Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Differenzierte Betrachtung

Maesi, Saturday, 30.11.2002, 16:38 (vor 7878 Tagen) @ Markus

Als Antwort auf: Re: Differenzierte Betrachtung von Markus am 26. November 2002 20:12:18:

Hallo Markus

>Es gibt ja erfreulicherweise auch afghanische Frauen, die sich vehement dagegen wehren, wenn in westlichen Medien ihre Männer pauschal als Unterdrücker und Vergewaltiger dargestellt werden:
Ich habe die Männer nicht pauschal als Unterdrücker und Vergewaltiger dargestellt.

Daraus schliesse ich messerscharf, dass Du:

1. Medienschaffender bist, und

2. Berichte ueber die Lage in Afghanistan verfasst hast, die in den Medien veroeffentlicht wurden.

Selbst wenn ein Afghane es für nicht wichtig halten würde, dass seine Frau verschleiert geht, könnte diese von anderen Fanatikern geprügelt werden. Und das Taliban Regim verbot Mädchen den Besuch von Schulen. Da war es egal ob Papa nun eine andere Meinung hatte oder nicht.

Stimmt. Auch den Medien hierzulande war es egal, ob der afghanische Papa eine andere Meinung hatte; es war fuer sie ausreichend, dass er einen Pimmel zwischen den Beinen hatte, um ihn pauschal mit den Taliban in eine Schublade zu stecken oder zumindest als Opfer zu ignorieren.

> > Wie du schreibst: "Gendercide Watch". Da unterstelle ich schon mal eine sehr subjektive Beurteilung.

Wobei man erwähnen sollte, dass diese Organisation ursprünglich mit feministischer Perspektive an das Thema "Menschenrechtsverletzungen auf unserer Erde" ging (sich also vornehmlich um die Frauen kümmern wollte) und erst im Laufe ihrer Arbeit feststellte, dass es Männern in etlichen Fällen viel schlimmer geht, dies aber in unseren Medien tabuisiert wird. [/i]

Das ist genau der Punkt. Da in Äthiopien ja bekanntlich Krieg war, dort also mehr Männer gefallen sind und nun im Verhältnis mehr Frauen dort leben, darf Äthiopiern nicht geholfen werden, weil diese Hilfe mehr den Frauen zu teil wurde? Jede Medienanstalt, die darüber also berichtet läuft Gefahr als feministisch unterwandert und antimaskulinistisch betitelt zu werden?

Wer hat denn sowas behauptet? Gendercide Watch? Waere Dir dankbar fuer einen Link, damit ich das selbst ueberpruefen kann. Im uebrigen fehlt mir der Bezug zu Arnes Posting.

Ist es wirklich naheliegend anzunehmen alle Medienvertreter seien Feministinnen oder ständen unter dem Druck der selbigen, dass die Themen so subjektiv recherchiert werden? Könnte es nicht einfach sein, dass diese Medienvertreter einfach nur nicht diese Blickweise haben und die Welt in Mann und Frau teilen sondern nach Brennpunkten die mit der Geschlechterdiskussion gar nichts zu tun haben?

In einigen bestimmten Themenbereichen ist es tatsaechlich so, dass Medienschaffende weitgehend kritiklos, die Positionen von Feministinnen uebernehmen ('Haeusliche Gewalt', 'Sexuelle Ausbeutung von Kindern').

Wenn der Durchschnittsbürger hierzulande "Beschneidung" hört, denkt er doch an Männer, die Frauen verstümmeln. Er weiß nicht, dass in allen Ländern, in denen Frauen beschnitten werden, Männer dasselbe Schicksal erleiden, mit denselben Folgen bis hin zum Tod, nur sechsmal so häufig.
Beschneidung beim Mann heißt keinesfalls, dass ihm damit jegliche Lustempfindung genommen wird. Das ist ein Schnitt in die Vorhaut - keine Amputation der Eichel.

Das ist meist so, jedoch leider nicht immer. Z.T. gibt es auch bei Maennern ziemlich brutale Beschneidungen. Lies dazu einfach mal in Arnes Buch 'Sind Frauen bessere Menschen?' nach.

[weibliche Beschneidung]

Das ist selbstverstaendlich ein Missstand. Die betreffenden UNO-Kampagnen beschraenken sich jedoch ausschliesslich darauf, Beschneidungen an Frauen anzuprangern. Es gibt jedoch auch bei Maennern gefaehrliche Beschneidungsarten, diese werden in den entsprechenden UNO-Kampagnen, wie ueblich, 'vergessen'. Das wichtigste Kriterium fuer die UNO ist somit nicht die Tatsache der Beschneidung selbst sondern das Geschlecht der Beschnittenen. Es handelt sich also um simplen Sexismus.

>Und wenn er an Vergewaltigungen im Kosovo denkt, dann denkt er automatisch an Frauen, obwohl die Opferrate bei Männern weit höher lag: http://adamjones.freeservers.com/effacing.htm

(Adam Jones untersucht in dieser Analyse anhand von Presseartikeln, mit welchen Strategien männliche Opfer an den Rand gedrängt und ignoriert werden und allein "würdigen" Opfern wie Frauen und Kindern in der Berichterstattung Raum gegeben wird. [/i]

Mit Opferrate meinst du nun den sexuellen Missbrauch, die Vergewaltigung von Männern? Wenn nicht, beruht das einfach aus dem Umstand, dass im Krieg sich Männer mit Waffen Auge in Auge gegenüberstehen.

