Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Gottes Gegenrechnung

Nick, Monday, 17.10.2005, 19:02 (vor 6969 Tagen) @ scipio africanus

Als Antwort auf: Re: Gottes Gegenrechnung von scipio africanus am 17. Oktober 2005 10:25:

Guten Tag Scipio!

"Das ist so nicht richtig. Gott als der Schöpfer des Universums schuf das Prinzip "survival of the fittest", die Gewalt ist gewollt. Dieses Prinzip, dass nämlich der Stärkere den Schwächeren frisst, ja fressen muss um zu überleben, dieses Prinzip ist nicht das Prinzip eines liebenden Gottes, sondern viel eher das eines Sadisten! Vielleicht solltest du mal im alten Testament lesen, vom zornigen Gott, der ganze Völker bestraft, bis zur vierten nachfolgenden Generation. Dieser Gott des alten Testaments scheint mir sehr viel authentischer zu sein als der immer wieder zitierte "liebe" Gott des neuen Testaments."

Das Prinzip "survival of the fittest" hat sich nicht Gott ausgedacht, sondern Charles Darwin. Gott hat eine Wirklichkeit geschaffen, die fähig ist, sich auf ihn hin zu entfalten, ihn am Ende im Menschen zu erkennen und mit ihm in Dialog zu treten. Da auch du selbst ein Ergebnis dieser Tat bist, kannst du sie logischerweise nicht kritisieren, außer es wäre dir lieber, wenn es dich erst gar nicht gäbe. Um das zu erreichen, mußt du nicht Gott kritisieren, sondern nur Selbstmord begehen. Wenn du letzteres unterläßt (wozu ich rate), dann kannst du doch eigentlich nur froh darüber sein, daß bisher alles bis zu dir hin ganz prima funktioniert hat, oder nicht? :-)

Auch für Darwin bestand das von ihm entdeckte Prinzip übrigens nicht darin, daß etwa die Starken die Schwachen aufessen, bis sie weg sind, sondern darin, daß die "Fittesten" sich am besten an die Dynamik der sich dauernd entfaltenden Schöpfung anpassen und so jeweils eine Weile lang zu Trägern ihrer Höherentwicklung werden, solange, bis auch ihr Ende einmal gekommen ist. Mit "Gewalt" im moralisch wertenden Sinne hat das alles nichts zu tun, sondern einfach mit leben und sterben. Ewigkeit ist kein Zeitbegriff und im Bios aus Prinzip nicht zu haben, denn dann könnte er nicht funktionieren. Beschwerst du dich darüber, daß es den Tod gibt? Dann beschwer dich zuvor darüber daß es Zeugung und Geburt gibt - also wieder: daß es dich gibt. Gäbe es keinen Tod, dann gäbe es immer noch nichts als Blaualgen, also auch keinen Scipio II., der sich komischerweise darüber aufregt, daß seine Ahnen so freundlich waren zu sterben, um ihm Platz zu machen, nachdem sie ihn hervorgebracht haben. Wäre es dir umgekehrt lieber?

Wovon ernährst du dich eigentlich? Von Kohlendioxid, Sand und Wasser? Falls nicht: beklagst du dann auch konsequent die Gewalt, die dem Getreide angetan wurde, damit aus ihm ein Brötchen wurde? Man denke nur: zerquetscht und mit Feuer gequält! Da muß man doch unbedingt das Gewaltschutzgesetz erweitern, damit dieser Sadismus, den Gott sich da ausgedacht hat, endlich mal beendet wird! Geht's noch, Scipio?

