Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Emanzipation auf Kosten unsrer Kinder?

Flint, Monday, 10.04.2006, 09:58 (vor 6603 Tagen) @ Scipio Africanus

Als Antwort auf: Re: Emanzipation auf Kosten unsrer Kinder? von Scipio Africanus am 05. April 2006 10:28:

Hallo Scipio

Für viele Kinder wären Kindertagesstätten eindeutig ein Vorteil. Vor allem für Kinder aus den unteren sozialen Schichten, wo Mann und Frau erwerbstätig sind, und die Kinder einfach einen Schlüssel in die Hand gedrückt erhalten.

Mag sein, daß dies für viele Kinder zutrifft. Aber nur für Kinder, die damit kein Problem haben. Ich spreche hier aber nicht von den Kindern die damit kein Problem haben, sondern von den Kindern die eine Phobie, ein Greuel, eine absolute Abneigung davor haben und für die es zu diesem Zeitpunkt einfach schädlich wäre, sie da hineinzuzwingen! (Die Mehrzahl meiner Bekannten berichtet mir von einer Aversion ihrerseits gegen Kindergarten und Schule. Hier im Forum scheint es nur Leute zu geben, die gerne dorthin gegangen sind. ;-) Vielleicht liegt es aber auch an den Meinungsführern hier, warum man sich nicht "outen" möchte.) ;-)

Haben Kinder ein Problem damit, sollte meiner Meinung nach darauf eingegangen werden und nicht einfach (z.B. aus schnöden materiellen Gründen wie das bei stumpfsinnigen und/oder egoistischen Eltern leider der Normalfall ist) übergangen werden. Das Kind ist das schwächste Glied in der Kette. Darauf sollte Rücksicht genommen werden.

Ich halte die psychischen Aspekte für wichtiger als die körperlichen. Ein Elternteil könnte z.B. zu Hause bleiben oder sie könnten dies wechselseitig halbtags tun oder entfernte Familienangehörige (falls es diese gibt) bei denen sich das Kind noch wohl und vertraut fühlt könnten diese Aufgabe übernehmen.

Was ist an einer Ganztagesbetreuung so verwerflich ? Vielmehr Sorgen würde ich mir über die Qualität der Schulen machen, als über deren zeitlichen Rahmen.

Die Frage ist gut.

Ich bin generell gegen Ganztagsbetreuung weil ich sie für absolut unnatürlich halte. Egal was für eine „Qualität“ sie hat. (Das schönste und beste Gefängnis bleibt immer noch ein Gefängnis) Ob etwas unnatürlich ist, kann man am besten erkennen, wenn man sich anschaut, wie es natürlich ist.

Natürlich ist meiner Meinung nach, wenn das Kind entsprechend seiner jeweiligen psychischen Konstitution behandelt wird und leben/aufwachsen kann. Was meine ich damit? Ich meine damit, daß das Kind so behandelt werden/leben/aufwachsen sollte, daß es sich möglichst gut und gesund (körperlich und geistig) entwickelt.

Dies erreicht man dann, wenn die dem Kind innewohnenden positiven Kräfte zur Entfaltung gelangen können. Dazu braucht es einen geschützten Rahmen in dem es sich wohl fühlt. Hier kommt es auf das Alter an. Ein 2 jähriges Kind braucht eine andere Umgebung als ein 5 –jähriges, 8-jähriges, 10 oder 14-jähriges Kind.

Wir müssen uns entscheiden über welches Alter wir uns hier unterhalten wollen. Sonst redet man aneinander vorbei.

Diesen geschützten Rahmen in dem es sich wohl fühlt, hat es meiner Meinung nach dann, wenn es in der Nachbarschaft mit Kindern spielen kann wenn es dies will und mit wem es will. Wenn es die Möglichkeit hat, nach Hause zu gehen wenn es nach Hause gehen will, und sich dorthin (in sein Spielzimmer) zurückziehen kann usw. usf. Im Kindergarten hat es dies alles nicht. Es muß unter Umständen mit Kindern zusammen sein die es nicht mag (die vielleicht kleine Bestien sind, die es drangsalieren), kann sich nicht zurückziehen und findet keinen Schutz. Ehrlich gesagt, ich finde das für’n Arsch!
Hier wird das Kind von den Eltern im Stich gelassen. Hier bedürfte es Schutz.

