Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Ja frueher

Beelzebub, Saturday, 21.01.2006, 12:26 (vor 7126 Tagen) @ Frank

Als Antwort auf: ja, natürlich! von Frank am 20. Januar 2006 12:50:

Gleichwohl halte ich die Gesamtbilanz der franzoesischen Revolution fuer positiv. Oder wuenscht Du Dir vielleicht die Willkuerherrschaft der Aristokratie und die Leibeigenschaft zurueck?

Nein, und, da wollen wir mal ehrlich sein, einen solchen Wunsch kann auch nur mit reichlich viel Phantasie aus meinem Text herauslesen ;-))

Schon mal was von "rhetorischen Fragen" gehoert? (^_^)

Deine schoenen Reden sind typisch fuer jemanden, der es nicht erlebt hat. Behutsames Reformieren setzt zunaechst mal das voraus, was man heute "Dialogbereitschaft" nennt. Und die war auf Seiten der "Etablierten", wie man sie damals nannte, nicht im Geringsten vorhanden.
Bei allen? Und dank RAF und "Ho Chi Minh"-Schreihälsen ist es dann zu dieser Dialogbereitschaft gekommen? O Wunder!

Jawoll! Die eigene Ahnungslosigkeit immer schoen auf's neue unter Beweis stellen.

Was um alles dere Welt haben den ein paar wenige durchgeknallte Buergerkinder, die glaubten mit der Polizei Cowboy und Indianer spielen zu muessen ( und die nebenbei bemerkt, erst lange nach der APO-Zeit von sich reden machten) mit "den 68ern" zu tun?
Du als Anhaenger der katholischen Ideologie wuerdest dich schliesslich auch dagegen verwahren, wenn jemand eine Hand voll oesterreichischer Kinderschaender mit dem gesamten katholischen Klerus gleichsetzte, oder?

Aber im Fernsehen kann man hin und wieder Aufnahmen von SDS-Veranstaltungen sehen, bei denen jeder, dessen Meinung von der der radikalen Studenten abwich, erbarmungslos ausgepfiffen und angepöbelt wurde. Sehr viel Dialogbereitschaft kann ich aus solchem Handeln auch nicht gerade ableiten.
Und wohlgemerkt: das waren keine Feinde aus dem bösen Bürgertum, sondern oft nur Dissidenten aus dem eigenen Lager, die grundsätzlich die Ziele der Linken unterstützten.

Mehr faellt dir gegen die boesen 68er nicht ein? Gute Guete, was waere das schoen gewesen, wenn die von dir so sehr vereehrten Konservativen oder gar die katholische Kirche ihren Gegnern (oder auch den Abweichlern in den eigenen Reihen) nie etwas schlimmeres angetan haetten, als sie auszupfeifen oder niederzubruellen!

Was sind denn bitte schoen fuer tolle "Werte des Gemeinwesens" duch die boesen 68er zerstoert worden? Insbesondere wenn man es mit den Zerstoerungen vergleicht, die in frueheren Zeiten von Konservativen und Klerus ins Werk gesetzt wurden.

Ja, früher. Aber der Mensch ist lernfähig. Auch der Klerus und die Konservativen. Willst du die Kirche von heute mit der aus dem Mittelalter auf eine Stufe stellen oder die CDU von heute mit der aus den 50ern?

Nein, du wolltest das. Meine Ausfuehrungen ueber das Zerstoerungswerk der Konservativen & Katholen in frueheren Zeiten waren die Antwort auf eine Behauptung von dir welche im O-Ton lautete (Hervorhebung von mir):
Immerhin ist unser Gemeinwesen in den letzten 35 Jahren dermaßen rasant auf den Hund gekommen, wie die bösen, bösen Klerikalen und Konservativen es zuvor in Hunderten von Jahren nicht geschafft haben.

Merkst du jetzt, dass diese Behauptung Unfug ist?