Die "Empfehlungen des Herstellers", die Anlaß für deine Kritik gewesen sind, wurden nicht an Getreidekörner und Grottenolme erteilt, sondern an diejenigen, die sie auch begreifen können, an uns Menschen also, weil wir (jedenfalls im Prinzip) vernunftfähig sind und deshalb aus der Späre des Bios hinübergehen können in das Sein Gottes. Wir müssen das nicht, deshalb sind es ja auch nur Empfehlungen, aber wir sind dazu gewissermaßen eingeladen. Wenn jemand diese Einladung ausschlägt und die Empfehlungen ignoriert - was er darf - dann bleibt er halt da wo er ist, im Bios mit seinem Prinzip von Leben uns Sterben, und verschwindet wieder. Das Recht dazu wird ausdrücklich niemandem bestritten! Eine Wahl indes, die man selbst trifft, verantwortet man auch selbst und kann sie einem Anderen folglich nicht zum Vorwurf machen, zumal dann nicht, wenn die Möglichkeit dieser Wahl ja überhaupt erst von dem geschaffen wurde, den man dafür kritisieren will. Das ist verrückt. Dieser Verrücktheit des Menschen wegen ist Gott übrigens so weit gegangen, sich dafür vor den Kadi bringen, anklagen und hinrichten zu lassen. Wer ihm das also immer noch vorhalten will, dem muß man inzwischen sagen, daß Gott längst deswegen vorbetraft ist, seine Einladung aber immer noch gilt, und ihre Ernsthaftigkeit wegen seines unbedingten Eintretens dafür inzwischen einfach nicht mehr plausibel infragegestellt werden kann.

Der "liebe Gott" des NT ist derselbe wie im AT, denn es gibt nur ein einziges Exemplar von ihm, auch wenn das Bodenpersonal sich etwas differierende, weil eh unvollkommene Bilder von ihm macht. Auch im NT ist übrigens immer wieder die Rede davon, daß ausgelöscht wird, was keine Frucht bringt, auch wenn natürlich kein Mensch von vornherein davon ausgeschlossen ist und "der Weinstock" deshalb geduldigst gehegt und gepflegt wird, denn er soll ja Frucht (= Erkenntnis Gottes) bringen. Aber wer es ausdrücklich nicht mal bis zum Niveau eines Hausschweines schaffen will, warum sollte Gott mit ihm etwas anderes tun als du, wenn du einen Leberkäswecken ißt, oder etwas, das dir völlig mißraten ist, am Ende in die Tonne trittst?

Das Schicksal von Flora und Fauna ist es nach Gottes weiser Entscheidung zu werden und zu vergehen. Göttliche Berufung und Würde des Menschen aber ist es, daß er als freies, sittliches, gottfähiges Geschöpf sein letztes Schicksal selbst wählt, für dessen Gelingen er dann allerdings im eigenen Interesse die "Empfehlungen des Herstellers" beachten sollte. Jeder Mensch ist letztlich allein verantwortlich dafür, was aus ihm wird, auch sub specie aeternitatis. Das ist eine königliche Freiheit, die der Hefepilz, das Getreidekorn, der Leguan und selbst das Hausschwein bekanntlich nicht haben. Diese Freiheit bedeutet allerdings, daß diese Wahl dann natürlich auch als gültig anerkannt wird, wenn sie einmal unwiderruflich getroffen ist, andernfalls es ja keine freie Wahl wäre. Wer Gott finden möchte, der bekommt jede erdenkliche Hilfe dazu, z.B. jene "Empfehlungen des Herstellers", die du anzweifelst. Und wer Gott nicht will, der bekommt ihn auch nicht. Ich wüßte nichts, was gerechter sein könnte, denn jeder erhält ja das, was er selber haben wollte.

Im übrigen muß man hier mal deutlich sagen, daß jeder, der nicht selbst der Butler sein will, der allen anderen ihren Arsch hinterherträgt, sich nicht darüber beklagen darf, daß auch Gott nicht so ein Butler ist, der ihm den Arsch hinterherträgt. Verantwortung für das eigene Denken und Handeln ist ja die entscheidende Voraussetzung dafür, überhaupt eine freie Wahl zu haben. Wer diese Verantwortung beklagt, verhält sich im Grunde wie ein Kind oder z.B. wie eine Feministin und widersagt seiner eigenen Würde. Das Leben ist eine todernste Angelegenheit, die einzige Sache auf Leben und Tod, die es überhaupt gibt. Obwohl das jeder weiß, scheint es vielen komischerweise nicht richtig bewußt zu sein, daß es da wirklich um alles oder nichts geht. Kann nicht schaden, gelegentlich darauf hinzuweisen.

Du hattest gefragt, ich habe geantwortet... :-)

Herzlicher Gruß
vom Nick


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