Ich bin ein Gegner der (gewaltsamen –dazu zählt auch psychische Gewalt) Erziehung, bei der der Nachdruck auf ziehen liegt. Womit wohl auch das ziehen in eine bestimmte Richtung gemeint ist, egal wohin das „Objekt“ will, es soll dahin gezogen werden, was vorgegeben wurde. Das Erziehungsziel. Das wird dann immer sehr schön beschrieben, z.B. ein mündiger Bürger, der in unserer Wertegemeinschaft… usw. blabla. Das wird dann auch gern mit dem Euphemismus „Sozialisation“ bedacht. Ich weiß nicht wo dieser Begriff herstammt. Wahrscheinlich aus der Soziologie (und denen traue ich sowieso schon mal nicht…)

Ich weiß nicht ob es hier so sehr auf die sogenannte Sozialisation ankommt. Für mich ist jemand dann am offensten, sich sozial zu verhalten, wenn er am meisten er selbst ist. Wenn er ein Freund seiner selbst ist, ist er auch aufgeschlossen und freundschaftlich anderen gegenüber. Zumindest ist die Wahrscheinlichkeit größer als wenn es von Kindesbeinen an, jahrelang, in den wichtigsten Entwicklungsjahren seines Lebens, gegen seine natürlichen Bedürfnisse in Gruppen gezwungen wurde die es haßt und vor der es einen Greuel empfand, denn dann könnte es passieren, daß mit dieser Person ein Leben lang nicht mehr gut Kirschen essen ist. Da haben wir dann das Gegenteil von dem was „offiziell beabsichtigt“ war, erreicht: Einer der gruppendynamisch versaut wurde und auf einen Einsatz in der Gruppe schlecht zu sprechen sein wird. Der sich fortan abkapselt, Gruppen vermeidet usw. Das ist dann nicht gut für ihn und nicht gut für die Gruppe (wenn man bedenkt was hätte herauskommen können, wenn man ihn etwas länger vor der Gruppe geschützt hätte, bis er von sich aus dafür bereit gewesen wäre).

Mir tun die kleinen Kinder immer leid, wenn ich sehe, wie sie ihre besten Jahre in Institutionen verbringen müssen, wenn ich sie mit schwerem Schulranzen in die Schule trotten sehe, wo es doch viel Interessanteres und wichtigeres geben würde wie auf der Wiese liegen und Käfer beobachten… usw.

Ich empfehle hier 2 Bücher von H.Hesse: „Kindheit des Zauberers“ und „Unterm Rad“ http://derstandard.at/?url=/?id=1934098

Zum Thema Erziehung gefällt mir das engl. Education schon viel besser, welches (soviel ich gehört habe [kann leider nicht gut englisch]) eher meint, dem „Objekt“ dahin zu helfen, wohin es sich auf natürliche Weise von innen heraus sowieso entwickeln möchte bzw. von der inneren Natur heraus entwickeln „muߓ.

Wenn die sogenannte „Sozialisation“ am besten durch Ganztagsunterbringung erreicht würde, dann frage ich mich, wie ist das dann bloß in den Gemeinschaften im Dschungel, bei den Eskimos oder Indianern. Ich habe nicht den Eindruck, daß die Kinder dort unsozial oder antisozial werden, weil es an Ganztagsunterbringung fehlt, und sie zu Hause und um die Hütte herum spielen usw. Auch in armen Ländern, die sich keine Ganztagsunterbringung leisten können und wo es diese Institutionen weniger gibt, sehe ich eher das Gegenteil.

Hier bei uns scheint mir diese „Sozialisation“ etwas Künstliches zu sein. Etwas zivilisatorisch Angetrimmtes. Dazu kommt noch ein speziell deutsches (?) Problem. Bei den Südländern z.B. ist es in Gruppen schon etwas menschlich wärmer.

Gruß
Flint


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