Maenner wurden ja nicht selten zwangsverpflichtet (Maennerwehrpflicht) und standen sich deshalb mit Waffen Auge in Auge gegenueber. Wie auch immer: auch unter den zivilen Todesopfern fuehrten die Maenner die Opferliste an. Gedenken wir beispielsweise der ermordeten Maenner von Srebrenica. Im Vorfeld wurden Frauen und kleinere Kinder unter den Augen von niederlaendischen UNO-Soldaten aussortiert und weggeschickt. Die Maenner bzw. maennlichen Jugendlichen im annaehernd wehrfaehigen Alter wurden hernach ermordet; es waren allesamt Zivilisten. Die, insbesondere von Feministinnen, immer wieder kolportierten angeblich angeordneten systematischen Massenvergewaltigungen konnten durch die Untersuchungen der UNO spaeter nicht bestaetigt werden; es handelte sich um westliche Propaganda. Womit natuerlich nicht gesagt ist, dass es zu keinen Vergewaltigungen kam.

Kein Krieg ist sauber und selbst jede Demokratie bedient sich heute eines Kriegsrechts, das Dessertation oder Zwangseinziehungen erlaubt.

Dass nur Maenner fuer den Wehrdienst verpflichtet werden, ist an sich schon mal sexistisch (auch hierzulande).

Sonst würde diese Parole "Stell dir vor es ist Krieg - und keiner geht hin" tat sächlich real werden.

Moeglich, allerdings unwahrscheinlich.

Nicht dass ich ein solches Kriegsrecht billige oder für gut heiße. Ich denke nur Frauen, Alte und Kinder laufen in vielen Kriegen unter dem Begriff "Zivilbevölkerung" oder "Kollateralschäden". Ist doch irgendwie naheliegen, dass Tote in diesem Bereich eher ein Extrem bilden - und nach Extremen richten sich die Medien themenübergreifend aus.

Sowohl Zivilbevoelkerung als auch Kollateralschaeden betreffen nicht nur Frauen und Kinder sondern auch maennliche Zivilisten. Viele Leute sind der irrefuehrenden Ansicht, alle Maenner im wehrfaehigen Alter seien ausnahmslos Soldaten.

Es geht auch nicht um einen Wettbewerb im Leiden, sondern einfach darum, dass auch Männer als Gruppe (!) als Opfer eines Regimes anerkannt werden sollten. Norbert hat ja schon erwähnt, dass in Afghanistan Männern Nasen und Ohren abgeschnitten wurden, wenn ihr Bart zu kurz war.
Und das ist der gravierende und elementare Unterschied! Es waren nicht die Männer die dort gefoltert wurden, sondern einige(zu viele). Einige andere hatten die Macht.
Global kann man aber dennoch sagen, dass jede Frau in Afghanistan unterdrückt wurde, weil diese kein Recht auf Schulbildung hatten, kein Recht auf medizinische Versorgung usw.
Diese Umstände galten einfach für alle. Man kann also sehr wohl von den Frauen sprechen, aber nicht von den Männern als globale Gruppe.

Ich sehe schon, Du spielst die einen Opfer gegen die anderen aus. Es wurde hier kritisiert, dass maennliche Opfer von der westlichen Berichterstattung
weitgehend ignoriert wurden. Der Hinweis, dass alle Frauen Benachteiligungen ausgesetzt und deshalb Opfer gewesen sind, mag korrekt sein. Es waren aber halt auch alle Maenner Benachteiligungen (wenn auch anderen als die Frauen) ausgesetzt, und waren deshalb in anderen Bereichen ebenfalls Opfer.

> > Ich erinnere mich auch an diverse Berichte über Männer, die in den USA hingerichtet werden soll(t)en und würde hier nun auch keine Rufe von Feministinnen akzeptieren, die hier versuchen Geschlechterpolitik daraus zu machen.

Wenn man bedenkt, dass die Todesstrafe in den USA fast ausschließlich Männern zuteil wird, wäre das auch extrem pervers.[/i]

Das sehe ich aber echt schon als Problem. Du hinterfragst jeden Umstand auf geschlechtsbezogene Neutralität.

Naja, das ist hier in diesem Forum ja auch on-topic.

Es wurden auch schon Frauen hingerichtet.

Ja, und in ganz Europa erschallten maechtige Proteste, ob der Tatsache, dass eine Frau hingerichtet werden sollte.

Und das amerikanische Recht verurteilt selbst Kinder. Es ist nicht unbedingt frauenfreundlich.

Aber die amerikanische Rechtsprechung ist bedingt frauenfreundlich; die amerikanischen Gesetze sind geschlechtsneutral. Naeheres hat Dir ja bereits Arne mitgeteilt.

Vielleicht erinnerst du dich an die Suche nach der Frau, die von einer Kamera auf einem Parkplatz aufgenommen wurde, wie sie ihr Kind schlug. Dort wurde der Fall groß in die Presse gezogen und eine riesen Fahndung wurde eingeleitet. Ich glaube nicht, dass du hinter allem Ungerechtigkeiten gegen den Mann vermuten musst.

Es ist immer wieder so, dass solche Einzeltaten hochgepusht werden. Und diese Frau hat gleich gegen mehrere gesellschaftliche Tabus verstossen; deshalb war es fuer die Medien eine interessante Story. Sie hat gegen das Tabu der Frau als nicht zur Gewalt faehiges Wesen verstossen, sie hat gegen das Tabu der Kindesmisshandlung verstossen, und sie hat gegen das Tabu der Mutter als fuersorgendes Wesen verstossen. IMHO ist diese Tat fuer die
Gleichberechtigungsdebatte hoechstens dahingehend interessant, als dass sie an einem praktischen Beispiel belegt, dass es auch Muetter gibt, die ihre Kinder misshandeln.

Gruss

Maesi


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