Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Wieder mal das Thema Abtreibung

Magnus, Thursday, 09.03.2006, 10:17 (vor 6822 Tagen) @ isegrim

Als Antwort auf: Re: Wieder mal das Thema Abtreibung von isegrim am 09. März 2006 01:06:

>Geht es euch hier wirklich um den Schutz des ungeborenen Lebens? Geht es darum, daß jede befruchtete Eizelle absolut schützenswert ist, oder geht es Euch nicht eher darum, den Frauen eins auszuwischen, da deren Machtposition stärker ist?
antwortete Conny:
Mir geht es darum, daß ich als Mann keine Chance habe nein zum töten eines Kindes von mir zu sagen. Mir wurde schon ein Kind abgetrieben (und auch eine Abtreibung vorgelogen wo nicht mal eine Schwangerschaft war) und ich leide auch daran. Reicht das?
Das habe ich gemeint: Ich glaube, viele die sich darüber aufregen, daß hier ungeborenes Leben zerstört wird, regen sich in Wirklichkeit über die Macht auf, die Frauen auf diese Art und Weise allein bekommen; es geht hier also prinzipiell darum, Waffengleichheit herzustellen: Conny möchte ein Mitspracherecht bei Abtreibungen haben, andere möchten das Sorgerecht für ihre Kinder, mir wäre eine gewisse Sicherheit vor Unterhaltszahlungen schon genug... Aber oft wird einfach nur laut: "Mord!" gerufen, wo es im Grund um Machtfragen geht. Darauf wollte ich hinweisen. ;-)

Ich glaube hier liegt eine wesentliche Mißinterpretation vor. Connys Art der Formulierung läßt darauf schließen, dass Abtreibung für ihn sehr wohl Mord darstellt. Für ihn ist die Abtreibung der Verlust eines Kindes gewesen. Ambitionen hier der Frau lediglich etwas "auswischen" zu wollen, da deren Machposition stärker ist, ist eine infame Unterstellung eines niederen Motives. Nein, darum geht es nicht, es geht um mehr. Es geht - wie auch in der Sorgerechtsfrage - um die Beseitigung von Unrecht. Und das Unrecht folgt nicht allein aus dem Machtgefälle, sondern aus dem Machtmißbrauch der eben nur dann verhindert werden kann, wenn Mann und Frau in gleichen Teilen zur Mitbestimmung berufen sind oder die Gesetze dementsprechend konsistent formuliert sind. Conny geht es sehr wohl um das ungeborene Leben, weil er die leidliche Erfahrung des Verlust seines Kindes hinnehmen musst - so hat er es formuliert. Ihm geht es nicht um die Mitbestimmung bei Abtreibung. Andere Väter, die ihre Kinder nicht sehen können und dürfen, erfahren ebenfalls den Verlust ihres Kindes und das Kind den Verlust seines Vaters.

Wer bei Abtreibung "Mord" ruft, dem geht es sicherlich nicht um Machtfragen, sondern um die Darstellung seiner Ethischen Auffassung. Was hat es denn mit Macht zu tun, sich selbst in seinen Möglichkeiten einzuschränken bzw. für das Verantwortung tragen zu wollen und zu müssen, was man selbst zu "verschulden" hat? Um Machtposition würde es wohl eher dann gehen, wenn ein Mann die Forderung stellen möchte, dass auf seinen Wunsch ein Kind abgetrieben werden kann, DAS ist Mitbestimmung bei Abtreibung. Macht bedeutet letzten immer für eigene Fehler nicht einstehen zu müssen. Diejenigen, die Abtreibung als Mord bezeichnen, gehören sicherlich nicht zu dieser Gruppe.

Dir geht es aber wirklich um das ungeborene Leben - aber die Frage, ob ein Embryo ein "Mensch" im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz ist, oder nicht, das heißt prinzipiell die Fragen: auf wen referiert der Begriff der Menschenwürde eigentlich? Was genau darf ich kantisch gesprochen niemals als Mittel zum Zweck ansehen, sondern immer nur als Zweck an sich? Ist - in der Objektformel gesprochen - ein Embryo ein "konkreter Mensch"? Ist dazu ein Selbs-Bewußtsein (ein Bewußtsein vom Selbst) notwendig? Referiert es nur auf Personen? Und was sind dann Personen eigentlich? Und was ist - neben den juristischen Fragen - die moralphilosophische Untermauerung dieser Zweck-an-sich Formel? Ist es überhaupt sinnvoll vorausetzungslose (kategorische) Imperative anzunehmen, wo sich durch Kants Werk die Vernunft als implizite Vorrausetzung zieht - kathegorische Imperative also vielleicht doch nur hypothetische sind, mit der Einschränkung auf "Vernunftbegabte Wesen"? diese Fragen also - sollten nicht an diesem Ort diskutiert werden.

Viel geschrieben, nichts gesagt. Aber du kannst dir ja mal über das Mittel zum Zweck Gedanken machen, wenn es darum geht, eine verschwommene biologische Grenze zu ziehen, in der Abtreibung zulässig ist, die Entwicklung des Menschen in einer kontinuierlichen Veränderung verläuft. Jeder Grenze ist immer ein Mittel zum Zweck.

Magnus


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