreulicherweise auch afghanische Frauen, die sich vehement dagegen wehren, wenn in westlichen Medien ihre Männer pauschal als Unterdrücker und Vergewaltiger dargestellt werden:

Ich habe die Männer nicht pauschal als Unterdrücker und Vergewaltiger dargestellt. Selbst wenn ein Afghane es für nicht wichtig halten würde, dass seine Frau verschleiert geht, könnte diese von anderen Fanatikern geprügelt werden. Und das Taliban Regim verbot Mädchen den Besuch von Schulen. Da war es egal ob Papa nun eine andere Meinung hatte oder nicht.

>Wie du schreibst: "Gendercide Watch". Da unterstelle ich schon mal eine sehr subjektive Beurteilung.
Wobei man erwähnen sollte, dass diese Organisation ursprünglich mit feministischer Perspektive an das Thema "Menschenrechtsverletzungen auf unserer Erde" ging (sich also vornehmlich um die Frauen kümmern wollte) und erst im Laufe ihrer Arbeit feststellte, dass es Männern in etlichen Fällen viel schlimmer geht, dies aber in unseren Medien tabuisiert wird.

Das ist genau der Punkt. Da in Äthiopien ja bekanntlich Krieg war, dort also mehr Männer gefallen sind und nun im Verhältnis mehr Frauen dort leben, darf Äthiopiern nicht geholfen werden, weil diese Hilfe mehr den Frauen zu teil wurde? Jede Medienanstalt, die darüber also berichtet läuft Gefahr als feministisch unterwandert und antimaskulinistisch betitelt zu werden?
Ist es wirklich naheliegend anzunehmen alle Medienvertreter seien Feministinnen oder ständen unter dem Druck der selbigen, dass die Themen so subjektiv recherchiert werden? Könnte es nicht einfach sein, dass diese Medienvertreter einfach nur nicht diese Blickweise haben und die Welt in Mann und Frau teilen sondern nach Brennpunkten die mit der Geschlechterdiskussion gar nichts zu tun haben?

Wenn der Durchschnittsbürger hierzulande "Beschneidung" hört, denkt er doch an Männer, die Frauen verstümmeln. Er weiß nicht, dass in allen Ländern, in denen Frauen beschnitten werden, Männer dasselbe Schicksal erleiden, mit denselben Folgen bis hin zum Tod, nur sechsmal so häufig.

Beschneidung beim Mann heißt keinesfalls, dass ihm damit jegliche Lustempfindung genommen wird. Das ist ein Schnitt in die Vorhaut - keine Amputation der Eichel. Bei weiblicher Beschneidung allerdings, wird die Klitoris entfernt, was bedeutet, dass Sex nie wieder mit Lust in Verbindung gebracht werden kann. Vom selben Schicksal kann hier nicht gesprochen werden. Selbst in Deutschland greifen Ärzte auf die Beschneidung zurück, sofern die Diagnose "Fimose" - "Phimose" (weiß der Himmel wie man das schreibt) lautet. Sicher ist die Gefahr bei der Beschneidung an einer Infektion zu sterben. Die lebenslangen Folgen machen hier aber den gravierenden Unterschied. Und in afrikanischen Ländern geht man hier noch einen Schritt weiter. Hier werden die jungen Mädchen nicht nur beschnitten sondern auch "zugenäht". Dies soll bewirken, dass die Frau beim ersten mal in der Ehe auch definitv richtig schön blutet und das befleckte Leintuch dann dekorativ zum Fenster hinaus gehängt werden kann. Ich finde wirklich, dass männliche und weibliche Beschneidung nicht vergleichbar sind.

Und wenn er an Vergewaltigungen im Kosovo denkt, dann denkt er automatisch an Frauen, obwohl die Opferrate bei Männern weit höher lag: http://adamjones.freeservers.com/effacing.htm
(Adam Jones untersucht in dieser Analyse anhand von Presseartikeln, mit welchen Strategien männliche Opfer an den Rand gedrängt und ignoriert werden und allein "würdigen" Opfern wie Frauen und Kindern in der Berichterstattung Raum gegeben wird.

Mit Opferrate meinst du nun den sexuellen Missbrauch, die Vergewaltigung von Männern? Wenn nicht, beruht das einfach aus dem Umstand, dass im Krieg sich Männer mit Waffen Auge in Auge gegenüberstehen. Kein Krieg ist sauber und selbst jede Demokratie bedient sich heute eines Kriegsrechts, das Dessertation oder Zwangseinziehungen erlaubt. Sonst würde diese Parole "Stell dir vor es ist Krieg - und keiner geht hin" tat sächlich real werden. Nicht dass ich ein solches Kriegsrecht billige oder für gut heiße. Ich denke nur Frauen, Alte und Kinder laufen in vielen Kriegen unter dem Begriff "Zivilbevölkerung" oder "Kollateralschäden". Ist doch irgendwie naheliegen, dass Tote in diesem Bereich eher ein Extrem bilden - und nach Extremen richten sich die Medien themenübergreifend aus.

Und er stellt Fragen wie: Warum werden die Massenhinrichtungen ausschließlich von Männern von den westlichen Medien ignoriert? Warum wird Vergewaltigung ganz selbstverständlich als schlimmer bewertet als Folter und Mord? Und warum werden nur die vergewaltigten Frauen als Opfer beklagt, obwohl es fast mit Gewissheit weit mehr männliche Vergewaltigungsopfer gab?)

