Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: doch würde sie

Frau*****, Monday, 08.10.2001, 14:28 (vor 8534 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: doch würde sie von Arne Hoffmann am 06. Oktober 2001 10:38:38:

Hinter dieser Rhetorik steckt nichts anderes als die altbekannte menschenverachtende Einstellung,

guten morgen arne, (achtung:langer text mit anmerkung)
ich möchte dir eine kleine geschichte von Robert Gernhardt schenken, vielleicht gefällt sie dir (probleme eines lektors)

***Wenn Worte reden könnten
Ein junger Schriftsteller hatte einen Verlag ein Manuskript geschickt. Lange hörte er nichts von ihm, doch eines Tages bekam er eine Karte. Da er doch in derselben Stadt wohne, wolle der Lektor des Verlages ihn gerne sprechen. Am nächsten Tag erschien der Schriftsteller im Verlag.

"Ich habe Ihren Roman gelesen", sagte der Lektor nach einleitenden Sätzen. "Er ist nicht sehr gut, zuvieles ist reichlich allgemein gehalten, anderes uninteressant. Aber da war ein Satz, der mir seit der Lektüre nicht mehr aus dem Kopf gehen will. Manchmal glaube ich, ihn zu verstehen, doch dann kommen mir wieder Zweifel. Daher wollte ich Sie selbst einmal sprechen. Sie beschreiben hier im 5.Kapitel, wie Kinder mit einem Gummiball, einem ~bunten Ball~, um Sie zu zitieren, spielen, dann wirft ihn einer der Jungen ganz weit weg, und dann schreiben Sie: ~Wie ein graues Ungetüm lag der Ball auf der grünen Wiese.~ Wie meinen Sie das?"

Der Schriftsteller dachte etwas nach. "Síe haben recht!" sagte er schließlich. "Das ist nicht gut formuliert. Ich hätte sagen sollen:~Wie ein Ungetüm aus grauer Vorzeit lag der Ball auf der grünen Wiese.~"

Der Lektor sah ihn mißtrauisch an. "Meinen Sie, daß der Vergleich jetzt besser klingt?".
"Eigentlich nicht", antwortete der Autor. "Die erste Fassung ist knapper. Die zweite Fassung ist zu überladen. Vielleicht sollte man so sagen: ~Der Ball, ein Ungetüm aus grauer Vorzeit, lag etc.~ oder ~Der Ball ein graues Ungetüm etc~ Das ist wohl besser."

"Ich will Ihnen den Satz nocheinmal vorlesen", sagte der Lektor und tat es. "Fällt Ihnen denn gar nichts auf?"
"Ja und nein" entgegnete der Autor. "Kann ich das Manuskript nocheinmal haben?". Der Lektor gab es ihm. "Ach so", sagte der Verfasser nach einiger Zeit. "Sie stoßen sich natürlich an dem ~auf der grünen Wiese~. Das ist in der Tat ziemlich banal. Wie wäre es mit ~auf der pechgrünen Wiese?~ Das gibt dem Ganzen mehr Farbe, nicht wahr?"
"Sagten Sie ~pechgrüne Wiese~?"
"Ja wieso? Meinen Sie, daß das nicht ganz trifft? Dann sagen wir doch ganz einfach: ~auf der blitzgrünen Wiese~!"
"Na schön", sagte der Lektor. "Aber wir sind vom Thema abgekommen. Wie schreiben Sie, lag der Ball auf der Wiese?"
"Wie ein graues Ungetüm."
"Aber vorher sagen Sie doch ausdrücklich, daß es ein bunter Ball ist!"

"Ach ja", rief der Autor aus, "so etwas Dummes! Ich hätte schreiben sollen: ~wie ein buntes Ungetüm lag der Ball etc.~"
"Und das trifft Ihrer Meinung nach?", fragte der Lektor.
"Ja", erwiderte der Autor. "Vielleicht ist ~lag~ noch etwas schwach. Wäre ~thronte~ besser? Oder ~kauerte~? Nein ~kauerte ist nicht gut~."