Uebrigens ist es eine reine Illusion, dass die katholische Kirche aus Einsicht oder Lernfaehigkeit gnaedigerweise davon absieht, ihre tatsaechlichen und vermeintlichen Gegner auf bestialische Weise zu ermorden, wie sie es jahrhundertelang getan hat - im Zeichen "christlicher Naechstenliebe" und unter Absingen frommer Lieder(*angeekelt ausspuck*). Der Verzicht auf Massenmord und Terror ist einzig und alleine darauf zurueckzufuehren, dass der katholische Klerus die Macht nicht mehr hat, die er einst hatte. Und er hat sie nicht freiwillig abgegeben, sie musste ihm (unter Lebensgefahr) entrissen werden.

Und, wenn du mich schon fragst: Es gibt schlechtere Werte als die, die das Christentum vermittelt. Die Abkehr vom Religiösen hat sich - bei allem Fragwürdigen, das das Wirken der diversen Religionsgemeinschaften so mit sich bringt - bis jetzt immer noch als Irrweg entpuppt.

Wohingegen die Zuwendung zum Religioesen bis jetzt garantiert immer menschheitsbeglueckend war. Zum Beispiel bei den Massenschlaechtereien christlicher Heerscharen an heidnischen Untermenschen, etwa z.Zt. Karls des "Grossen". Oder bei den Kreuzzuegen. Oder bei dem segensreichen Wirken der heiligen Inquisition. Oder bei der Ausrottung der suedamerikanischen Ureinwohner und bei der Pluenderung und Zerstoerung ihrer Kultur (mit dem ausdruecklichen Segen der katholischen Kirche, die davon bis heute profitiert.). Oder in der Bartholomaeusnacht. Oder im 30jaehrigen Krieg. Oder bei jahrhundertelanger Judenverfolgung - die Nazis haben mit den Juden nichts anderes gemacht, als das konsequent fortzusetzen, was ihnen von Christen jahrhundertelang vorexerziert haben.

Mit oder ohne Religion werden gute Menschen Gutes und böse Menschen Böses tun. Damit aber gute Menschen Böses tun, dazu bedarf es der Religion. (Nobelpreisträger Steven Weinberg im Spiegel Nr. 30 vom 26.07.99)

Solche und aehnliche Sprueche kenne ich auch noch aus der "68er Aera". Damals hiess es: "Ihr seid ja alle viel zu verweichlicht, ihr werdet euch niemals gegen die Bedrohung aus dem Osten behaupten koennen und bald werden euch die Russen einkassieren."

Und der stramm konservative Ronald Reagan hat - zusammen mit dem stramm konservativen Papst und dem ausgesprochen gemäßigten Kommunisten Michail Gorbatschow - maßgeblich dazu beigetragen, dass uns die Russen dann erspart geblieben sind.

Stimmt. Reagan hat voll auf die Kriegskarte gesetzt und einen Atomkrieg bewusst in Kauf genommen. Mitte der 80er haben zahlreiche US-amerikanische Reisebueros mit dem Slogan Reklame gemacht "Besuchen Sie Europa, solange es Europa noch gibt."

Dass es nicht so weit gekommen ist, verdanken wir ausschliesslich Gorbatschow, der zum Glueck vernuenftig war. Waere statt seiner in der Sowjetunion ein genau so militaristischer Hohlkopf wie Reagan an die Macht gekommen, dann koennten wir - dir Richtigkeit der von dir vertretenen Ideologie vorausgesetzt - unsere Diskussion jetzt von Wolke zu Wolke fuehren. Mit Harfenmusik und Hosiannagesaengen als Begleitung.

Und was den Papst betrifft, so hat der selbst seinen Anteil am Zusammenbruch des Ostblocks so beschrieben: "Ich habe einem morschen Baum, der ohnehin am Umfallen war, noch einen kleinen Tritt dazu gegeben."

Nee, irgendwann erwischt es auch uns. Und wenn ich mir den Zustand unseres Gemeinwesens so ansehe, habe ich wenig Hoffnung, dass es stark und wehrhaft genug ist, sich gegen existenzielle Bedrohungen - von wem auch immer sie ausgehen - zur Wehr zu setzen.

Na dann auf ins Wehrertuechtigungslager! Und irgendein existenziell bedrohlicher Feind wird sich schon irgendwo finden

Greets

Beelzebub


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