Du meinst wirklich, dass es mehr männliche Vergewaltigungsopfer gab? Kannst du hier mal etwas mehr ins Detail gehen? Mir persönlich fällt es schwer mich für Sex mit einem Mann zu begeistern - ohne das nun anderen absprechen zu wollen. Diese "fast-Gewissheit" würde ich gerne etwas erklärt bekommen.


[quote]Generell ja, aber wenn das Missverhältnis derart extrem ist, dass Frauen und Kinder in zahllosen Fällen als Opfergruppe herausgegriffen werden und Unterstützung erhalten, Männern das aber verwehrt wird, dann sollte man schon darauf aufmerksam machen. Sobald sich das halbwegs eingependelt hat, ist es natürlich unsinnig Kampagnen zu fahren wie "Ich spende nur für Männer".
[/quote]

Wie oben gesagt. Ich glaube nicht dass die Medien alle feministisch unterwandert sind, sondern einfach "nur" vom sensationellen Extrem lieber berichten und das ist in vielen Fällen die Zivilbevölkerung. Stirbt eine amerikanische Soldatin im Krieg macht das keine größeren Wogen als wenn ein Soldat stirbt.


[quote]Hm, seltsame Definition von Neid. Angenommen du bist blond. Dann siehst du, dass zahlreiche internationale Hilfsorganisationen sich bei fremden Ländern nur um dunkelhaarige Opfer kümmern und willst das zum Thema machen. Ist das Neid?
[/quote]

Also in einem Bericht über Afghanistan sah ich einen Kinobetreiber der nun wieder Filme zeigen konnten, nachdem das Taliban Regim abgelöst war. Weiterhin sah man Männer, die sich die Bärte rasiert hatten. Ich denke du siehst das einseitig, wenn du glaubst in Afghanistan würden nun nur die Frauen "befreit" - was zwischenzeitlich durch die aktuelle Rechtssprechung ja auch nicht mehr der Fall ist.


[quote]Der Punkt ist doch, dass es auch im angeblich so frauenunterdrückerischen Afghanistan immer noch Männer sind, die als Kanonenfutter dienen, während Frauen eine geschütztere Sphäre zugewiesen wird.
[/quote]

Also das ist aber nun schon sehr zynisch, oder? Du umschreibst das Einsperren von Frauen, den Entzug der Selbstbestimmung als das Zuweisen einer geschützten Sphäre? Denk bitte über diese Aussage nochmal nach.
Und das Verbot für Mädchen eine Schule zu besuchen ist dann ein weitsichtiger Akt der Nächstenliebe? Weil wenn diese dumm gehalten werden, fügen sie sich leichter in ihr Schicksal und leben zufriedener?

Es geht auch nicht um einen Wettbewerb im Leiden, sondern einfach darum, dass auch Männer als Gruppe (!) als Opfer eines Regimes anerkannt werden sollten. Norbert hat ja schon erwähnt, dass in Afghanistan Männern Nasen und Ohren abgeschnitten wurden, wenn ihr Bart zu kurz war.

Und das ist der gravierende und elementare Unterschied! Es waren nicht die Männer die dort gefoltert wurden, sondern einige(zu viele). Einige andere hatten die Macht.
Global kann man aber dennoch sagen, dass jede Frau in Afghanistan unterdrückt wurde, weil diese kein Recht auf Schulbildung hatten, kein Recht auf medizinische Versorgung usw.
Diese Umstände galten einfach für alle. Man kann also sehr wohl von den Frauen sprechen, aber nicht von den Männern als globale Gruppe.
Das heißt nicht, dass diese Männer weniger wert sind als die Frauen. Es ist aber leichter zu argumentieren, warum ein militärischer Angriff auf Afghanistan notwenig war. Er war so leichter zu verkaufen.


[quote]Die Grenzziehung "männliche Opfer" vs. "weibliche Opfer" wird ja nicht von mir gefordert, ganz im Gegenteil. Ich möchte, dass sich um Opfer unabhängig von ihrem Geschlecht gekümmert wird. Unsere Gesellschaft zieht die Grenze:
weibliche Opfer als Gruppe: um die müssen wir uns kümmern
männliche Opfer als Gruppe: Leerstelle, Nicht-Wahrnehmen
[/quote]

Du weichst da jetzt von meiner Argumentationslinie ab. Ich bezog mich auf die weltweite Berechtigung dieses Tages, der von Feministinnen gerne missbraucht wird, auf vermeintliche Ungerechtigkeiten hier in Deutschland hinzuweisen. Hier haben Frauen gerade wenn es um das Sorgerecht, Bundeswehr oder andere elementare Dinge geht, klar die Nase vorn.

>Ich erinnere mich auch an diverse Berichte über Männer, die in den USA hingerichtet werden soll(t)en und würde hier nun auch keine Rufe von Feministinnen akzeptieren, die hier versuchen Geschlechterpolitik daraus zu machen.
Wenn man bedenkt, dass die Todesstrafe in den USA fast ausschließlich Männern zuteil wird, wäre das auch extrem pervers.

Das sehe ich aber echt schon als Problem. Du hinterfragst jeden Umstand auf geschlechtsbezogene Neutralität. Es wurden auch schon Frauen hingerichtet. Und das amerikanische Recht verurteilt selbst Kinder. Es ist nicht unbedingt frauenfreundlich. Vielleicht erinnerst du dich an die Suche nach der Frau, die von einer Kamera auf einem Parkplatz aufgenommen wurde, wie sie ihr Kind schlug. Dort wurde der Fall groß in die Presse gezogen und eine riesen Fahndung wurde eingeleitet. Ich glaube nicht, dass du hinter allem Ungerechtigkeiten gegen den Mann vermuten musst.

Liebe Grüße,

Markus

Herzlicher Gruß
Arne


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