Der Lektor sah den Schriftsteller an. "Das sehen sie also wenigstens ein", sagte er dann leise, doch man sah, daß er sich mühsam beherrschte.
"Ja", entgegnete der Autor. ~Lag~ ist zu matt."
"Nein", rief der Lektor, "daß ein Ball nicht kauern kann".
"Ach so! Ja~kauern~ ist tatsächlich sehr unbildhaft. Das sagt eigentlich nichts über due spzefische Art aus, wie der Ball da liegt".
"Und wie liegt er da?"
"Wie ein graues Ungetüm".

"Nein", schrie der Lektor. "Dann sagen Sie doch wenigstens ~wie ein buntes Ungetüm~! Wobei ich noch immer nicht weiß, wieso ein Ball, ein Gummiball, wie ein Ungetüm auf einer Wiese liegen kann! Das ist es doch, worüber ich seit Wochen grübele. Wie kommen Sie darauf, einen Ball mit einem Ungetüm zu vergleichen?."
"Sie haben recht", sagte der Autor. "Ungetüm ist nicht gut. Aber was könnte man stattdessen sagen? ~Wie ein bunter Strauß vielleicht~? Das stellt die Beziehung zur Wiese her, das ist ziemlich treffend, oder?"

"Sie haben sich also nichts bei diesem Vergleich gedacht?", fragte der Lektor.
"Doch! Bunter Ball, bunter Strauß, grüne Wiese - das ist doch einleuchtend!"
"Nein. Vielmehr ja. Ich meine den anderen Vergleich. Den mit dem Ungetüm. Dahinter steckt keine Absicht? Oder doch? Sie müßten es doch eigentlich wissen!"

"Eigentlich war der Vergleich nicht absichtlich". Der Autor schaute den Lektor an. "Er floß mir, wie man so sagt, aus der Feder. Ich schreibe viele Dinge spontan hin, weil es mir vor allen Dingen um eine frische Sprache geht. Wenn man zulange an einem Abschnitt arbeitet, geht der eigentliche Reiz verloren. Verstehen Sie, was ich meine?"

Der Lektor stand auf und trat ans Fenster.
"Sie haben sich also nichts dabei gedacht", sagte er so leise, als ob er zu sich selbst spräche. "Es war mit einem Wort Unsinn, wie? Aber ich mußte einen Sinn dahinter suchen, mich ließen Sie....".

"Werden Sie meinen Roman nun drucken?" unterbrach ihn der Autor.
"Nein", sagte der Lektor. "Wir werden ihn nicht drucken. Wenn Sie nun die Freundlichkeit hätten, durch jene Tür zu gehen, die wie...". Er geriet ins Grübeln und sah schweigend zu, wie der Autor seinen Roman nahm und sich verabschiedete.

An diesem Tag aber rührte der Lektor kein Manuskript mehr an, und übereinstimmend versicherten ihm seine Freunde in den darauffolgenden Wochen, daß er sich irgendwie verändert habe. Doch er schwieg zu alledem.***

ja arne, in diesem forum geht es mir manchmal wie dem grüblerischen lektor; ich lese die beiträge, wundere mich über begriffe, behauptungen und frage mich: *ist manch unsinn hier beabsichtigt?*
zu häufig lese ich undifferenzierte betrachtungen, die dann mit begriffen wie *menschenverachtend*, *faschistoid* garniert wrden. arne, soll ich dies alles noch ernstnehmen?
pardon, aber manches kann ich einfach besser beurteilen und es genügt nicht, *mann* oder *frau* zu sein, um über dieses gesellschaftliche thema zu reden.
und hohn oder gar spott wird männlichen opfern hier nicht entgegengebracht; nur die bitte etwas zu differenzieren. wer sich aber allzuweit versteigt, den sollte man mit ironie begegenen dürfen.

Grüsse


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