Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Werden verunsicherte Männer zum Macho?

Rüdiger, Saturday, 07.01.2006, 20:51 (vor 6886 Tagen) @ ChrisTine

Als Antwort auf: Re: Werden verunsicherte Männer zum Macho? von ChrisTine am 07. Januar 2006 11:21:41:

Die Idee ist sogar sehr gut, denn ansonsten müssen sich die Jungen weiterhin anschauen, wie die Mädchen die besseren Noten kriegen.
Und noch etwas: Es gibt keine "Geschlechterklischees", das ist nur etwas für oberflächliche Denker.

Pubertierende Jungs und Mädels SIND "oberflächliche Denker", es wäre wohl zu viel verlangt, von ihnen zu erwarten, sie sollten die ihnen vorgelebten Klischees kritisch hinterfragen. Die wollen bei ihren Altersgenossen beliebt sein, wollen nicht Außenseiter sein.

Ne Rüdiger, das sehe ich aber ganz anders und zwar resultierend aus dem Umgang mit Jugendlichen. Die denken schon nach und zwar mehr, als manch einer ahnt. Nur die Erwachsenen, sprich Medien, Politiker etc. wollen etwas anderes sehen, aber das war ja leider schon immer so. Jeder sieht nur das, was er sehen will, denn sonst wären wir heute nicht da, wo wir sind.
Rüdiger, wenn ich Deine Annahme zu Grunde lege, dann war unsere Generation ebenfalls oberflächlich, aber allesamt bis auf ein paar Ausnahmen, denn kein Mensch will auf Dauer Außenseiter sein. Hätte auch nur die Hälfte unserer Generation rebelliert, dann gäbe es heute diesen Staatsfeminismus nicht.

Es gibt Weiblichkeit, Männlichkeit und die entsprechende Mythologie. Wer diese Dinge emotional nicht erfassen (Politiker u.ä.), sollte die Finger davon lassen.

Sag das mal einem Jugendlichen ....

Weißt Du Rüdiger, wie das bei mir ankommt? Die Jugendlichen von heute sollen doch gefälligst das machen, wozu wir zu bequem waren.
Ein bischen zu einfach, diese Sichtweise, findest Du nicht?

Möglicherweise. Ich weiß es nicht so recht. Ich war schon früh an Geschichte und Politik interessiert, meine Mutter war auch Geschichtslehrerin, da hatte ich viel Zugang zu interessantem Material - ich war schon in mancher Hinsicht ein Außenseiter, kultivierte das in gewissem Maße sogar .... Wer sich damals, um 1980, für Politik interessierte, war links, ich war als Konservativer eher die Ausnahme. Esther Vilar las ich allerdings erst um 1990, ich weiß nicht mehr, was ich vorher zur Männerwehrpflicht dachte. Ich erinnere mich dunkel, daß ich es zwar ärgerlich fand, daß Frauen nicht zum Bund müssen, aber weiter darüber nachdenken tat ich nicht. Ich fand die Abschreckungspolitik gegenüber dem Kommunismus und die NATO-Nachrüstung grundsätzlich richtig; die gegen die Armee waren, waren es auch nicht deswegen, weil nur Männer herangezogen werden, das spielte in der Argumentation gar keine Rolle .... (Es ist schon so: Wächst man in einem absurden Regime auf, sieht man zunächst den Wald vor lauter Bäumen nicht, darin war ich mir schon vor Jahren mit Arne einig).

Jahre später machte ich eine Buchhändlerlehre, und eine jüngere Kollegin hatte dasselbe Gymnasium wie ich absolviert. Was sie mir berichtete, war das: Seit etwa 1985 habe der berüchtigte "Markenfetischismus" um sich gegriffen, es zähle nur noch, wer T-Shirts, Turnschuhe etc. welcher Marke trage, Politik und politisches Bewußtsein seien völlig out usw. usf.

Ich weiß ja auch nicht so recht. Sicher gibt es viele Jugendliche, die nachdenken. Aber wenn ich andererseits höre, daß verzweifelte Eltern sogar über die Einführung von Schuluniformen nachdenken, um diesen gräßlichen Markenkult zu beenden, wenn ich sehe, wie manche Jugendliche beim Entzug des Handys Entzugserscheinungen kriegen etc. pp. - dann habe ich nicht den Eindruck, daß hier eine sonderlich kritische Jugend heranwächst. Vielleicht irre ich mich ja da, und unter der Oberfläche sieht es anders aus. Warum sollten die Jugendlichen auch anders sein als die Erwachsenen, und wenn ich merke, daß z. B. das öffentlich-rechtliche Fernsehen unter Quotendruck immer mehr verflacht, daß also offenbar die Mehrheit der Zuschauer so einen Scheiß wie in den Privatfernsehkanälen sehen will, dann stärkt das nicht gerade meinen Glauben an die Menschheit ....

Ich weiß noch, daß wir um 1980 in der Oberstufe Witze gemacht haben: "Ja ja, das mit dem Heiraten muß man sich sorgfältig überlegen, weil Scheidungen so teuer sind" - aber die meisten haben dann doch geheiratet, und bei den meisten ist's sogar auf Dauer gutgegangen. Wenn Du sagst, wir hätten was versäumt - ja, haben wir objektiv, doch ich muß sagen, die Gefahren des Feminismus waren mir so um 1980 überhaupt nicht bewußt, obwohl ich politisch sehr interessiert war. Da waren DAMALS die Gefahren des KOMMUNISMUS bedeutend gewichtiger, für mich jedenfalls, für die - meist linken oder grünen - politisch interessierten in meiner Klasse wohl weit weniger, und eine Gefahr durch den Feminismus hätten die wohl noch weit weniger gesehen (wenn's noch eine Steigerung von "überhaupt nicht" gibt ;-). Hinterher ist man immer schlauer .... Der Feminismus begann ja auch mit berechtigten Anliegen. Wer hätte 1977 dagegen sein sollen, daß Ehefrauen nun auch ohne das Plazet ihres Mannes einen Job annehmen dürfen? Wohin das alles führt, wurde erst später deutlich, und vom ersten Gleichstellungsbeauftragten dürften wir 1977 noch ein Stück weit entfernt gewesen sein ....

Nachdenkliche Grüße

Rüdiger


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